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Kulte, Künstler, Könige

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Die kulturelle Landschaft in Afrika ist bunt und faszinierend. Zu Unrecht führen manche Landstriche Afrikas ein Aschenputtel-Dasein, denn nicht nur das alte Ägyp ten hat beeindruckende kulturelle Traditionen hervorgebracht. Die Sonderausstellung im Schloßmuseum Linz bietet mit 1.400 Quadratmeter Ausstellungsfläche ausreichend Platz und Gelegenheit, 500 Exponate höfischer und „alltäglicher” Kunst aus Nigeria eingehend zu betrachten. Damit ist diese Ausstellung eine der größten, die in Europa jemals über Afrika zu sehen waren.

„Afrika und Europa” ist auch das Thema, mit dem die Resucher und Besucherinnen am Beginn der Ausstellungkonfrontiert werden: Wie haben die Europäer in den vergangenen Zeiten die Afrikaner gesehen, wie wurde der weiße Mann „ohne Haut” vom Afrikaner beurteilt? Reiseberichte aus dem Mittelalter räumen mit dem Vorurteil auf, daß die schwarze Bevölkerung vorrangig als Menschen zweiter Klasse, als Wilde gesehen wurden. Dies geschah erst im Zuge der Versklavung und Ausbeutung dieser Völker durch die weißen Eroberer.

Auf afrikanischer Seite haben die Begegnungen mit den Europäern ihren künstlerischen Niederschlag in den „Colonfiguren” gefunden. Ihre Bezeichnung führt zurück auf die aus Europa angereisten „Kolonisten”, was Grund genug ist, diese Figuren, so kurios sie auch für Europäer sein mögen, nicht zu verniedlichen. Die Funktion der Colonfiguren - sie tragen Militärmützen, Reiterkappen, Tropenhelme oder Krawatten - ist nicht restlos geklärt. Wahrscheinlich ging es den afrikanischen Karikaturisten nicht darum, den Europäern einen Spiegel vor Augen zu halten. Eher könnten diese oft witzigen, ins Detail gehenden Holzfiguren das widerspiegeln, was in Afrika seit dem Eindringen der Europäer an Veränderungen passiert ist.

Eines der bedeutendsten Königreiche Afrikas war das alte Reich Benin, in Westafrika .gelegen. Die Hauptstadt Benin City galt als das religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Beiches. Dort residierte auch der „Oba”, der Gottkönig von Benin. An seinem Palast entwickelte sich eine prachtvolle höfische Kultur, die ihren Höhepunkt zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert hatte. Im zweiten Baum der Ausstellung sind Werke dieser Epoche zu sehen: kunstvoll angefertigte Metallplastiken aus Gelbguß mit Darstellungen aus dem höfischen Leben und Schnitzereien aus Elfenbein. Eine Vielzahl der zu bestaunenden Stücke stammt aus der

Benin-Sammlung des Völkerkundemuseums Wien.

In Nigeria leben mehr als 20 Millionen „Yoruba”. Die Könige der Yoruba genießen bis heute hohes Ansehen und üben meist eine sakrale Funktion aus. Das „Ifa-Orakel” entscheidet letztendlich darüber, ob nach dem Tod des Königs der jeweils neu ausgewählte Kandidat tatsächlich den Thron besteigen darf. Diese mit Steinen gefüllten Orakelschalen werden von einem Wahrsager „bedient”, die Schalen sind mitFigürchen und Symbolen verziert. Ein Erlebnis besonderer Art ist ein begehbarer Königspalast der Yoruba, der eigens für die Ausstellung in Linz nachgebaut wurde.

Obwohl die Mehrzahl der jetzt lebenden Yoruba bereits christianisiert wurde oder dem Islam zugehörig ist, leben die eigenen afrikanischen Traditionen weiter: so sind etwa an die 400 männlichen und weiblichen Gottheiten bekannt, jährlich wird in jeder Stadt ein religiöses Hauptfest „Odun” - veranstaltet, bei dem die führende Gottheit der Stadt als Schutzgottheit verehrt wird. Die Perlenarbeiten, Elfenbeinschnitzereien und beeindruckenden Maskenkostüme („Gelede-Masken”) der Yoruba werden ergänzt durch die Körper- und

Wandmalereien der in Europa noch meist unbekannten „Igbo” aus Südnigeria. Auch dieser Alltagskunst ist ein Teil der Ausstellung gewidmet.

Die Sonderausstellung mit groß-teils aus dem 19. Jahrhundert stammenden Exponaten zeigt im letzten Teil Werke zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, zwei Schulen stehen hier im Vordergrund: Der durch die Österreicherin Susanne Wenger angeregte „Oshogbo”-Kreis und die „Nsukka”-Schule, die ihre Entdeckung auf dem internationalen Kunstmarkt noch vor sich hat.

Die sehenswerte Ausstellung, die allerdings traumatische Ereignisse der Kolonialisierung weniger in den Mittelpunkt stellt und ebenso kaum., Einblicke in die gegenwärtige Situation Nigerias gewährt, ermöglicht dem europäischen Publikum einen etwas anderen Zugang zu einer uns fremden und gleichzeitig faszinierenden Kultur.

Kulte, Künstler, Könige in Afrika -Tradition und Moderne.

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