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"Malerei und Skulptur im Wettstreit" im Haus der Kunst, München.

Es war im März des Jahres 1547 als Benedetto Varchi vor der Accademia in Florenz zwei Reden hielt. Thema des einflussreichen Historikers, Dichters und Philosophen war der schon lange schwelende Wettstreit der Künstler, ob denn die Malerei der Skulptur überlegen sei oder nicht umgekehrt jener der Vorrang gebühre. Mit einer im Vorfeld durchgeführten, spektakulären Meinungsumfrage - es war die erste über Kunst - hatte Varchi die heimischen Künstlergrößen in die öffentliche Debatte eingebunden. Acht schriftliche Stellungnahmen lagen vor, in denen die Maler wie die Bildhauer jeweils für ihre Position argumentierten. In der Doppelbegabung Michelangelos sah Varchi die Lösung: gemeinsames Ziel von Skulptur und Malerei sei die künstliche Nachahmung der Natur, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln, und beide seien sie gleichermaßen der Zeichnung (disegno) verpflichtet.

Hatte schon Leonardo da Vinci diesen Vergleich (paragone) zwischen Malerei und Skulptur erörtert, so fand man sich im 16. Jahrhundert in Italien auf dem Höhepunkt der Diskussion und des künstlerischen Wettbewerbs. Denn die eigentliche Auseinandersetzung fand unter den Künstlern selbst statt, die in einem neuen Selbstverständnis als gebildetes und sozial angesehenes "Individuum" (J. Burckhardt) sich der Darstellung des Menschen und seiner Welt zuwandten.

Welche künstlerischen Impulse von dem - nicht beendeten - Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur ausgingen, veranschaulicht in großer Vielfalt eine Ausstellung im Münchener Haus der Kunst. Mehr als 200 Gemälde, Skulpturen und graphische Werke aus der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert geben nicht nur Einblick in die Geschichte der Kunst, die Werke selbst sind es, die Kunst-Geschichten erzählen. In oft erstaunlichen Bildfindungen präsentiert sich die Selbstinszenierung der Kunst und der Künstler, auch in dem Bestreben, im Werk die eigene Vergänglichkeit zu überwinden.

Dem Anspruch des Künstlers, nicht mehr Handwerker, sondern Schöpfer zu sein, entsprach die Vorstellung von der Einheit der Künste. "Merkur", zusätzlich mit Pinseln und Palette als Schirmherr der Malerei ausgewiesen, "Minerva" mit Helm, Speer und Eule, so zeigen sich die Schutzpatrone der Wissenschaft und Künste auf großformatigen Historienbildern (Hendrik Goltzius, 1611). Aber nicht nur die antiken Götter wurden bemüht. Ruhmreiche Vorbilder wie die griechischen Maler Zeuxis und Appelles, berühmt wegen ihrer malerischen Raffinesse, gehörten zum neuen Themenkatalog. Mit Appelles, der als hochangesehener Künstler im Dienste Alexanders des Großen dessen Geliebte Kampaspe im Tausch gegen das von ihr gemalte Porträt erhielt, verband die Maler die hohe Einschätzung der eigenen Person und der künstlerischen Leistung. So würdigt etwa Joos van Winghe seinen Malerfreund Daniel Soreau, der als Appelles Kampaspe malt und, getroffen vom brennenden Pfeil Amors, inspiriert ist von Eros.

Dem Heiligen Lukas als Maler an der Staffelei vor der Madonna mit den Jesuskind ist es auf Grund seiner künstlerischen Vision gegeben, die Erscheinung der - auf Wolken schwebenden - Muttergottes im Bilde festzuhalten. Im Laufe der Zeit verlagert sich die Szene aus dem sakralen Raum (Israhel von Meckenem, um 1475) in das Atelier des Künstlers (Luca Giordano, um 1659), ersetzt die Allegorie von Inspiration und Erfindungsgeist die Anwesenheit von Mutter und Kind (Salomon de Bray, um 1650) dank des ingenium des ausführenden Künstlers.

Im Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur hatten die Künstler mit den entsprechenden allegorischen Personifikationen, nackten oder teilweise entblößten weiblichen Gestalten, ihr kongeniales Thema gefunden, das in großer Variationsbreite thematisiert wird. In Gesellschaft der freien Künste wetteifert Pictuara mit den Allegorien von Musik und Poesie um die eindringlichste Erfassung der Schönheit der Venus (Hans Rottenhammer d. Ä.). Gedankliche Erfindungskraft ist ihre Stärke, verkörpert in Sebastiano Riccis formatfüllender üppiger Halbfigur, die mit konzentriertem Blick und leichter Neigung des lorbeerbekränzten Kopfes an einem Gemälde arbeitet. In Marmor gemeißelte Allegorien von Skulptur und Malerei aus dem 17. Jahrhundert zeigen sich nur auf den ersten Blick friedlich vereint, die subtile Betonung der Sculptura ist unübersehbar.

Auch mit dem Vorzug der Allansichtigkeit einer dreidimensionalen Skulptur konnte kein Triumph über die Malerei erzielt werden. Mit dem vielzitierten Thema der Drei Grazien bot sich auch in der Malerei die Möglichkeit, im kunstvollen nebeneinander unterschiedliche körperliche Projektionen, sowie die Kenntnis antiker Bildwerke vorzuführen. Die Wechselwirkungen von Malerei und Skulptur waren vielfältig und gegenseitig befruchtend, wie etwa ein Vergleich zwischen Dürers Bildtafel und Stich "Martyrium der hl. Katharina" und einem flachgeschnitzten Holzrelief mit dem gleichen Thema zeigt. Den stark gedrehten, ineinader verschlungenen Körpern Bartholomäus Sprangers wiederum entsprechen die plastischen Werke eines Hubert Gerhard oder Caspar Gras.

Im Selbstbildnis definiert der Künstler sich selbst, seine gehobene Stellung, spielt mit gespiegelten Ansichten, verweist auf Skulptur oder Zeichnung, antike Studienobjekte. Die Selbstporträts von Annibale Carracci, Johannes Gumpp und Rembrandt "als Zeuxis" zählen hier zu den eindrucksvollsten Beispielen.

Der Künstler inmitten imaginärer oder dokumentarischer Sammlungen zeigt sich Sammlern und Kunden ebenbürtig. In den Galeriebildern des 17. Jahrhunderts vermittelt er in allegorischen Anspielungen seine Kenntnisse über bedeutende historische und zeitgenössische Werke. Solche Gemälde sind Bilderbücher der Kunstgeschichte, die den Betrachter zum Schauen und Nachdenken herausfordern - bis hin zu den Ikonoklastischen Eseln, die überkommene Kunstwerke und Kulturgüter in Stücke schlagen.

Mit der erneuten Antiken-Rezeption im 18. Jahrhundert waren die bedeutendsten Skulpturen Herkules Franese, Torso vom Belvedere, Laokoon und Apoll vom Belvedere Objekte künstlerischer Studien vor Ort (Rubens, Bernini und Turner), aber auch für Generationen von Malern und Bildhauern in den Akademien. Einen Ausblick auf die Selbstreflexion der Kunst im 20. Jahrhundert liefert der ausgezeichnete Katalog "Vom Kunstzitat zur Metakunst".

Bis 5. Mai

www.hausderkunst.de

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