Werbung
Werbung
Werbung

Gustav Klimt und seine Umgebung in der Österreichischen Galerie Belvedere.

Bekanntlich lassen sie einen in Wien erst dann leben, wenn man gestorben ist. Im Blick auf Klimt stimmt das nicht - und dann doch wieder. Gerade die Konzentration auf die Landschaftsbilder im Oeuvre von Klimt zeigt zwei sehr unterschiedliche Malerpersönlichkeiten vereint in einer Person. Einmal einen Klimt, der sich aufgrund seines Arrangements mit den politisch vorgegebenen Kriterien für ein Kunstwerk durchaus als Star der damaligen Szene fühlen und breiten Erfolg genießen konnte, dann aber einen Klimt, der sich zurückgezogen nur mehr einem vergleichsweise kleineren Publikumskreis verpflichtet fühlte. Was war geschehen?

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der Streit um die Fakultätsbilder für die Wiener Universität zwischen 1884 und 1903 und dessen negativer Ausgang für Klimt eine Zäsur in seinem Schaffen bedeutet hat. Der Auftrag, Philosophie, Medizin und Jurisprudenz in allegorischen Deckengemälden als "Sieg des Lichts über die Finsternis" zu gestalten, nutzte Klimt zu einer subtilen Kritik am vorherrschenden Positivismus in der Wissenschaft. Nach und nach rückten beinahe alle gesellschaftlich Einflussreichen von seinen vorgeschlagenen Menschenknäuel ab, seine von Schopenhauer und Nietzsche beeinflusste Gegenposition, dass der Mensch ziemlich hilflos der Natur und seinen Instinkten ausgeliefert ist, fand keine große Gegenliebe. Schließlich kaufte Klimt seine Entwurfbilder zurück - und kam ins Grübeln. Ins Grübeln, inwieweit er als Gründungsmitglied und wichtiger Mitgestalter der Sezessionsbewegung tatsächlich dem Anspruch nachkommen kann, aktuelle Kunst in breite Bevölkerungskreise zu tragen, und wahrscheinlich auch ins Grübeln darüber, inwieweit seine Fakultätsbilder nicht auch in sich an seinem Selbstverständnis, ein Vorreiter der modernen Kunst in Wien zu sein, gescheitert sind. Diesem Grübeln verdanken wir als ein Ergebnis eine Reihe von Landschaftsbildern, die zum besten gehören, was Klimt gemalt hat.

Feier der Farbe

Erstmalig und von der breit gefächerten Leihgeberschar her auch einmalig, präsentiert die Österreichische Galerie Belvedere einen Großteil dieser Landschaftsbilder in einer Schau, feinfühlig ergänzt durch Referenzbilder aus Klimts eigenem Schaffen und solchen von Malerkollegen, in deren Umgebung Klimt seine Lösungen erarbeitet hat. So sieht man einen Klimt, der auch in der Landschaft in der Tradition des Symbolismus steht, man wird einer österreichischen Kontinuität von Waldmüller über Schindler bis eben zu Klimt gewahr und man entdeckt vor allem auch den Einfluss von Fernand Khnopff. Mit Wurzeln in der Romantik fühlt sich Klimt einem Naturlyrismus verpflichtet, gegen den Naturalismus als Abbild einer statischen Realität geht es ihm - für die damalige intellektuelle Subkultur von Wien kaum verwunderlich, wenn man an Freud, Schnitzler oder Weininger denkt - um eine "Seelenkunst". Objekte in der Landschaft bekommen Trägerfunktion von Gefühlen, die Darstellung insgesamt zielt auf eine Stimmung ab, die Objektivität der Natur wurde aufgegeben zugunsten einer Neuschaffung der Welt durch den Künstler.

