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Kunst der Römerzeit in Österreich

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Rudolf Noll, „Kunst der Römerzeit in österreich“. Akademischer Gemeinschaftsverlag, Salzburg 1949, 35 und XV Seiten und 85 Tafeln mit Abbildungen. — In einem geschmackvoll ausgestatteten Bande bietet der Verfasser, durch die Veröffentlichung de großen Silber- fundes aus dem Dolichenumheiligtum von Mauer a. d. Uri und der Lebensbeschreibung des hl. Severin bereits bestens cingeführt, einen vortrefflichen Überblick über das Kunstschaffen der römischen Periode in Österreich.

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Rudolf Noll, „Kunst der Römerzeit in österreich“. Akademischer Gemeinschaftsverlag, Salzburg 1949, 35 und XV Seiten und 85 Tafeln mit Abbildungen. — In einem geschmackvoll ausgestatteten Bande bietet der Verfasser, durch die Veröffentlichung de großen Silber- fundes aus dem Dolichenumheiligtum von Mauer a. d. Uri und der Lebensbeschreibung des hl. Severin bereits bestens cingeführt, einen vortrefflichen Überblick über das Kunstschaffen der römischen Periode in Österreich.

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In der Vorhalle der Apostelkirche in Rom hat Papst Julius II. ein römisches Relief mit einem Adler im Kranze aufstellen lassen, die Schwingen noch ausgespannt, wie er angeflogen, tritt der stolze Vogel in den Eichenkranz. Das Sinnbild der römischen Weltherrschaft, eigenartig gestaltet, charakterisiert unübertroffen das Weltreich in der Periode seiner größten Ausdehnung und Machtentfaltung zur Zeit Trajans.

Bedeutet das Zeitalter Trajans auch für Norikum eine besonders glanzvolle Epoche in der römischen Kunstübung, so geht ihm doch eine klassische Frühzeit vor, die besonders in den Bildwerken der Siedlung am Magdalensberg oberhalb des Zollfeldes vertreten ist. Bereits mit der Eroberung des Ostalpenlandes im Jahre 16 vor Christus, hat sich reges Leben auf dem Südhang des Berges in der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts entwickelt. Vertreter reicher Handelshäuser, besonders aus Aquileia, errichteten hier ihre Niederlagshäuser, vor allen die Familie der Barbier, die ihre Filialen bis nach Wels ausdehnten. Sie statteten die Tempel mit prichem Statuenschmuck aus, deren bedeutendstes Beispiel der Siegerjüngling darstellt, eine römische Nachbildung einer griechischen Statue aus dem 5. Jahrhundert vor Chr. Der Jüngling vom Magdalensberg hat verschiedenen Marsstatuen in Norikum als ausgezeichnetes Vorbild gedient.

Die im Jahre 181 v. Chr. gegründete und für den Handel nach dem Osten bestimmte Niederlassung von Aquileia entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem Kulturzentrum, besonders in der augusteischen Periode, als es in den gefahrvollen pannoni6chen Kriegen Hauptquartier des Kaisers war. Reiche Provinzialen, römische Militärs oder Beamte brachten Importstücke ins Land, wie die anmutige Statuette der Venus von Gunskirchen bei Wels oder den Begleiter des Apoll, den Greif mit der Lyra am Magdalensberg, ein Glanzstück des klassizistisch-augusteischen Stils.

Bedeutenden künstlerischen Einfluß auf die provinzialrömische Kunst in Österreich übten jedoch vor allem die italischen Grabdenkmäler aus. Die römische Sitte der Aufstellung von Ahnenbildern im Atrium des Hauses entwickelte sich zur Darstellung des Porträts der Verstorbenen auf den Grabdenkmälern. Das Denkmal des Tiberius Julius in Walbersdorf bei Ödenburg wurde in einer Werkstatt in Aquileia aus dem Marmor von Nabresina gearbeitet und mit einem Fuhrwerk nadi Ödenburg gebracht. Es diente den Grabdenkmälern in der weiteren Umgebung des Aufstellungsortes als unmittelbares Vorbild. In der weiteren Entwicklung gewinnen die Denkmäler der Ostalpenländer ein nationales Eigenleben in dem biederen treuherzigen Porträt der einheimischen Noriker, vor allem in den Darstellungen der Frauen in der althergebrachten norischen Tracht mit Haube, Schleier und Kopfbund, den großen Fibeln an den Schultern und dem keltischen Halsring, einer Tracht, an der die Frauen zähe und lange festhalten, Dieser einheimische provinzialrömische Stil blüht bis zu den Markomannenkriegen (167 bis 180), die einen großen Einschnitt sowohl in der Kultur als in der Lebenshaltung Nori- kums bedeuten.

