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Kunstbesitz als Untergrunderscheinung

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Es ist nicht übertrieben, festzustellen, daß das Bewußtsein der Verarmung die Grundierung unzähliger österreichischer Gespräche abgibt. Man muß daher mit um 60 größerem Nachdruck auf Erscheinungen hinweisen, die zeigen, daß ein sehr beträchtlicher Teil des Erbes unserer großen Vergangenheit noch immer dem Land erhalten geblieben ist.

Die Sommerausstellung der Galerie Welz in Salzburg muß zu diesen Symptomen gerechnet werden. Es ist heute nur in ganz wenigen Ländern möglich, eine Schau solcher Meisterwerke, ein Stück wie das andere galeriereif, zusammenzustellen, ohne die Hilfe der öffentlichen Sammlungen in Anspruch zu nehmen. Gerade das aber ist hier nicht geschehen. Mit Ausnahme einiger allgemein bekannten Kostbarkeiten, die ebenfalls aus Privatbesitz stammen — wie etwa das berühmte Metternich-Porträt von Sir Thomas Lawrence —, ist der Großteil dieser Werke überhaupt noch nie öffentlich zu sehen gewesen, so daß ihre bloße Existenz mit staunender Be-wundeiung zur Kenntnis genommen wurde.

Dies gilt nicht zuletzt von den frühesten Bildern der Ausstellung, den Zeitgenossen Dürers. Der St Georg von Hans von Kulmbach, dem fränkischen Meister, dessen Krakauer Zyklus nun den Menschen des Westens verschlossen ist, muß zu den bedeutenden Bildern dieser Zeit gerechnet werden, und man fühlt leise Zweifel in sich aufsteigen, ob Kulmbachs Stärke, wie so oft behauptet wird, vor allem auf koloristischem Gebiet zu finden ist. Niklas Manuel Deutsch, dieser so eigenartige Schweizer Künstler derselben Epoche, ist mit der Hinrichtung der thebäischen Legion“ vertreten; hier handelt es sich um die Flügeltafel eines Altars, dessen übrige Teile das Berner Kunstmuseum besitzt. Der Name Lucas Cianacbs d. Ä., malfreudiger Patrizier von Wittenberg und Freund Luthe, gesellt sich als dritter ziu Manuel Deutsch und Hans von Kulmbach.

Die späteren Bilder erwecken vielfältige Assoziationen an England, ein gemeinsamer Nenner der verblüfft, weil, offensichtlich genug, ganz zufälliger Natur. Bei Gains-borough und Thomas Lawrence handelt es sich um englisdie Maler, Van Dyck, mit einem Herrenporträt vertreten, schuf dort einige seiner größten Werke, Aber auch die im Mittel6aal der Ausstellung in erlesener Harmonie vereinten Niederländer gemahnen uns an die nebelverhangene Insel und ihre Kunstfreunde. Da ist — um eins der vollendetsten Bilder der Ausstellung hervorzuheben — eine Cuijpsche Landschaft mit Kühen, von jenem goldgelben sommerlichen Glast überflössen, der für den Künstler 60 kennzeichnend ist. In seiner schlichten Schönheit ragt dieses Bild an das der National Gallery („Hirt und Hirtin“) heran, während es zu dem so oft reproduzierten „Aufzug au6 der Jagd“ im Buckingham Palace in anziehender Kontrastwirkung steht. Auch ein anderer hier vertretener Niederländer, Meindert Hobbema, wurde vor allem in England geschätzt und gesammelt. Wie als kontrapunktliches Gegenstück zu der ruhigen, beschwingten Schönheit der Cuijps , Teniers, Ruysdaels und Hobbemas hängt im selben Raum ein wunderliches Stück Adriaen Brouwer6, dieses Meisters derber Volkstümlichkeit.

Die hier genannten Namen deuten bereits die Qualität der Ausstellung und das ästhetische Vergnügen, das sie bereitet, an. Ein Vergnügen, das allerdings mit Nachdenklichkeit gemischt ist. Wie lange wird man in Österreich noch eine solche Schau zeig en können? Wir rasch geht der Abverkauf ins Ausland vonstatten? Und wo hängen diese Bilder eigentlich sonst, daß man sie niemals zu Gesicht bekommt? Um mit der letzten Frage zu beginnen: Ein gar nicht kleiner Teil des privaten österreichischen Kun6tbesitzes führt eine Art Untergrunddasein. Daß es nur mehr wenig Wohnungen gibt, in denen man Bilder aufhängen kann, ist eine Sache. Eine andere, daß selbst Menschen, die über solche Räume verfügen, zum Teil ihre Bilder nicht mehr hängen. Verborgen, verpackt und verlagert, führen diese glanzvollen Dinge ein sehr glanzloses Dasein, niemandem zur Freude. Man ist nicht ganz sicher, ob das Finanzamt nicht irgendeinen Titel geltend machen könnte, ob nicht irgendeine neue Abgabe und Belastung diese Schätze treffen wird, man ist von Furcht und tiefem Mißtrauen

erfüllt, weiß auch nicht, ob man 6ich von den Bildern, so sehr sie einem nun ans Herz gewachsen sind, nicht heute oder morgen doch wird trennen müssen. Da ist es besser, sie gleich im Verschlag zu lassen, in den man solche Objekte in unruhigen Tagen getan hat. Kommt es dann wirklich zum Verkauf, erscheint der Staat neuerlich in der Rolle des Gegnere Ein an sich kluges und verständnisvoll amtierendes Denkmalamt hat über die Ausfuhr zu entscheiden, und wie die Dinge liegen, heißt Ausfuhr hier auch Verwertung. Ein Veto an sich erfreulicher Natur, das Im Grunde bedeuten müßte, daß der Staat auf Erhaltung des Kun6tbe6itzes Wert legt. Aber ist. diese Haltung überhaupt noch vertretbar,

wenn sie sich erst in dem Augenblick manifestiert, da der Besitzer ohnedies verkaufen muß? Da ihn eine gnadenlose Nivellierung6-politsik und eine kunstfeindliche Besteuerung — in England hat man, im Gegensatz zu Österreich, nur Einkommen abwerfende Objekte in die Kapitalssteuer hineingenommen — gar keine andere Möglichkeit offen läßt? Weiß man denn bei uns nicht, daß Bilder der Pflege und gelegentlich der Hand des Restaurators bedürfen? Daß Kunstbesitz, materiell gesehen, eine Belastung ;st? Kurz, wäre es nicht an der Zeit, statt endloser unverbindlicher Worte endlich die kunstfeindliche Atmosphäre zu liquidieren?

Die Ausstellung Welz hat nur einen kleinen Teil eines noch immer sehr reichen Kunstgutes gezeigt. Solche Ausstellungen 6ind schwierig zu veranstalten, erfordern 6ehr viel Takt, langjähriges Vertrauensverhältnis, hundertfache Versicherung der Diskretion. Gibt es nicht noch andere Wege, den Kunstbesitz aus seiner Untergrundexistenz zu befreien, eine entspannte Freude an schönen Dingen zu ermöglichen die nicht vor der Angst vor Spitzeltum verdunkelt wird?

Am Rande noch eine Anregung! Könnte Salzburg nicht das sehr schöne Frauenporträt Makarts erwerben? Es besitzt kein Bild die6e6 Sohnes der Salzachstadt, das an da6 bei Welz gezeigte heranreicht. H. M. W.

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