7112546-1996_03_09.jpg
Digital In Arbeit

Kunst und Religion nicht vermischen

19451960198020002020

Friedhelm Mennekes SJ erarbeitete mit Studenten Hrdlickas Skulpturen unter dem Titel „Tradition und Verweigerung - Skulptur im sakralen Raum".

19451960198020002020

Friedhelm Mennekes SJ erarbeitete mit Studenten Hrdlickas Skulpturen unter dem Titel „Tradition und Verweigerung - Skulptur im sakralen Raum".

Werbung
Werbung
Werbung

dieFurche: Welche Verbindung haben Sie zur österreichischen Kunstszene?

P. Friedhelm Mennekes SJ: Ich bin seit drei Jahren regelmäßig hier, bin Gastprofessor an der Hochschule für angewandte Kunst und stehe auf der Berufungsliste an die Akademie am Schillerplatz für die Nachfolge von Herbert Muck. Ich werde auch im nächsten Jahr eine Gastprofessur an der Angewandten haben.

dieFurche: Wie kamen Sie an die Hochschule für angewandte Kunst?

Mennekes: Über Rektor Oswald Ober-huber. Ich war in der Klasse von Adolf Frohner, bei Manfred Wagner, am Institut für Kostümkunde und jetzt in der Bildhauerklasse von Alfred Hrdlicka. Nächstes Jahr gibt es eine Zusammenarbeit mit der Ärchitektur-klasse von Wilhelm Holzbauer. Die Kunst sucht die Partnerschaft der Kirche. Die Kirche kann sie nicht geben, weil sie keine geeigneten Persönlichkeiten dafür hat. Dies ist ein Problem der Kirche und nicht des Verhältnisses von Kunst und Kirche. Das Ergebnis der Arbeit von zwei Semestern wurde in der Minoritenkirche Krems-Stein vorgestellt.

dieFurche: Wie haben Sie die jungen österreichischen Künstler erlebt?

Mennekes: Junge Künstler warten nicht auf einen Priester. Bei den Bildhauern waren ja eher so „Urgesteins-Leute" und ich dachte schon, da komme ich nicht an. Aber letztlich ist keiner aus diesem Projekt „Skulptur im sakralen Baum" ausgestiegen. Ich war viele Stunden mit ihnen zusammen, es gab lange Kämpfe, in der Gruppe, in Einzelgesprächen. Künstler, Künstlerinnen können Religion nicht denken, sie können nur versuchen, praktisch etwas zu machen. Wir haben gemeinsam in der Bibel gelesen, was viele von ihnen noch nie gemacht hatten. Eine junge Künstlerin setzte sich mit der Gestalt der Maria Magdalena auseinander, ich steuerte biblisches Wissen und christliche Ikonographie bei. Dann ging sie ins Kunsthistorische Museum und sah sich Darstellungen der Maria Magdalena an. Natürlich gab es auch Kritik von Seiten der Jungen, den Vorwurf der Religion als Vertröstungsmechanismus. Sie arbeiteten auch ihre Aggressionen gegen das Religiöse auf, neue Einstellungen reifen. Ich war ganz hingerissen von diesem Vorgang.

dieFurche: Schade, daß dies nur diesen 17 Studierenden begegnete. Ihrer Meinung nach ist das Verhältnis der Künstler zur Religion also in Ordnung. Aber auch bei vielen Gläubigen herrscht ein großes Defizit, im Umgang mit zeitgenössischer Kunst

Mennekes: Die Kirche als Funktion der Gesellschaft leidet natürlich darunter, daß ein bestimmter christlich gebundener Teil der Gesellschaft für die Kunst zu ist und umgekehrt ein für die Kunst aufgeschlossener Teil der Religion gegenüber verschlossen ist. Mittlerweile gibt es nichts, was mehr an die Ehre eines Künstlers geht, als wenn er für die Kirche arbeitet. Damit tritt er praktisch aus der Welt der Kunst aus.

Ich will Kunst und Religion nicht mehr vermischen, um der Freiheit willen gehören die beiden getrennt, aber wenn man von einem Rereich in den anderen blickt, dann kann man Bezüge erkennen und die kann man verknüpfen. Diese Verknüpfungen muß man auch wieder sein lassen. Ich kämpfe dafür, Kunstwerke nicht mehr auf Dauer in Kirchen zu hängen, sondern Kirchen zu Durchlaufstationen zu machen für Wechselausstellungen. Kunst ist Bewegung und Beligion ist Bewegung und die müssen „durcheinanderwehen".

dieFurche: Ist das ein Erfahrungssatz?

