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Kunst und Volkshochschule

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Zwischen Kunst und Volkshochschule bestehen einige Beziehungen; nicht alle sind glücklich zu nennen. Das Volksbildungswesen sieht es als seine vornehme Aufgabe an, nicht nur die Wissenschaften, sondern auch die Künste einem breiteren Publikumskreis näherzubringen und zu verdolmetschen. Das iet voll und ganz zu begrüßen. Freilich muß eine einführende Vortragstätigkeit immer auch eine gewisse Simplifizierung der angeschnittenen Probleme mit sich bringen, aber das kann man ohne weiteres in Kauf nehmen: der Anfang soll leicht erscheinen und darf nicht abschrecken. Daneben werden zwangsläufig einige Scheinprobleme, die gerade populär sind und allgemein debattiert werden, einen größeren Raum einnehmen als ihnen zukommt. Doch verdient das gegenwärtige Vortragsprogramm — wie es insbesondere von der Wiener Urania angeboten wird — alles Lob.

Wesentlicher erscheint noch eine zweite Aufgabe, die nun von den Volkshochschulen in steigendem Maße erfüllt wird: die Hörerkreise direkt mit lebendiger Kunst in Berührung zu bringen. So ist es zu begrüßen, daß jetzt auch das Theater in der Secession „Kaleidoskop" gleichzeitig zwei Aufführungen vorbereitet hat: Die eine, „Die Streiche des Scapin" von Moliere, wird in der Secession gezeigt; die andere, „Der Weibsteufel" von Karl Schönherr, begann im Mittleren Saal der Urania und wird als Gastspiel in verschiedenen Volkshochschulen zu sehen sein. Beide Aufführungen sind ausgezeichnet. Die jungen Schauspieler sind nicht nur mit Liebe, sondern auch mit Können bei der Sache. Schon seit Monaten gastierte das „Kaleidoskop" mit einem Abend orientalischer Dichtung und tänzerischen Darbietungen Rosemarie Strahal mit außerordentlichem Erfolg in den Volkshochschulen. Die Gastspiele des Volkstheaters in den Randbezirken — ob sie nun in Kinosälen oder in den Räumen einer Volkshochschule stattfinden — gehören ebenfalls in diesen Rahmen. Von ihnen muß man freilich etwas verlangen, was von den jungen „Kaleidoskopianern" selbstverständlich ist: nämlich daß sie in erster Besetzung erfolgen. Nur dann werden sie breitere Schichten für das Theater neu gewinnen können.

Das Volksbildungshaus Margareten Wien V, Stöbergasse 11—15 führt in diesem Frühjahr acht Vortragsabende aus dem Schaffen junger österreichischer Schriftsteller durch und zeigt an diesen Abenden Werke junger bildender Künstler. Diese Veranstaltungsreihe, die sich „Einklang” nennt, ist der Initiative Roman Roceks und Dr. .Gawronskis zu danken. Sie hebt sich wohltuend von den wahllosen Vermietungen des Klubsaals der Urania ab; dort darf jedermann, ob er schreiben kann oder nicht, vorlesen, wenn er Saal und Plakatierung bezahlen kann und die Urania scheint der Oeffent- lichkeit gegenüber für den Wert des Vorgetragenen zu haften. Im Kammersaal des Volksbildungshauses bekam man dagegen einen bewußt geführten Querschnitt durch das Schaffen junger Autoren zu hören. Namen wie Ebner, Jandl, Kein, Kießling, Polakovics, Kahr, Mayröcker, Kräftner f, Artmann beweisen dies. Dazu wurden kleine Kollektionen bildender Künstler gezeigt. Einige wenige Bilder meist nur, die aber doch schon die Individualität des einzelnen zeigten und durch ihr hohes Niveau überraschten. Fred Marek zeigte Bühnenbildlandschaften; daneben bewies insbesondere seine Moorlandschaft, daß es sich hier um „innere Landschaften" handelt, in denen eine große Harmonie erreicht wurde. Christof Donin stellte einige ausgezeichnete Porträts aus, Josef Pillhofer zeigte Plastiken, Hilda Polsterer, Otto Fielhauer, Georg Rauch fielen des weiteren durch starke Arbeiten auf. Den stärksten Eindruck aber machte wohl Leo Tichatschek. Um einige ausdrucksstarke, expressive Köpfe ordnet er seine Bilder an, meist Illustrationen zu nicht geschriebenen Erzählungen, aber auch zu Meyrink und Rilke, die eine düstere, aber unerhört präzis gesehene Welt wiedergeben. Für Freitag, den 4. Juni, ist eine abschließende Forumdiskussion vorgesehen: hier soll dem Publikum die Möglichkeit gegeben werden, sich mit den jungen Künstlern auszusprechen und sie in ihren Absichten besser verstehen zu lernen.