Das Denkmal des L. Cantius Secundus von St. Leonhard bei Graz, das Denkmal der Frau Umma aus Au am Leithaberg und besonders das naturalistisch wahrheitsgetreu Porträt einer alten Frau mit der norischen Haube von Lendorf in der Nähe von Kla- genfurt sind die glanzvollsten Vertreter in der großen Menge der einheimischen Porträtbilder. Trägt ein jungverstorbener Knabe noch eine einfache Schreibtafel, so wurde dem heranwachsenden Jüngling in Solva bei Leibnitz ein kleines, aus Wachstafeln boseshendes Heft und ein Schreibgriffel in die Hand gegeben.

Von Kaiser Augustus bis in die Zeit des Kaisers Marc Aurel, durch mehr als einundeinhalb Jahrhunderte, genoß Norikum die Segnungen eines ungetrübten Friedens, die ihren Höhepunkt unter dem Kaiser Trajan erreichten. Mit begeisterten Worten preist Tacitus das goldene Zeitalter, das nach Jah- ren geistiger und leiblicher Knechtschaft zur Zeit Domitians mit Kaiser Nervą und seinem Nachfolger Trajan (98 bis 117) anbrach (memoria prioris servitutis ac testimonium praesentium bonorum). Die Reichskunst, vertreten durch den genialen Architekten Äpollodorus von Damaskus, brachte aus dem noch vom hellenistischen Geiste der Diadochenzeit durchpulsten Kleinasien zahlreiche neue künstlerische Elemente mit, die auch dem künstlerischen Schaffen in Norikum neue Richtung geben. Werkstätten in Virunum am Zollfelde, Poetovio-Pettau und Solva erleben lebhaften Aufschwung und schaffen Kunstwerke, deren Höhe das provinziale Maß weit überragt. Vor allem ist es die Werkstätte des unbekannten, wohl italischen Meisters in Virunum, dessen Eigenart besonders in den von klassischen Vorbildern beeinflußten Statuen im sogenannten Bäderbezirk, dem Vereinehaus oder den Stadtsälen offenbar wird. Ansehnliche Werkstätten besaßen Poetovio in den Steinbrüchen von St. Martin am Bachern, und Solva in den Steinbrüchen des Oswaldgrabens im Kainach- tal. Ein hervorragendes Denkmal dieser Periode bildet die Seitenfront eines großen Grabdenkmals von Waltersdorf bei Fürstenfeld, das an die bedeutenden Grabbauten an der Mosel in Neumagen erinnert. In einem reich mit üppigen barocken Ranken geschmückten Rahmen stellt der Künstler übereinander, auch hier, dem Vorbild Apollodors auf der Trajanssäule folgend, mehrere Szenen dar, die zum Totenkult Beziehung haben, die Heimfahrt der Medea im Drachenwagen nach Kolchis nach der Ermordung ihrer Kinder, im mittleren Streifen den Aufenthalt des Orpheus bei den Thrakern, die er im Flötenblasen unterrichtet, während im untersten Streifen Tiere seiner Musik lauschen. Das perspektivisch wirkende Übereinanderschieben von drei Figurenreihen enthält Elemente malerischer Gestaltungsweise, wie sie nicht großartiger auf den rheinischen Denkmälern erscheinen. Dieses Denkmal bedeutet wohl den Höhepunkt des künstlerischen Schaffens in Norikum im 2. Jahrhundert.

Die Katastrophe des Markomannensturmes vernichtet auf Jahrzehnte die künstlerische Tätigkeit. Waren vor dem Markomannenkriege die Gemächer des Vereinshauses in Virunum, die Räume der Häuser in Solva, Poetovio und anderen Städten künstlerisch ausgestattet, zeugt die einfache Ausmalung der Zimmer in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts von der Not der Zeit, die nur glatte, farbige oder in Spritzmanier gefär- belte Wände aufweist, bis dann in der Zeit des Gallienus und vor allem im Zeitalter Diokletians und Konstantins eine neue Kulturperiode anbricht. Die großen Paläste von den Loigerfeldern bei Salzburg, vom Thaler- hof bei Graz, in Virunum und Solva verraten wieder, vor allem in den künstlerisch ausgeführten Mosaikböden, bedeutenden Wohlstand, der dann im 5. Jahrhundert in den Stürmen der Völkerwanderungszeit zusammenbricht.

So führt uns das Buch von R. Noll in einer glänzenden Reihe ausgezeichneter Bilder und in anschaulicher Schilderung, die wichtigsten Tatsachen übersichtlich und geschickt zusammenfassend, durch das Gebiet der römischen Kunst in Österreich.

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