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Kunst und Kultur der Maya

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Im Rahmen der Ausstellung „Österreicher als Sammler und Forsdier“ eröffnete das Völkerkundemuseum in Wien einen Saal, der die vorher in Zürich gezeigten mittelamerikanischen Altertümer enthält. Es handelt sich um die weltberühmten Objekte des von Montezuma II. an Cortez übergebenen Schatz-s Axayatis, der seinerzeit auf 25,000.000 Schilling geschätzt wurde, sowie um Gegenstände aus der Sammlung Haas' und Bilimeks, des Begleiters Kaiser Maximilians von Mexiko.

Diese Prachtstücke längst dahingeschwundener Kulturen gewähren uns einen Einblick in die hohe Lebensführung der alten Völkerschaften Mittelamerikas und sind mit der österreichischen Geschichte innigst verbunden.

Mittelamerika dürfte vor 5000 Jahren durch Jäger- und Sammlervölker aus dem Norden besiedelt worden sein. Die Bekanntschaft mit dem „teocintli“ (Mais) änderte ihre Lebensführung, so daß die Hochländer. zwischen dem 23. und 10. Grad nördlicher Breite zur Wiege der mittelamerikanischen Hochkulturen wurden. Etwa um Christi Geburt zogen die Ahnen der Maya von den Gebirgshängen in die Täler herab. Zwei Blütezeiten, und zwar das „alte“ sowie das ■ „neue Reich“ der Maya kennzeichnen den kulturellen Aufstieg. 1194 traten die sagenhaften Tolteken das Erbe der Maya an, die im 1. Jahrtausend unter Quetzalcouatl die Stadt Tollan begründet haben sollen. Dieser soll versprochen haben, einst wiederzukommen, und diese Mythe, im aztekischen Volke weiterlebend, erleichterte den ankommenden Spaniern als die „weißen bärtigen Nachkommen Quetzalcouatls“ die Eroberung Mittelamerikas. Die nach den Maya aus dem Norden vordringenden Nahuavölker, teils den Prärie- und teils den Puebloindianern ähnlich, kamen in mehreren Wellen in das Land. Die ersten waren die Olmeken. Sie wurden von den von der Mayakultur noch unberührten wilden Nahua, den „Chichi-meken“, abgelöst und wanderten nach Guatemala, Salvador, Nikaragua und Yukatan ein. Um 1200 trat die letzte Nahuawelle, die der Azteken, ihre Südwanderung an. Diese stellten, vom Kaziken-tum zur despotischen Monarchie übergehend, elf Kaiser. Von ihnen verdienen besondere Erwähnung Itzcouatl. (1440) als Begründer der politischen Macht, der große Dichter und Philosoph Nezaloualcoyotl (1472) und der Despot und letzte große Herrscher Montezuma II. (1520). Während seiner Regierung betraten die Spanier 1517 unter de Cordoba Yukatan, 1518 unter Grijalda Mexiko und zwischen 1519 und 1521 eroberte Cortez das aztekische Reich für Karl V. Von 1521 bis 1808 herrschten 56 spanische Vizekönige über Mittelamerika, diese wurden nach dem Aufstande Hidalgos und dem kurzlebigen Kaiserreich Augustins I., das der spanische Prinz Iturbide errichtete, 1823 endgültig von der Republik Mexiko abgelöst. Die Loslösung Texas, die der Österreicher P o-stel („Charles Sealsfield“) beschrieben hat, sowie die Kämpfe Napoleons III. und die mit der Erschießung Kaiser Maximilians in Queretaro im Jahre 1867 endenden Versuche außermexikanischer Herrschaftsansprüche haben die Unabhängigkeit dieses Staates, nicht mehr aufhalten können. Heute sprechen noch 2,000.000 Menschen aztekisch und 1,500.000 die Mayasprache.

Von den zahlreichen wertvollen Objekten der erwähnten Sammlungen seien nur die kunst- und kulturgeschichtlich bemerkenswertesten genannt. Ein Blatt des unter dem Namen „Wiener Handschrift“ bekannten Mayakodex, keineswegs noch enträtselt, zeigt, daß die Mayaschrift teils eine Bilderund teils eine Ideenschrift war. Ihr Zahlen-

system ist uns bekannt. Vor allem ist zu erwähnen, daß die Maya bereits für die Null ein symbolisches Zeichen, nämlich ein Schneckengehäuse, eingeführt hatten. Die Schrift der Nahua dagegen beschränkte sich auf rebusartige Bilder.

