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Kulturlandschaft Oberosterreich

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„Mit dem Einbau in den modernen Großstaat der österreichisch-ungarischen Monarchie verschwindetseit 1850 die eigenstaatliche Entwicklung der früheren Länder, die jetzt nicht bloß die Person des Herrschers allein, sondern . eine allgemeine Staatsverfassung und ein einheitlicher Wirtschaftsraum miteinander verband. Die Landesgeschichte im engeren Sinne schließt daher mit dem Jahre 1850 ab. Trotzdem ist es bezeichnend, daß sich die ahen österreichischen Länder noch immer als die geeignetste Grundlage für deninnerstaatlichen Aufbau erwiesen, da der stets mehr vordringende Nationalstaatsgedanke für die auf den universalen Gedanken des alten Reiches beruhende Donaumonarchie sich lediglich als ein zersetzendes Element erwies. Und selbst als die Donaumonarchie nach dem Weltkriege 1918 — sehr zum Schaden des europäischen Gleichgewichtes — in Stücke zerrissen wurde, blieben

innerhalb der kleinen österreichischen Republik — die im wesentlichen die alten Erblande, wie sie um 1500 beisammen waren, umfaßte — wiederum die Länder eine im staatlichen Leben nicht wegzudenkende Einrichtung, welche der Wesensart des österreichischen Volkes, das in jeder Hinsicht eine individuelle Gestaltung des öffentlichen und privaten Lebens derallgemeinen Gleichmacherei vorzieht, am besten entspricht.“

Mit diesen, ein Kernproblem Österreichs, nämlich die Notwendigkeit eines lebendigen, eine wahre innere Einheit erst verbürgenden Föderalismus, aufzeigenden Sätzen schließt die Abhandlung „Oberösterreichs Schicksal im Wandel der Jahrhunderte“ von Dr. Alfred Hoffmann in der Festschrift,* die von der Landeshauptmannschaft in Oberösterreich und von der Landeshauptstadt Linz der großen Dichterin Oberösterreichs, Enrica von Handel-Mazzetti, zu ihrem 75. Geburtstag gewidmet worden ist. Die Festschrift ist mehr als die würdige Ehrung einer großen Künstlerin und eines bedeutenden Menschen. Sie ist ein lebendiges Zeichen für den geistigen und seelischen Reichtum, der Oberösterreich, ein Kernland unseres Staatswesens, auszeichnet, und sie ist ein Dokument der großartigen Lebensfülle einer österreichischen Kulturlandschaft, die auf eine mehr als tausendjährige, oft von heißen Geisteskämpfen erfüllte Geschichte zurückblicken kann und deren Kinder fast auf

* Erschienen in der Buchdruckerei der ober-österreichischen Landeshauptmannschaft in Linz.allen Gebieten des künstlerischen Schaffens schlicht und demütig Leistungen vollbracht haben, die Oberösterreich als eine Schatzkammer abendländischer Kultur erscheinen lassen. Vor allem läßt die Festschrift sichtbar werden, wie sehr unsere österreichische Kultur vom Christentum geprägt ist. •

„Oberösterreich, Landschaft und Kulturerbe“ : heißt ein Beitrag von Julius Zerzer. Wunderbar ist in ihm die schicksalhafte Bedeutung der Donau hervorgehoben, wenn wir zum Beispiel lesen: „So schließt sich das Land und hütet sein Eigenes. Nur die Donau ist nicht zu halten. Sie wandert hindurch und ist doch auch ewig da und spiegelt die Weide des Ufers, den Turm einer Stadt, die Wolke oder den blauen Himmel. Sie gleicht dem Menschengeist, in dem sich Erde und Himmel spiegeln. Wohl ihm, in dem eine schöne Heimat ihr Abbild weckt und ein heiterer Himmel seine Verklärung findet.“ Arthur Fischer-Colbrie zeichnet uns das ehrwürdigste Stift und die schönste Stadt des Landes: Kremsmünster und Steyr. Justus Schmidt lenkt in seinem Beitrag „Verborgene Meister“ die Aufmerksamkeit auf die drei oberösterreichischen Maler Alois Greil, Klemens B r o s c h und Matthias May. Franz Bergers Untersuchung „Zur Geschichte der Literatur in Oberösterreich“ und Moritz Enzingers Essay „Zwischen Legende und Historie“ über Enrica von Handel-Mazzettis Romankunstwerk eröffnen weite literaturhistorische Perspektiven. Bedeutende Anregungen gibt der Aufsatz Hubert Razingers über das Theater in Oberösterreich, ist doch die Frage, wie sich das Theaterwesen in den Bundesländern entwickeln wird, eines der wichtigsten uns gestellten kulturpolitischen Probleme. „O b e r-österreic h“, so lesen wir „ist ein Theaterland, und Linz wäre, normale Entwicklung und einigen Wohlstand vorausgesetzt, eine Theaterstadt; der Menschenschlag hier ist theaterbegeistert und theaterbegabt wie wenig andere; Wien und Salzburg wären ihrer theatralischen Leistungen nicht fähig, strömten ihnen nicht immer wieder aus den österreichischen Ländern neues Blut und neue Kräfte zu. Wer ermißt die Zahl der Begabungen, die sich im Land ob der Enns im Dilettantismus verlieren, wer zählt die Vereinsbühnen, die Liebhabertheater, die szenischen Veranstaltungen alle, an denen unser Volk, in echter, ursprünglicher Freude am Mimus, teilnimmt wie an Kult und Liturgie der Kirche! Die große Chance des Linzer Theaters, wirklich ein das Land bespielendes und kulturell erziehendes ,Landes'-Theater zu sein, ist noch nie ganz erkannt und nur annäherungsweise verwirklicht worden .. .“

Wenn die Stürme der vergangenen Jahre und die Not unserer Tage ein Gutes haben, dann vielleicht dies, daß wir uns zwingen, uns auf die Quellen unseres kulturellen Daseins zu besinnen. Zu unserem größten Besitz zählen die in Jahrhunderten geprägten Landschaften unseres Vaterlandes, unter denen Oberösterreich ein Kleinod besonderer Art darstellt. Das Land ob der Enns ist eine Kulturlandschaft im eigentlichsten Sinne des Wortes, in der die Steine und Bauten nicht weniger in einem langen geschichtlichen Prozeß geformt wurden als der künstlerisch begabte Menschenschlag, der sie bewohnt.

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