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Künstler auf gangbaren Wegen

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Unter der Patronanz des Österreichinstituts haben in der Galerie Welz sechs Wiener Künstler gemeinsam eine Ausstellung veranstaltet. Sie sind kein Verein, keine Organisation, sie haben lediglich das Bedürfnis, einmal im Chor auszusprechen, was jedem von ihnen am Herzen liegt. Was zustande kam, ist eine Ausstellung, in der alles aufeinander abgestimmt ist und dennoch die Eigenheit des einzelnen durchaus gewahrt bleibt. Möglich, daß dieser freien Gruppen- und Ausstellungsbildung die Zukunft gehört; sie kommt vermutlich den Interessen der Künstler besser entgegen als die schematisierenden Ausstellungen der Künstlervereine, wie sie bis jetzt üblich sind.

Die Arbeiten, die nun in der Galerie Welz hängen, erwecken den Eindruck einer wohltuenden Nüchternheit im Geistigen: da ist keine Spur von einer Berauschung an Schlagwörtern oder den Programmen irgendwelcher Kunstrichtungen, da merkt man nirgends die gefährliche Freude am Spiel mit formalen oder farbigen Elementen um ihrer selbst willen. Statt dessen spürt man bei jedem der Sechs Überlegung, Disziplin und fast so etwas wie Angst vor dem Effekt. Das ist sympathisch und erzeugt eine reine Atmosphäre.

Die Graphik herrscht vor. Merkwürdig: wir besitzen unter den jüngeren Künstlern — wie sich wenigstens aus den Ausstellungen der letzten Jahre schließen läßt — eine ganze Anzahl hochbegabter Zeichner, deren einigen man heute schon internationalen Rang zugestehen könnte. Aber unter ihnen sind vergleichsweise wenig Ölmaler, von denen man das gleiche behaupten könnte. Bei Friedrich Fischer, dem jüngsten und dem einzigen Ölmaler dieser Gruppe, wird man jedenfalls das Beste erwarten können; er besitzt schon jetzt eine kräftige Palette und weiß, daß die Farbe nicht bloß materieller Wirkungen fähig ist. Daß er Ernst genug hat, zeigt sich daran, daß er nicht zum Komplizierten, sondern zum Einfachen strebt; man wird mit ihm noch Überraschungen erleben. Seine Balzac-Illustrationen sind vollwertige Zeichnungen.

Auch Fritz Jakob wird vielen Besuchern der Ausstellung eine neue und angenehme Bekanntschaft sein. Sein Gebiet ist vor allem das Aquarell, das ja derzeit bei uns eine Blütezeit erlebt. Sie wird wahrscheinlich kurz sein. Aber sie hat bereits jetzt viel Wertvolles hervorgebracht iund darunter nicht zuletzt die Arbeiten Fritz Jakobs. Das sind ausgereifte, starke Bilder, die in Umfang wie Intensität die Wirkung des Gemäldes durchaus erreichen. Der bloße, gerade beim Aquarell so verlockende Reiz des Farbigen genügt Jakob nicht; er geht vielmehr sehr entschieden auch in die Tiefe. Jakob dürfte sich mit dieser Kollektion seiner Arbeiten einen festen Platz unter den Wiener Künstlern gesichert haben.

Otto Beckmann besitzt diesen Platz bereits. Als einziger bis jetzt im weiten Umkreis hat er es gewagt, in einem neuen Material zu arbeiten, das übrigens unglaublicher Wirkung fähig ist: dem Email. Bei Beckmann gibt es nichts Zufälliges und verbietet sich alles Ungefähre — das Material würd£ sich dagegen wehren. Es widersteht ebenso Impressionismen und Andeutungen, ja, dieser spröde und schwierig zu behandelnde Stoff verlangt geradezu danach, Erkenntnisse auszudrücken, Sinnbilder, nicht Abbilder zu liefern. Und in der Tat, von einigen der Arbeiten dieses bedeutenden Künstlers, der wunderbaren „Pandora“ zum Beispiel, ließe sich sagen, was man heute selten vor einem Kunstwerk zu sägen wagt, daß sie nämlich fast monumental sind; und außerdem sind sie sehr schön. Beckmann bat etwas Zu sagen und er weiß es zu sagen.

Unter den Graphikern ist Walter Eckert der Expressivste, wohl auch der Schwerblütigste. Im Innerlichen wie im Äußerlichen bevorzugt er die schweren, schwarzen Schatten. In gewissem Sinn ist jedes von seinen Blättern zugleich eine Enthüllung, die hinter hellem Vordergrund Angst, bohrendes Grübeln, auch Verzweiflung entdeckt. Daß ihm dies ein Bedürfnis, nicht ein Programm ist, merkt man deutlich: er macht sich’s in keiner Hinsicht leicht, und so ist er auch im Formalen hieb- und stichfest. Karl Kreutzberger steht ihm in nichts nach, aber er ist von anderer Art, heller und irgendwie freundlicher. Seine Landschaften, ungewöhnlich lebendige, großzügige Stücke, bekommen durch das Vorwiegen der senkrechten und waagrechten Strukturlinien fast etwas Klassisches. Rühmenswert an ihnen die große handwerkliche Sorgfalt — vor Zeichnungen Kreutzbergers hat man unweigerlich das Gefühl des Sicheren und Zuverlässigen. Auffallend, wie die Zeichnungen Eckerts und Kreutzbergers den umgebenden Raum ausfüllen, was ja auch bei guten Graphiken nicht immer der Fall ist.

Von dem dritten unter den Zeichnern dieser Ausstellung, Kurt Moldovan, ist man es nun schon gewöhnt, daß er in jeder Ausstellung mit neuen Themen erscheint; diesmal ist er mit einer Serie von Monats- bildėrn vertreten, die man am ehesten graphische Gedichte nennen möchte. Moldovan hat seinen Weg sehr schnell zurückgelegt; innerhalb von drei Jahren hat er den Anschluß an die Spitzengruppe der jüngeren österreichischen Graphiker gefunden.

Eine Ausstellung also, in der alles an seinem richtigen Platz, alles sauber und mit Verantwortung gearbeitet und in der nichts Un- oder Halbwahres zu finden ist. Man wird sie nicht so schnell vergessen.

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