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Kultur- welten im archäo-logischen Vergleich

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Das Linzer Stadtmuseum Nordico zeigt hochkarätige Exponate der Archäologie.

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Das Linzer Stadtmuseum Nordico zeigt hochkarätige Exponate der Archäologie.

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Daß reiche Leute einen guten Teil ihres Vermögens in eine Sammlung stecken, ist nichts Ungewöhnliches. Der Schweizer Industrielle Marcel Ebnöther aber hat zeit seines Lebens ganz gezielt gesammelt. Es ging ihm um die Frage, was die frühen Kulturen der Alten und der Neuen Welt gemeinsam haben und was sie voneinander unterscheidet.

An die 6.000 Kostbarkeiten hat er im Lauf von Jahrzehnten zusammengetragen, vor allem aus dem alten Orient, von Ur und Urartu bis zur Ägäis, aus der griechisch-römischen Antike und aus dem präkolumbianischen Amerika.

Vor drei Jahren hat er diese Sammlung von unschätzbarem materiellen und ideellen Wert dem Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen geschenkt. Maßgebend für seine Wahl waren nich persönliche Beziehungen zu der relativ kleinen Schweizer Stadt, sondern der Umstand, daß dieses Museum ideale Präsentationsmöglichkeiten bietet, denn es ist etwa viermal so groß wie das gewiß nicht eben mickrige Linzer Stadtmuseum Nordico.

Bei einer Tagung schlossen der Schaffhausener Direktor Gerard Sei- terle und Nordicochef Willibald Kat- zinger eine Bekanntschaft, die nicht ohne Folgen blieb: Eine repräsentativ und hochkarätige Auswahl dieser Schätze - 200 Exponate - wurde auf Wanderschaft geschickt und hat nun bis 4. September ihre erste Station in Linz, im Nordico.

„Faszination Archäologie - Kulturwelten im Vergleich“ ist der Titel der Ausstellung, die in sechs Räumen Ähnliches und Gegensätzliches beider Welten vor Augen führt, wobei Osten und Westen immer in unmittelbarer Nachbarschaft, oft sogar in derselben Vitrine dokumentiert sind: Mensch und Tier, Schrift, Bewaffnung, Köpfe und Masken, Musik und Tanz, Gefäße und Schmuck, Idole, Religion und Tod.

Die ältesten Exponate sind 12.000 Jahre alte Knochen aus den Pyrenäen mit Ritzzeichnungen, die jüngsten stammen aus der Zeit kurz vor der Entdeckung und Eroberung Amerikas.

Daß die Reihe der Funde aus der westlichen Hemisphäre erst um 3.000 v. Chr. beginnt, bedeutet keineswegs, daß dort vorher nichts los war. Aber die archäologische Forschung wurde jenseits des Atlantik nicht mit derselben Intensität vorangetrieben wie in Europa.

In der Ausstellung lassen sich verblüffende Parallelen zwischen Kulturkreisen feststellen, die nie miteinander in Berührung kamen: ähnliche Waffen und Musikinstrumente, nahezu identische Masken und Idole, verwandte Techniken in der Keramik.

Anderseits gab es in den indianischen Kulturen Amerikas beispielsweise keine Saiteninstrumente. Man kannte wohl das Rad, aber nicht den Wagen, und man kannte keine Schrift. Das wird darauf zurückgeführt, daß sich - anders als in der Alten Welt - jenseits des Ozeans die Kultur nicht auf den Besitz gründete, sodaß eine Auflistung von Besitztümern ebensowenig erforderlich war wie die Fixierung von Verträgen.

Ein griechischer Kopf- kantharos steht einem peruanischen Kopfgefäß gegenüber, eine etruskische Kanope einer kolumbianischen Aschenurne, eine Muttergottheit der römischen Kaiserzeit einer stillenden Mutter aus Ekuador.

Besonders kostbare Stücke aus der Alten Welt sind ein frühkykladisches Idol, ein tadellos erhaltenes bronzezeitliches Ochsengespann aus Ostanatolien, eine hadrami- tische Weihstatue aus Alabaster, ein reich verzierter urartäischer Zeremo- nialeimer.

Eine ganz andere Welt blickt uns an in Figurengefäßen aus Ekuador, einer Schneckentrompete und einem Gefäß mit Musikanten aus Peru, einer Kinderstatuette aus Mexiko, einem Brustschmuck aus getriebenem Goldblech, mit Muscheln und Türkisen besetzt, und ganz besonders einem mumifizierten Trophäenkopf.

Ebnöther hat - und auch hierzulande gibt es Sammler solcher Art - seine Kostbarkeiten nicht eifer- süchig vor neugierigen Blicken gehütet wie jener König, der täglich durch seine Schatzkammern ging und zärtlich über die goldenen Gefäße strich. Sammeln war für ihn nicht ein kostspieliges Hobby, das er sich eben leisten konnte, sondern ein Lebensinhalt.

Die Ausstellung trägt ihren Titel zu Recht: Man ist fasziniert von dem, was die Archäologie ans Tageslicht geholt hat, von dem Vergleich zweier Welten.

Faszination Archäologie

Kulturwelten im Vergleich.

Stadtmuseum Nordico, 4020 Linz, Bethlehemstraße 7.

Bis 4. September; Mo bis Fr 9 bis 18, Sa, So 14 bis 17 Uhr.

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