Kunst kommt von künstlich

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Sie lebte auf zwei Kontinenten und schöpfte aus der Realität wie aus einer abstrakten Formenvielfalt. Heuer wäre Kiki Kogelnik 70 Jahre alt geworden.

In Kärnten feiern Ausstellungen die Künstlerin Kiki Kogelnik bis in den Herbst hinein. In Bleiburg ist eine Sonderschau in der Werner-Berg-Galerie installiert, gegenüber dem von ihr geschaffenen Freyungsbrunnen und nur ein paar Schritte von ihrem Elternhaus entfernt. Eine beeindruckende Schau ihrer künstlerischen Entwicklung, teils mitten zwischen die Berg-Bilder platziert.

Kiki Kogelnik wurde in Graz geboren und lebte zehn Jahre an verschiedenen Orten, bevor sie mit ihrer Familie in deren Ursprungsort Bleiburg zurückkehrte. In Wien traf sie die Künstler des legendären Art-Club, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha, Maria Lassnig, Markus Prachensky und Arnulf Rainer. Ihre Lehrer waren Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl, ihr Förderer Monsignore Otto Mauer, der sie mit internationaler Kunst bekannt machte. In der Galerie St. Stephan stellte sie 1961 zum ersten Mal allein aus - Tusche, dicke Striche, grelle Farben, um "das künstliche Element der Bilder" hervorzuheben. "Hat doch das Künstliche genau so viel mit Kunst zu tun, wie die Natur", stellte Otto Mauer in seiner Eröffnungsrede fest.

"Kiki mit der großen Schere"

"Kunst kommt von künstlich", war das Bekenntnis von Kiki Kogelnik, das sie 1967 auch zum Titel einer Ausstellung machte. Ihr Stil hatte sich unter dem Einfluss der "Ecole de Paris" und in New York geändert, wohin sie mutig mit Sam Francis aufgebrochen war. Die amerikanische Pop-Art samt Lebensgefühl fand ihren Niederschlag im Abbild des Menschen, das fortan ihr Ruvre bestimmte. "Kiki mit der großen Schere" schnitt erst die Umrisse ihrer Freunde aus Packpapier aus, dann flache Figuren oder Gliedmaßen als cut-outs aus Vinyl. Sie nannte sie Hangings und hängte sie über Gestelle oder Wäscheleinen - entindividualisierte Häute, die auch die Komponente des Seriellen in sich trugen: eine künstlerische Gegenwelt, Ersatzmenschen, Schablonen.

Einzelne Elemente ließen sich vervielfältigen, zerschneiden, manipulieren: Der Akt des Ausschneidens wurde fortgesetzt, bis der menschliche Körper auf die Köpfe reduziert war. In den 1970er Jahren tauchten coole, glatte Frauengestalten in ihren Bildern auf, typisierte Darstellungen wie aus der Werbung. Die Serie "Woman´s Lib" als Befreiung und Ironisierung geht einher mit eingefrorener Mimik und leeren Augen, die als Zeichen in den Köpfen blieben. Immer mehr wurden die menschlichen Teile mit Symbolen angereichert, skulpturale Formen aus Keramik fielen aus dem Bildrand. Bedrohliches Werkzeug, Tierformen oder Skelette tauchten auf.

"Great" hatte Andy Warhol ergriffen ihre Arbeit beschrieben. In Kärnten war sie zu dieser Zeit weit weniger bekannt. 1973 widmete das Künstlerhaus in Klagenfurt Kiki Kogelnik eine erste Retrospektive, und im Herbst wird dort eine große Personale folgen. Erst zehn Jahre vor ihrem Tod baute sie in Bleiburg ihr Atelier aus. Das Hin und Her war ihr Zuhause. "Heimat ist kein Thema. Bei der Arbeit brauche ich abstrakten Raum, will in New York, Wien oder Bleiburg nicht wissen, wo ich bin", sagte sie. "Die Weltstädte sind ihre Heimat", hatte Otto Mauer schon früh formuliert. Ihrem internationalen Ruf folgten schließlich Aufträge für den öffentlichen Raum. Sie schuf innerhalb weniger Jahre das "Empire State Building" in Villach, den "Guardian Angel", den "Door-man", den Entwurf für den Brunnen vor dem Landhaus in Klagenfurt und den Totentanz im Karner von Stein im Jauntal.

Ein ihr bis dahin unbekanntes Material kam auf sie zu, als sie mit der Galeristin Judith Walker bei der arte fiera in Bologna 1994 ihre Keramikköpfe zeigte. Adriano Berengo, Glasmanufakturbesitzer aus Murano, gab den Anstoß für die Glasköpfe, bei deren Herstellung sie sich auch auf altes Kunsthandwerk einlassen musste. In großer Buntheit variieren sie wie "gefrorenes Lagunenwasser" plastisch die archaischen Masken. In der Galerie Walker im Schloss Ebenau im Rosental sind diese "Venetian Heads" in einer Dauer- und jetzt auch Jubiläumsausstellung zu sehen, ergänzt durch seltene und noch nie gezeigte Arbeiten.

Der lächelnde Tod

Sie wolle nicht "definieren, was Seele ist", erklärte die Künstlerin, aber sie sollte in ihren Arbeiten zu finden sein. Die Münder der Masken und Köpfe öffnen sich wie zum Staunen oder zum Schrei, die Augen wirken aufgerissen. Anders ihre zahlreichen Darstellungen des Todes, der immer lächelt, als freundlicher Begleiter des Lebens stets präsent. Kiki (eigentlich Sigrid) Kogelnik starb 1997 in Wien. Ihr Werk ist unglaublich vielfältig, geheimnisvoll und nicht wirklich einzuordnen, es zeugt von dem, was ihr auf ihren weiten Wegen begegnete. Sie sog die Pop-Art auf, aber entwickelte eigenständig eine Bildsprache, in der das Künstliche, Artifizielle Wahrheiten ausdrückt, voll Vergnügen und ein wenig Grauen, mit Augenzwinkern und Weisheit. "Ich reagiere auf meine Zeit und meine Umgebung", sagte sie einmal.

Kiki Kogelnik

Sonderschau derGalerie Judith Walker

Schloss Ebenau, Weizelsdorf

www.galerie-walker.at

Bis 30. Oktober Sa, So 14-18 Uhr

Sonderausstellung in der

Werner Berg Galerie Bleiburg

10. Oktober-Platz 4, 9150 Bleiburg

www.berggalerie.at

Bis 15. November Di 14-17 Uhr,

Mi-So 10-12 und 14-17 Uhr

Happy Birthday

Künstlerhaus Klagenfurt

Goethepark 1, 9020 Klagenfurt

www.kunstvereinkaernten.at

9. September bis 1. Oktober

Di-Fr 13-19, Sa 10-13 Uhr

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