Im Vordergrunde des Interesses stehen die Federmosaiken, die in Flecht- oder Klebetechniken aus den Federn des Quetzal, Koringas, Ararapapageien, Löffelreihers und Kolibris angefertigt wurden. Die Maya trugen Federkronen, gleich dem Kopfschmuck Montezumas, der allerdings schon seinerzeit des goldenen Vogelkopfes beraubt wurde. Von sechzehn an Cortez übergebenen Prunkschildern, Rangabzeichen aztekischer Krieger, ist nur einer erhalten. Nach einem alten Kupferstich war er noch in Ambras mit Kolibribälgen verziert. Ebenso ist der ausgestellte Fächer ein Würdeabzeichen, das allerdings wohl für einen spanischen Granden am Griffe in europäischer Manier überhäkelt wurde. Die Kunstfertigkeit der Azteken wurde auch von den Spaniern geschätzt. Dies zeigt uns eine Bischofsmütze, die nach den Übernahmslisten für einen Angehörigen des Geschlechtes Buenagia angefertigt worden ist, denn die Gewebe aus Kaninchenhaaren, Baumwolle und Vogelfedern waren nicht nur sehr warm, sondern auch farbenprächtig.

Spiegel aus poliertem Schwefelkies oder aus Obsidian erfreuten sich großer Beliebtheit. Für die Körperbemalung verwendeten die Frauen Tonstempel. Tonwirtel und besonders Tonplastiken sind Belege für eine hochentwickelte keramische Industrie, die allerdings die Drehscheibe noch nicht kannte. Gravierungen, Bemalungen sowie metallglänzende Glasuren dienten der Verschönerung derselben. Darstellungen des „lachenden Gesichtes“ blieben der totonaki-schen Kunst vorbehalten. Schon aus der archaiischen Kultur sind uns Steinplastiken erhalten geblieben, die in roher Manier aus wassergeglättetem Kiesel ausgemeißelt wurden. Darstellungen von kleinen Menschenköpfen weisen eine beachtenswerte Naturtreue auf; so können wir außer Mayatypen auch solche heute lebender Formen feststellen, wie die südamerikanischer Waldindianer oder der aussterbenden Feuerlandjäger. Die Verwertung importierter Materialien zeigt uns eine Kopfplastik, die Einlagen von Flaschenglas aufweist. Die mannis-faltigsten Schmuckgegenstände wurden aus Steinen (Achat, Jadeit, Obsidian oder Türkis), Holz, Knochen und Muschelschalen sowie Vogelfedern hergestellt und oftmals mit reichen Einlegearbeiten ausgeschmückt. Sehr beliebt waren Ketten aus mühsam durchbohrten Steinperlen.

Die Kunstfertigkeit der damaligen Bildhauer zeigen uns Skulpturen aus zapoteki-schen Grabkammern sowie die bis heute unerklärlich gebliebenen Steinjoche der Totonaken, die im abgerundeten Mittelteil beispielsweise das aufgerissene Maul einer Kröte und an den äußeren Seitenwänden deren Gliedmaßen im Halbrelief tragen.

An Musikinstrumenten sind uns Pfeifen und Flöten aus Ton bekannt, bemerkenswert sind zwei okarinaähnliche Instrumente, deren eines wohl aus einem Tapirknochen und das zweite aus einer großen Muschelschalenrippe hergestellt und mit Gravierungen verziert worden ist.

Auch eine steinerne Opferblutschale mit ihren eigenartigen skulpturierten Verzierungen verdient das Interesse der Beschauer. Menschenopfer wurden in Mittelamerika dem Regengotte Tlaloc sowie besonders dem Kriegsgott Uitzil-opochtli dargebracht. Der letztere war gleichzeitig Gott der jungen Ostsonne und, um dieser lebensspendenden Naturkraft immer neue Kräfte zuzuführen, wurden Kriegsgefangene geopfert. Im Blute und Herz des Menschen erblickte man die Quelle der Lebenskraft, und diese Kraft mußte man der Sonne zuführen. Mit einem Steinmesser öffneten die Priester den Brustkorb und rissen das Herz heraus. Dadurch gewannen die letzteren auch einige bemerkenswerte Kenntnisse der Anatomie. Welches Ausmaß dieser blutige Kult der Azteken annahm, können wir aus der Tatsache erkennen, daß in einem einzigen Tempel die Spanier 1 3 6.00 0 Menschenschädel von Opfern vorfanden. Während der von den Maya geübte und den Tolteken übernommene Kult des Quetzalcouatl unblutig war, bildete sich der blutige Kult Tlalocs und Uitzil-opochtlis erst später aus. Verschiedene Naturkatastrophen, wie ein strenger und schneereicher Winter im Jahre 1540, eine totale Sonnenfinsternis und darauffolgende Hungersnot 1454, zerrütteten das ganze Staatsleben. Da beschlossen die Fürsten und Priester dreier Reiche, in Scheinkämpfen eine große Anzahl von Kriegsgefangenen zu machen und damit die Zahl der Opfer ständig zu vermehren.

Das ältere Menschenopfer ist jenes an den Regengott, dem man das Blut kleiner Kinder darbrachte.

Die Maya erblickten im Kreuz das Symbol der vier Weltgegenden, ferner kannten sie, zum Staunen der ankommenden Spanier, eine Art Taufe, Beichte und Buß-kasteiungen. Diese Kenntnis trug zur leichteren Christianisierung der Indianer Mittelamerikas bei.

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