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Kunst aus Metall

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Der Kunstschlosser ist heute der Erbe der eigentlichen Handwerkstradition der Schlosserei. Ihm ist die „kunstvolle“ Ausgestaltung der eisernen Gegenstände geblieben, das, was über eine fabrikmäßige Herstellung hinausgeht: Gitter für Tore, Türen, Fenster, Stiegen; Beschläge, Grabstätten und anspruchsvoller Hausrat.

Als Handwerk ist und war die Schlosserei von jeher konservativ. Haben doch die Art der Verarbeitung des Materials sowie die Werkzeuge im Laufe der Zeiten kaum Veränderungen erfahren. Nur die heutigen Lebensbedingungen sind im Verhältnis zu den großen Zeiten des Handwerks gänzlich andere geworden. Auf zweifache Weise war der Schlosser seinerzeit mit der Kunst verbunden. Zur Anlage des Belvederes in Wien beispielsweise gehören die Bauten, der Park, die Auffahrten und Toranlagen mit ihren Prachtgittern wesentlich dazu. Das Werk des Schlossers war Bestandteil des Gesamtkunstwerks. Das zweite Bindeglied war die Ornamentik, die beim Bauwerk wie beim Gitter dieselben Grundformen gebot. Zumindest seit der Renaissance hielten sich die Schlosser an die allgemeinen Ornamentvorlagen, wobei das Verhältnis von Ornamentik und Handwerk ein gesundes war: nicht alles wurde in Eisen ausgeführt, nur das, was dem Material und seinen Verarbeitungsmöglichkeiten entgegenkam und ihm zum Vorteil war. Diese Ornamentik, die auf

Hier hält die Kunstschlosserei heute und sieht sich vor die Notwendigkeit gestellt, neue Bahnen für ihre Existenz zu finden. Eine Bestandsaufnahme der Gegebenheiten, von denen man heute ausgehen kann, ist unerläßlich. An Aufgabenkreisen für Gegenwart und Zukunft fehlt es keineswegs. Nicht weil wir ihn an sich für den wichtigsten dieser Aufgabenkreise halten, sondern weil er heute dem Umfang nach der bedeutendste ist und als der ehrenvollste geschätzt wird, sei die Restauration von alten Gittern und anderen Eisenkunstwerken an erster Stelle genannt. Beschädigungen durch Zeit- und Kriegseinflüsse werden geheilt, fehlende Teile ersetzt und Arbeiten vorgenommen, die eine Erhaltung der alten Werke für spätere Jahrhunderte gewährleisten. Der Komplex dieser Aufgaben birgt alle Probleme, die um die heutige Denkmalpflege erwachsen, in sich. Mit ihnen erfolgt aber auch die unmittelbarste Konfrontation der Werkstätten und Arbeiter mit den großen Leistungen der Vergangenheit.

Einen weiteren Arbeitskreis stellen Entwurf und Ausführung neuer Gitteranlagen dar. Bei der Ausstattung, von alten historischen Bauten wird dabei vielfach der Weg eingeschlagen, den die denkmalpflegerische Einstellung nahelegt. Man greift zu historischen Formen, und zwar mit großer wissenschaftlicher und handwerklicher Genauigkeit. Bei

Aufnahme: Privatbesitz

Erneueries Gitter der Freitreppe von Schloß Schönbrunn, 1950

Nach den alten Formen von Hans Knotz, Wien eine reiche abendländische Tradition zurückblicken kann, starb am Ende des 18. Jahrhunderts. Damit versiegte jener Quell, aus dem die Handwerkskünste fast ausschließlich ihre Formen empfangen hatten. Zudem wuchsen die technischen Bedürfnisse ins Vielfache und beanspruchten den Schlosser gänzlich für sich, Maschinen und Industrialisierung förderten eine Verselbständigung der Bauschlosserei, neue Spezialisierungen ergaben sich.

Die Kunstschlosserei versuchte es dann mit der Ornamentik von Jugendstil und Sezession, doch verlor sie dabei den artgemäßen Charakter. Daraufhin 6uchte man nach „Echtem“ und stieß dabei auf das bäuerliche Schmiedeeisen. Dort fand man einerseits noch ein natürliches Festhalten an der alten Tradition der Schlosserei, andererseits eine Einstellung, die radikaler von den Gegebenheiten des Materials ausging, als dies je der Fall gewesen war.