Die Ausstellungstätigkeit in der Sezession brachte auch französisches Gedankengut nach Wien. Man sieht den Einfluss van Goghs, jenen der Nabis und auch der Impressionisten. Aber Klimt reduziert sich nicht selbst auf ein bloßes Epigonentum, sondern entwickelt die Vorgaben zu einer eigenen Sprache weiter. So dient ihm sein Pointillismus nicht der Wiedergabe der flimmernden Wirkung des Lichts oder gar einer künstlerisch-wissenschaftlichen Beschäftigung des Zusammenspiels von Licht und Farbe; seine Arbeiten bleiben stets gegenstandsbezogen, die besondere Malweise bringt nur die dargestellten Objekte durch ausgefeilte malerische Raffinesse zum Leuchten. Bereits vom Kolorismus von Delacroix hatte Klimt gelernt, dass die Mischung der Komplementärfarben Orange, Grün und Violett zu einem stumpfen Grau führt, wenn man diese allerdings nebeneinander setzt, scheinen sie wie von innen beleuchtet zu strahlen. Klimt macht sich diese Erkenntnisse zunutze, er geht zwar von den tatsächlichen Farben der Gegenstände aus, transponiert diese dann aber in ausgewogene und gleichzeitig überfließende Farbverläufe. Parallel dazu wird die illusionistische Konstruktion von Raum, wie sie seit der Renaissance die Malerei beherrschte, aufgegeben, Klimt gibt wieder zu, dass seine Leinwände flach sind, Räume entstehen nur durch die präzise aufeinander abgestimmte Wechselwirkung zwischen den einzelnen Farben. Unterstützung findet Klimt dabei durch die Verwendung von Feldstecher, Fernrohr und einem aus Karton ausgeschnittenen Motiv-Sucher, die ihm alle drei bereits in der optischen Aufbereitung vor Ort eine zweidimensionale Umgebung vor Augen stellen. "Klimt findet im Spätwerk zu seinem eigenen Stil. Er springt nicht mehr zwischen Körperlichkeit und geometrischer Abstraktion hin und her, sondern feiert die Farbe", schreibt Ausstellungsmacher Stephan Koja im vorbildlich gestalteten Begleitkatalogbuch.

Gottlose Mystik

Neben der Natur als Ausgangspunkt und begleitende Referenzwelt verhindern auch die strengen Kompositionsprinzipien, denen Klimt seine Werke unterzieht, ein Zerfließen der Bilder in reine Farbe. Nicht zuletzt angeregt durch einen Besuch in Ravenna formuliert Klimt seine Bildideen in einer, durch die ausschießliche Verwendung der quadratischen Leinwand verstärkten, hieratischen Ausprägung, die Baumstämme seiner Waldbilder ragen wie die Säulen einer Kathedrale in die Höhe, wie Koja interpretiert. Der naturmystische Beigeschmack orientiert sich aber an Nietzsches Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen und nicht an einem romantischen Pantheismus. Es ist eine gottlose Mystik, wie wir sie auch aus der Literatur - etwa in Musils "Verwirrungen des Zöglings Törleß", im Chandos-Brief von Hugo von Hofmannsthal oder auch aus Peter Altenbergs Skizzenreihe "See-Ufer" - kennen, jenes Altenberg, der auch in der "Revue blanche", der Zeitschrift der Nabis, als Autor auftrat. Trotzdem eröffnet die Schönheit der Bilder einen offenen Raum der Entrückung, wie Klimts Freund Hermann Bahr formuliert: "Übrigens fühl' ich jetzt erst ganz, wie wunderschön sein Leben in den letzten sechs, sieben Jahren war, nachdem er sich völlig entrückt hatte. Zur vollständigen österreichischen Existenz gehört nun einmal diese Entrückung." Dass dieser Raum der Entrückung erst nach dem Ende der zeitlichen Existenz wahrgenommen wird, tut nichts zur Sache, weil man - zumindest in Wien - erst nach dem Tod wirklich lebt.

Gustav Klimt, Landschaften

Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Bis 23. Februar 2003

Dienstag bis Sonntag (sowie 23. 12. und 30. 12) von 10 bis 19 Uhr geöffnet, 24. 12. und 25. 12. geschlossen

Koja Stephan (Hg.), "Gustav Klimt, Landschaften", München (Prestel) 2002

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung