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Kunst ins Gesprach bringen

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Was dem Salzburger Festspielprogramm an neuem Gedankengut, an Initiativen außerhalb des routiniert gelenkten Massentourismus der Luxusklasse mangelt, versuchen das Domkapitel, die Internationale Sommerakademie, private Galerien auf dem Ausstellungssektor einzusetzen. Von Jahr zu Jahr wächst das Angebot an Ausstellungen. Prominente Künstler, Maler, Plastiker, Graphiker ziehen, wenn auch nur für kurze Zeit, in Salzburg ein. Sommerakademie und Expositionen zusammen bringen Kunst ins Gespräch, in dem es längst nicht mehr um ein paar falsch angesetzte Spitzentöne einer Primadonna oder um den üblichen Stardirigentenrummel geht.

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Was dem Salzburger Festspielprogramm an neuem Gedankengut, an Initiativen außerhalb des routiniert gelenkten Massentourismus der Luxusklasse mangelt, versuchen das Domkapitel, die Internationale Sommerakademie, private Galerien auf dem Ausstellungssektor einzusetzen. Von Jahr zu Jahr wächst das Angebot an Ausstellungen. Prominente Künstler, Maler, Plastiker, Graphiker ziehen, wenn auch nur für kurze Zeit, in Salzburg ein. Sommerakademie und Expositionen zusammen bringen Kunst ins Gespräch, in dem es längst nicht mehr um ein paar falsch angesetzte Spitzentöne einer Primadonna oder um den üblichen Stardirigentenrummel geht.

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Unter dem Motto „Stabat mater — Maria unter dem Kreuz in der Kunst um 1400“ hat man in den Oratorien des Salzburger Doms eine Monumentalschau zusammengetragen, die, von zehn Staaten beschickt, die große Schau „Schöne Madonnen“ (1965) quasi fortsetzt. Fünf Gruppen dokumentieren die rund 100 Jahre plastischer Entwicklung nach 1350. „Schöne Vesperbilder“ aus Stein oder Steinguß — wie die herrliche Kreuzensteiner Pietä — und Vesperbilder aus Ton, Alabaster, Holz und anderen Materialien sind das Zentralthema, um das Beispiele sakraler Kunst vor 1380, sozusagen als Wurzeln, andere Bildwerke des „schönen Stils“ und Gemälde gruppiert sind, um Strukturzusammenhänge in der Entwicklung klarzumachen.

Es ist gewiß für den Fachmann aufregend, Faltenwürfe und Kopfneigung bei den einzelnen Figuren vergleichen zu können, das Vesperbild aus Salmdorf bei München (aus der abgebrochenen Münchner Gruftkirche) etwa zum ersten Werk des treppenförmigen Diagonaltypus, dem heroischen Vesperbild auf der Veste Coburg (1320 bis 1330), und einem anderen im Ursulinenkloster in Erfurt in Beziehung zu setzen oder den Christus im Grab aus liechtensteinischem Besitz mit ähnlichen Werken im Freiburger Münster oder in der Katharinenkapelle des Straßburger Münsters zu vergleichen. Wer freilich davon unbelastet ist, dem bleibt nicht mehr, als die melancholisch umflorte Schönheit dieser rund 90 Kunstwerke zu genießen. Für Laien muß es recht kompliziert sein, Faltenwürfe, Haltung, ja Motivwahl der Figuren und Gruppen als Stil-, Zuschreibungs- und Datierungskriterium zu erkennen. Gerade in diesem Moment versagt die Schau, wo sie den Nichtkenner auf etwas hinführen soll. Warum versuchte man nicht, ein wenig volksbildnerisch zu wirken, in Photomontagen mit gründlicher Beschreibung stilistische Unterschiede herauszuarbeiten? Warum hat man nicht Details hervorgehoben, an denen jeder Betrachter sofort die Kriterien erkennen kann? Der wissenschaftlich gewiß meritenreiche Katalog ist leider für jeden Laien ein undurchdringliches Labyrinth.

Marcello Mascherini, dem 1906 in Udine geborenen, seit 1910 in Triest lebenden Plastiker, der Italien bereits dreimal auf der Biennale in Venedig vertreten hat, ist eine Freiluftausstellung im Wallis-Trakt der Universität gewidmet. Mascherini ist ein ungemein feinnerviger Künstler, für die Gegenwart mit der ganzen Unruhe des modernen Menschen aufgeschlossen. Er entführt mit seinen Bronzen in einen dramatischen Mythos, in dem der Mensch besiegte Kreatur ist.

Es sind knorrige, sich aufreckende Gestalten, die mit barocker Gebärde, ja manieristischer Verdrehtheit in den Raum greifen, sich aus der Erdenzone zu entwinden suchen. Er kreiert eine bizarr-phantastische Antike. Tiefgefurchte Bronzekörper, vielleicht aus antiken Höhlen stammend, fügen sich zum Ballett in einer karstigen Seelenlandschaft. Dem Altersstil stehen die Glattheit, Eleganz, kapriziöse Nervosität der früheren Arbeiten gegenüber, in denen er sich als Verwandter Marino Marinis und Emilio Grecos auswies. Eine sehenswerte Sommerausstellung mit Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphiken von Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner präsentiert die Galerie Welz in der Haffnergasse 16. Der große Einzelgänger unter den deutschen Expressionisten, Nolde, ist da mit 19 Werken, darunter einigen Spitzenarbeiten, vertreten. Farbe ist der Grundstoff, aus dem er Wirklichkeit erzeugt, mit der er Abbilder des Individuellen, Möglichkeiten der Existenz festhält. Linien sind für ihn dagegen Mittel zur Zusammenfassung, mit denen er Farbbereiche aufeinanderbezieht, gegeneinander absetzt. Wie kühn kombiniert er etwa Blaugrün, Gelb und Schwarz in der Meereslandschaft von 1930, welche Schwerelosigkeit und Sonnigkeit liegt über den Anemonen und den „Tulpen in der Vase“, welch tiefe Einfühlung in den Frauenporträts.

Kirchner, dessen Schaffen sozusagen alle Grundanliegen der „Brücke“-Maler in sich schließt, ist mit zwanzig Blättern vertreten. Man spürt, wie sehr ihm „die Form der sichtbaren Natur Symbol ist“, wie er sich bemüht, die an der Wirklichkeit erfahrenen schmerzlichen Spannungen sichtbar zu machen im bildlichen Erfahren der Dinge und wie er das innere Erleben ausdruckshaft in die für die äußere Erscheinungsform gefundenen Zeichen einbindet. Das Skizzenhafte, Gedrängte, das genial aufs Blatt geworfene Sujet ist für ihn typisch. Alles leuchtet, ist voll aufregender Farbsignale. Außerdem sieht man bei Welz im Souterrain frühe Zeichnungen von Kubin und im Parterre zwei Vitrinen voll mit besonders hübschen Goldschmiedearbeiten aus dem Wiener Atelier Defner-Kodre.

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