Gittern in Kirchen und Klöstern sind entsprechende Symbole und Embleme beliebt (allzu beliebt), man setzt sie kurzerhand oft neben alte Wappen. Bei profanen Aufgaben werden häufig Kompositionen aus historischen Motiven verwendet, man wagt aber auch in zunehmendem Maße neue Lösungen. Häufig werden nur einfache Verstäbungen gewählt, die durch Präzision und Sauberkeit der Ausführung sowie durch die Wirkung des Materials — man liebt, das helle glänzende Messing neben das stumpfe Schwarz des Eisens zu setzen — eine besondere Wirkung erzielen. Gerade bei Orten aber, die man gesichert und abgeschlossen wünscht, zeigt sich heute im Gegensatz zu früherem Brauche die Tendenz, auf das Gitter zu verzichten. Banken und Juweliergeschäfte werden häufiger durch unsichtbare Schutz-anlagen und durch helle Beleuchtungen als durch die Festigkeit des Gitters geschützt. Damit wird klar, daß das Gitter heute, wenn es trotzdem verwendet wird, nicht allein den bloßen Zweckerfordernissen zu genügen hat, sondern durch seine Formen auch den Ausdruck, das Sinnbild gleichsam, des Beschützenden, Abschließenden darstellen soll; zugleich hat es aber auch zwischen dem Abgeschlossenen und dem Vorübergehenden, dem Beschauer, jenen Eindruck zu erwecken, den der Besitzer für sich und seine Ziele wünscht.

Dies sind die Anhaltspunkte bei jedeT Aufgabe; auf ihnen baut die künstlerische Formung auf, die dem Werk die Gültigkeit verleiht. Die Ornamentik, die in alter Zeit den künstlerischen Prüfstein lieferte, fehlt uns heute. Dagegen besteht der ungeheure Vorteil, daß die gegenwärtig gebräuchlichen Aufgaben den ausführenden Handwerker selbst unmittelbar angehen, ansprechen. Er braucht und gebraucht heute die Gegenstände selbst, während im Barock das herrschaftliche Gitter oder Gerät seinem Leben und Erleben ferne gestanden sind.

Der heutige Kunstschlosser steht freier als der vor 200 Jahren seinen Aufgaben (legenüber; er muß die Dinge selbst formen, während dieser nur die Dinge in einer mehr oder weniger schon vorgegebenen Form zu gestalten hatte. Das Handwerk hat somit heute die schöne, aber Verantwortungsvolle Aufgabe, die Spanne und Spannung zwischen grober Handarbeit und dem Bezirk des Geistigen, nämlich der Formengebung, über-' brücken zu müssen.

Ein schwieriges Problem stellt innerhalb dieser Aufgaben die Nachwuchsfrage dar, die Erziehung der Kunstschlosser, die den skizzierten Aufgaben gerecht werden sollen. Es gibt nicht viele Werkstätten mehr, die sich ehrlich zu dieser Verpflichtung bekennen. Nicht der Finnentitel Kunstschlosser allein bezeichnet sie. Innerhalb einer jeden von diesen läßt sich — an sich ein erfreuliches Zeichen — eine persönliche Note feststellen. Daneben gibt es leider auch viel — offensichtlichen und versteckten — Kitsch. Für die ehrliche, kunstempfängliche Arbeit der Kunstschlosserei müssen daher unbedingt noch mehr junge Arbeiter und Lehrlinge gewonnen werden. Ihr Interesse dafür ist leider an sich gering, ihr Geschmack oft ungeschult oder grob verbildet. Die' Beziehung der Arbeiterjugend zum Handwerk und dessen Tradition ist unklar. Man müßte sie aber dafür gewinnen, von der wirklichen, von ihnen selbst richtig erkannten Situation aus in die schwankende Entwicklung einzugreifen.

Ansätze dazu sind vorhanden. Schon seit einigen Jahren bemüht man sich, eine Art von Meisterschule für Kunstschlosser zu errichten, in denen den Zöglingen über die Möglichkeiten der Lehrzeit hinaus eine Schulung geboten werden soll. Welche Aufgabe, bei der die berufenen Handwerksmeister mit guten Architekten in fruchtbarem Austausch zusammenarbeiten müßten! Es wäre zu wünschen, daß die verantwortlichen Stellen sich auf die Notwendigkeit solcher fachlichen Erziehung und Fortbildung besännen und damit die Neubelebung des Handwerks wirksam förderten.

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