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Kunst braucht Disziplin

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Die Gepflogenheit der Oesterreichischen Galerie, ihre vornehmen Räume jüngeren Künstlern zu öffnen, ist begrüßenswert. Jeder, der im Parterre Neuestes studiert, sollte sich präsent halten, was es im ersten und zweiten Stockwerk des Oberen Belvederes nicht zu sehen gibt, weil es hierzulande nie vorhanden war. Die großen Entscheidungen nämlich, die die bildende Kunst bis in die Gegenwart beeinflussen, sind seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich gefallen. Wir hatten keinen Manet, keinen Monet, hatten weder einen Pisarro noch einen Sisley oder Renoir, die durch die machtvolle Bewegung des Impressionismus die Voraussetzung zu allem schufen,, was antithetisch als Fauvismus, Kubismus, Abstraktion folgen mußte.

Nicht wie der einzelne fremde Errungenschaften verarbeitet, ist entscheidend, sondern ob und wie seine Kulturlandschaft im Rhythmus weithin schwingender Perioden darauf antwortet. Bei allem, was es an modern genannter Kunst heute in Oesterreich gibt, ist deshalb zu überlegen, daß sie nicht im Widerspiel der Kräfte des eigenen Kulturbodens entstanden ist. Zwei Daten dazu: 1839 wurde in Frankreich Paul Cėzanne geboren, 1840 in Oesterreich Hans Makart… Um so mehr sollten wir darüber staunen, wieviel anständige Qualität nach der raschen, vehementen Ueberrumpelung durch den Westen in den letzten Jahrzehnten wieder bei uns geschaffen worden ist. Allem, was entsteht, müssen jedoch strenge Maßstäbe angelegt werden, sonst bleibt es bei spielerischer, leichtfertiger Nachahmung, wo doch absolute innere Notwendigkeit und klare Disziplin des Wollens und der Methode herrschen müssen.

So betrachtet, wäre die XVIII. Wechselausstellung im Oberen Belvedere sinnvoller geworden, hätte man sie in unbarmherziger Auslese auf ein Zehntel ihres Umfanges zurechtgestutzt. Jede ausgestellte Arbeit hätte dann eine Auszeichnung bedeutet, anstatt nur ein Teil eines ungefähren, wenig wesentlichen Ueberblicks zu sein.

Ist es nicht bedauerlich, wenn Talente wie Johannes Avramides und Josef Pilihofer an nur zu vielen Stellen in der Runde naschen, anstatt weniges geistig gründlich zu bewältigen? Da sind zum Beispiel wotrubistische, giacomettische, kubi- stische Einflüsse bei Pilihofer, auch Maillol bringt sich in Erinnerung, ohne daß deshalb archaische Anklänge abzustreiten wären… Erich Müller, der jüngste der Ausstellenden, geboren 1923 in Zenica in Bosnien, ringt um eine Metaphysik der Farben, erbittert, kraftvoll, konsequent. Traute Z e m b zeigt reizvolle, säuberliche abstrakte Tafeln, die an kategorische Gedichte Gottfried Benns erinnern, während sie ihre anderen Bilder besser im Atelier belassen hätte, Was Hedwig Wagner insgesamt geraten ist. Man soll sein Material nicht martern, indem man verschiedene Techniken ohne künstlerische Notwendigkeit durcheinanderbringt. — Eine wohltuende Ueberraschung -bilden die Kompositionen Maria L a s s n i g s, nach Perioden schwerer Auseinandersetzungen ist Windstille eingekehrt, in der einfache Gedanken und Strukturen als Schönheit sichtbar werden. Es ist, als arbeitete die Künstlerin mit uralten Farben, die sie den noblen Schattierungen verfallener Fresken entnahm; manches an ihren Tafeln erinnert an die reife Kunst des Italieners Morandi.

Immer wieder Anlaß zu Lob gibt die Galerie Wolfrum. Mit Mut und Charakter und ersichtlich in mäzenatischem Geist ist hier das Ausstellungsprogramm entworfen. Es bringt Wesentliches, reicht vom Experiment bis, wie diesmal, zum Vorstellen von Debütanten und packt zumeist mit sicherem Griff Qualität. Therese Schütz-Leinfellner hatte jahrelang in der Stille gearbeitet, ohne mit jedem hübschen Blatt zum Aussteller zu eilen. So hat sie jetzt eine Fülle von Motiven in verschiedensten Techniken zu zeigen, die einen Weg abstecken, der aus expressionistischen Irrungen und Wirrungen zu klaren, dichten Zeichnungen und Zeichen führt. Wo sie Tierthemen behandelt, holt sie die Wesenheit Tier aus dem Dickicht von Sentimentalität, Allegorie, Schmuck und Dekor heraus zu tieferem Zwiegespräch mit dem Menschen.

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