Kunst, die das Gemüt erwärmt

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Derzeit in München: die Sammlung Maximilian Speck von Sternburg (1777-1856).

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Derzeit in München: die Sammlung Maximilian Speck von Sternburg (1777-1856).

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Ich weiß mit ihrer Gallerie keine 2te Deutsche in Privathand zu vergleichen", schrieb 1854 der Leipziger Stadtrat und Kaufmann Carl Lampe an Maximilian Freiherr Speck von Sternburg, Schloßherr auf Lützschena nahe Leipzig. Lampe kannte offensichtlich nicht nur diese erlesene Privatsammlung, die schon damals Interessierten zugänglich war, und er mag gehofft haben, dem Schloßherrn eine Dotation zu entlocken für das noch junge Städtische Bildermuseum in Leipzig. Die seither weitgehend geschlossen gebliebene Sammlung Sternburg gelangte erst durch die Gefährdung im Zweiten Weltkrieg in das Museum der bildenden Künste, wo sie in DDR-Zeiten in den eigenen Bestand als "erworben" integriert wurde.

Diesen Verbleib hatte Maximilian Speck von Sternburg testamentarisch erst für den Fall vorgesehen, daß kein Namensträger mehr den Familienbesitz übernehmen könne. Bis dahin war dieser durch die kluge Majoratsregelung, das heißt die Übergabe jeweils an den Ältesten, vor Verteilung geschützt. Als nach der Wende der 1946 enteignete Besitz wieder an die Familie Speck von Sternburg zurückgegeben wurde, entschloß sich diese, die wertvolle Privatsammlung in einem vorbildlichen Modell in eine Stiftung einzubringen, um den endgültigen Verbleib im Museum in Leipzig zu ermöglichen. Statt ausgeräumter Kabinette bleibt das heute 202 Gemälde, 127 Handzeichnungen, 645 Graphiken sowie Archivalien und eine umfangreiche Kunstbibliothek umfassende Sammlungs-Denkmal der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zu erhalten. Die Republik bedankte sich 1999 mit dem Maecenas-Preis aus der Hand des Bundespräsidenten.

Ahnherr Maximilian Speck muß eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein. 1777 in bescheidenen Verhältnissen geboren, noch mit 14 Jahren des Lesens und Schreibens unkundig, gelingt ihm der Aufstieg zum Auslandskorrespondenten eines großen Leipziger Wollhandelshauses. Er wird Sozius, reist quer durch Europa von Preußen bis Österreich, von England bis in die Ukraine und nach Weißrußland und verbindet Geschäftskontakte mit dem Besuch fürstlicher Sammler und Sammlungen. Seine Einheirat in eine angesehene Leipziger Patrizierfamilie, die Gründung einer eigenen Großhandlung und nicht zuletzt seine Leistungen als Landwirt auf dem 1822 erworbenen Gut Lützschena mehren sein Ansehen weit über Leipzig hinaus. Als Experte in Sachen Schafzucht, er hält auf seinen Gütern 250.000 Tiere, berät er Zar Alexander I., schließlich König Ludwig I. von Bayern, der ihn 1829 in den Adelsstand erhebt.

Freiherr Speck von Sternburg korrespondiert nicht nur mit Goethe. In seinen Gästebüchern finden sich Namen von großen Künstlern und Gelehrten. Er ist Mitglied vieler Akademien und überdies selbst literarisch tätig. 1802 notiert er seine "Reisebeschreibungen über Österreich und Rußland", publiziert unter anderem mehrmals Verzeichnisse seiner Galerie, später seine "Ansichten und Bemerkungen über Malerei und plastische Kunstwerke".

Sein Verhältnis zur Kunst ist nicht das eines Spezialisten. Entsprechend breit angelegt ist seine Bildergalerie, die erst- und letztmalig nur in München in diesem Umfang gezeigt wird. Kernbestand bilden Holländer und Flamen des 17. und 18. Jahrhunderts, begleitet von altdeutscher und altniederländischer Malerei, Sammlungsgebiete, die Maximilian Speck seit 1813 aufzubauen begann. Dank seiner Handelsbeziehungen besuchte er europaweit die besten Einkaufsadressen, wie etwa die Firma Nieuwenhuysen in Brüssel, Zentrum des Kunsthandels, heimische und auswärtige Händler sowie zunehmend Auktionen großer Sammlungen.

So stammen zahlreiche Werke aus angesehenen Wiener Besitzungen: des Fürsten Wenzel Kaunitz, der Gräflich Sickingschen Sammlungen, 19 Erwerbungen allein aus der Prachtsammlung des Bankhauses Fries. Nach 1820 galt sein Interesse zunehmend der "zeitgenössischen" Malerei, vor allem der Münchner Schule, verstärkt durch direkten Kauf beziehungsweise Aufträge bei Künstlern; freundschaftlich verbunden war er darüber hinaus mit Caspar David Friedrich und Ludwig von Klenze.

Herzstück der Ausstellung ist die kostbare "Heimsuchung" (um 1435) von Rogier van der Weyden, deren Verkauf an das Leipziger Museum der Bildenden Künste Einrichtung und Unterhalt der Stiftung finanziell ermöglicht hat.

Die großformatigen Tafeln "Adam" und "Eva" Lucas Cranachs des Älteren von 1533 zählen ebenso zu den Höhepunkten der Sammlung wie die "Madonna mit Kind" von Il Francia (1517), die "Beweinung" des Meisters der Grootschen Anbetung, Gerrit van Honthorsts "Musizierende Gesellschaft" von 1629 oder Pieter de Hoochs "Unterricht im Laufen". Weiters sind zu nennen die dramatische Darstellung des "Schiffswunders der hl. Walburga" von Peter Paul Rubens, eine kleine, monochrome Landschaft Jan van Goyens (1651) und unter den zahlreichen Jagd- und Blumenstilleben jenes von Dirk Valkenburg beziehungsweise Jan van Huysum.

Der umfangreiche Sammlungsbestand des 19. Jahrhunderts weist Meisterwerke auf wie Caspar David Friedrichs "Friedhof im Schnee" (1826/27) und "Seestück bei Mondschein"(1827/28), Johann Chr. Dahls "Hünengrab im Winter" und "Mignon"(1828) von Friedrich Wilhelm Schadow, eine Bestellung des Besitzers nach Goethes Gestalt in "Wilhelm Meister".

Die Galerie Maximilian Speck von Sternburg spiegelt den Geist eines herausragenden Sammlers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, für den "zur Kennerschaft in der Kunst ein gebildeter Geschmack, Liebe für die Sache, ein inniges Gefühl und Unabhängigkeit der Meinung" gehörte, für den die Kunst integrativer Bestandteil des Lebens war, zu bilden und "das Gemüt zu erwärmen".

Bis 1. Mai 2000. Haus der Kunst, D-80538 München, Prinzregentenstraße 1, täglich 10-22 Uhr, Tel. (0049)089/21127. e-mail: mail @hausderkunst.de. Leipzig, Museum der bildenden Künste, Grimmaische Straße 1-7 (Handelshof), Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr. Mittwoch 13-21 Uhr.

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