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Kunstalchemie des 19. Jahrhunderts

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Eine große Ausstellung in der Hofburg

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Eine große Ausstellung in der Hofburg

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fti der Wiener Hofburg hat die „österreichische Galerie“ einen Teil ihrer Schätze unter dem Titel „Europäische Malerei im 19. Jahrhundert* aufgestellt. Eine prächtige Exposition ganz ohne Zweifel, aber nur ein Ersatz, eine Ausweichstelle für das leider immer noch nicht wieder aufgebaute Haus der „österreichischen Galerie“ und mit allen Mängeln eines Provisoriums behaftet. Mehr als eines der großartigen Bilder muß der Betrachter wie ein Spion von der Seite her be-schleichen, um wirklich ein Bild und nicht eine spiegelnde Fläche sehen zu können — und bei manchen mißlingt sogar das.

Das früheste Bild dieser Ausstellung, knapp um 1800 entstanden, ist Goyas „Irrenhaus“, in dem das Pathos des Barock seines die normale Welt erhöhenden Sinnes beraubt und in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes „sinnlos“ wird. Das jüngste hat Gustav Klimt zehn oder elf Dezennien später gemalt; es porträtiert eine vornehme, etwas nervöse Dame, die in dem silberrosatapezierten Zimmer eines sezessionistischen Elfenbeinturms gewohnt haben muß — zwischen diesen beiden Bildern aber überquert Davids „Napoleon“, halb Cäsar und halb Incroyable, den St. Gotthard auf einem Hengst, dem zu unpassender Zeit eine Lektion aus der Hofreitschule einfällt; machen sich in einem winzigen und bezaubernd gemalten Ensor-Stilleben giftige Insektengespenster an einige Blumensträußchen heran; malt C. D. Friedrich romantisch traurige Landschaften, Reneir blühende Mädchenkörper und wirft Lovis Corinth, der virtuose Maler mit der Fleischhauerseele, seine Kompositionen auf die Leinwand, machen die Wiener Biedermeierporträtisten einfältig-edle Bildnisse, gießt van Gogh Lava in die Landschaftsmalerei seiner Zeit...

Klassizismus, Biedermeier und Romantik, zweites Barock, Jugendstil, der Impressionismus und, kräftig sich regend, der beginnende Expressionismus — wahrhaftig, 'sie sind alle da. Das 19. Jahrhundert, hier ist es in all einen künstlerischen Möglichkeiten bei be-cheidenem Eintritt zu besichtigen — und mit ihm die Kunstlaboratorien und artistischen Alchimistenküchen, in denen die Kunst heute noch immer neuen Wandlungs- und Läuterungsprozessen unterworfen wird. Diese ungeheuerlichen verbissenen Anstrengungen, gleichermaßen unberührt von Triumphen wie von Fehlschlägen, diese immensen Opfer von Genie, Schönheit und Leichtigkeit — sollten sie wirklich sinnlos gewesen sein und von keinem auch noch so fernen Erfolg bedankt werden? Wer würde es wagen, diese Frage gelassen zu bejahen?

Mit Vergnügen stellt man fest, daß die Österreicher in dieser Exposition wieder einmal besser abschneiden, als es ihrem Rufe entspricht. Das Waldstück von Carl Schuch zum Beispiel nimmt es mit den gleichartigen Bildern des großen Corot durchaus auf. Der „Italienische Fischerknabe“ Romakos — eine Neuerwerbung — wirkt mit seinem prachtvollen Fischestilleben stärker als ein gleichzeitiger Pariser Impressionist, ein „Mädchen vor dem Spinett“ zeigt Makart von einer Seite, von der man ihn kaum kennt, während eine kleine Waldmüller-Landschaft überhaupt keine Konkurrenz besitzen dürfte.

Wir haben noch auf eine leider nur an weit auseinanderliegenden Tagen und auch dann nur wenige Stunden lang geöffnete Ausstellung hinzuweisen, in welcher der Altmeister der Wiener Photographen, Bruno R e i f f e n-stein, Architekturphotographie aus den 50 Jahren seiner Tätigkeit zeigt. Von der ausgezeichneten Qualität dieser Photographie ist hier weiter nicht zu sprechen, anzumerken jedoch, daß unter ihnen viele sind, die heute längst zerstörte Wiener Bauten, Anlagen und Stadtteile im Bilde festhalten. Photographische Beweise für die Unterlassungssünden, die aus organisch gewachsenen Stadtlandschaften bewohnte Karste gemacht haben. Die nächste dieser Photoausstellungen wird am 20. Februar ab 17 Uhr im Hause des österreichischen Ingenieur- und Architektenverbandes, Wien, I., Eschenbachgasse 9, stattfinden.

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