Weniger glücklich scheint uns die Funktion der „Künstlerische Volkshochschule" zu sein; und dies deutet sich schon im Titel an. Kunst ist nicht etwas, das man in Häkel- oder Laubsägekursen lernen kann. Es ist erfreulich, wenn jemand in seiner Freizeit zeichnen und malen lernt: solche Kurse würden aber besser als „Volkshochschule für Graphik und Malerei" bezeichnet werden. Die Frühjahrsausstellung, die jetzt in der Liechten- steingalerie in Wien IX, Fürstengasse 1, gezeigt wird, bringt gewiß manches schöne Bild und stellt manches bemerkenswerte Talent vor. Nur sollte man all denen, die zu ihrer Freude zeichnen und malen wollen, und es auch zu beachtlichen Ergebnissen bringen, nicht sagen, daß sie deswegen schon Künstler seien und ihnen falschen Ehrgeiz injizieren. Im Gegenteil: es wäre die vordringliche Aufgabe einer solchen Volkshochschule wie man sie nun nennen will, bei allen Freunden des Zeichnens und der Malerei die Ehrfurcht vor echter Kunst zu vertiefen, indem man ihnen den Abstand zwischen Amateurismus und Kunst, die ja immer einen geistigen Gehalt voraussetzt, erklärt. Und gerade diese talentierten Volkshochschüler, die ja handwerklich einiges können, werden erkennen, was eben das Besondere, Eigenartige der Kunst ist, das man nicht lernen kann. Und sie werden nicht mehr durch jede x-beliebige Ausstellung stürmen und behaupten: „Das kann ich auch und besser." Die einzelnen Kurse der Volkshochschule lehren „Stilleben", „Moderne Malerei", „Exaktes Zeichnen" usw. Und hier beginnen die Mißverständnisse. Das was „Moderne Malerei" genannt wird, stellt sich als falsch verstandener Surrealismus heraus; als ob man die „moderne Malerei" aus ihren Erscheinungsformen heraus lernen könnte, ohne sie aus ihren geistigen Wurzeln zu verstehen. „Exaktes Zeichnen" ist in der Volkshochschule ein Zeichnen nach Vorlagen der Natur; als ob nicht jedes Zeichnen immer zugleich ein „exaktes Zeichnen" sein müßte. Trotzdem: nichts gegen diese Art von Freizeitgestaltung und Sonntagsmalerei. Aber wer sie übt, soll nicht im Irrtum befangen sein, er mache durch seine Tätigkeit casso Konkurrenz.

Die tatsächliche Bedeutung der künstlerischen Volkshochschule liegt anderswo: in der Erziehung zu kunsthandwerklicher Tätigkeit. Die Kurse für Keramik, Gebrauchsgraphik, Schrift, Schaufensterdekoration, Restaurierung, Photographie, Möbel- Zeichnen, Kunstgewerbe leisten Vortreffliches schon durch ihre Geschmackbildung. Hier darf man dann auch mit den Ergebnissen zufrieden sein. Wie verbogen sind dagegen die Ergebnisse der Kinderzeichenkurse; da Anleitung, hier Abtötung der Originalität.

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