Mennekes: Ich bin Soziologe, ich habe Politikwissenschaft und Sozialwissenschaften studiert und bin seit zwanzig Jahren Pfarrer, wofür ich von der Politikwissenschaft mehr gelernt habe als von der Theologie.

dieFurche: Wie kamen Sie zur Kunst?

Mennekes: Erst im Alter von 39 - als ich Pfarrer wurde - habe ich entdeckt, daß die Kunst eine Macht ist. Ich habe das praktisch erfahren, ich wollte Plakate in der Kirche und im Pfarrhof aufhängen, Zustimmung und Widerspruch sind aufgekommen. Und ich entdeckte, daß ich Kunst brauche, daß ich ohne sie nicht leben kann. Aber ich bin leidenschaftlich Priester, die Kunst allein würde mir nicht genügen wegen ihrer religiösen Diffusität, Theologie, die fähig ist, mit der Kunst eine Begegnung aufzunehmen, die gibt es nicht.

dieFurche: Und wie ging es dann mit der Kunst weiter? Ihre Pfarre ist auch gleichzeitig „Kunststation"?

Mennekes: Ich habe mich drei Jahre intensiv um Kunst bemüht. Ich habe über hundert Interviews mit Künstlern gemacht, durch die habe ich gelernt. Als/ich Ausstellungen machte, mußte ich mich verteidigen vor den Angriffen, auch die Kunstwerke vor den Zerstörungen. Zuerst war das in einem Frankfurter Arbeiterbezirk. Später machte ich am Hauptbahnhof von Frankfurt Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst. Von meinem Orden wurde ich dann nach Köln versetzt, wo derzeit das Zentrum zeitgenössischer Kunst in Europa ist. In der gotischen Kirche St. Peter ist Peter Paul Bubens getauft worden, es gibt ein Altarbild von Rubens und dort mache ich Ausstellungen, die nicht an eine Thematik gebunden sind, sondern nur an der Kunst orientiert. Ich kriege die Künstler, die ich will: Francis Bacon, Hermann Nitsch, Frank Stella, Tapies, Antonio Saura. Ich habe zwar kein Geld zur Verfügung, aber Kunst braucht kein Geld, Kunst braucht nur den Willen zur Kunst. Oft sind die Künstler unentgeltlich bereit, oder auch die Galeristen, sie darf man nicht aufhören zu loben, daß sie bereit sind, Kunst in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Topstars zu bringen ist leicht, leicht für mich, weil ich so radikal bin.

dieFurche: Wie ist die Situation in der Diözese?

Mennekes: Der Bischof ist katholisch und liebt Kunst. Im bischöflichen Palais gibt es eine Wand, auf die von jeder unserer Ausstellungen ein Bild gehängt wird. Das Diözesanmuseum in Köln ist eines der führenden Museen, das mit viel Engagement zeitgenössische Kunst kauft. Natürlich ist es ein Vorteil, daß ich Pfarrer bin, die Kirche ist voll, wir haben viele Taufen, es gibt viele junge Gläubige. Ich predige nie über Kunst, aber nach den Gottesdiensten gibt es Gespräche über Kunst.

dieFurche: Und wie reagieren die Gläubigen?

Mennekes: Ich mache das jetzt seit acht Jahren, es bedarf langjähriger Erziehungsarbeit.

dieFurche: Wie sehen Sie die Rolle der zeitgenössischen Kunst in neu- oder umgebauten Kirchen?

Mennekes: Es gehören bestimmte Fähigkeiten dazu, über einen neuen Altar zu entscheiden. Es ist vor allem ein Sinn für Form nötig, dann ein Sinn für Liturgie und Raumfähigkeit. Kirchenräume sollten möglichst leer sein. Der Altar muß eine eindeutige Skulptur sein, die den Rlick auf sich selbst zwingt. Von entscheidender Bedeutung ist auch das liturgische Gewand. An der Hochschule habe ich am Institut für Kostümkunde das Thema „Sakralgewand" mit den Studenten erarbeitet, die anschließende Ausstellung war eine der erfolgreichsten überhaupt, sie geht jetzt sogar bis in die USA.

dieFurche: Aber brauchen Menschen nicht doch Rüder?

Mennekes: Kunst und Religion sind elitär. Es braucht Bilder, aber es braucht neue Bilder. Wenn ich spüren will, daß Religion eine gläubig-kreative Weise ist, sich vertrauensvoll in einer Zeit der Kälte und Entfremdung ermutigend zu verhalten, dann muß ich die Rilder wegnehmen, da sie die Beweglichkeit eines solchen Glaubens verhindern.

Das Gespräch fährte

Leonore Rambosek.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung