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Leitbilder christlicher Kunst

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„Es ist keine Übertreibung, die pseudochristliche Kunst hat ihren Beitrag zum Niedergang des Christentums in der modernen Zeit geleistet. ..“ Diese fast erschreckend anklägerischen und nicht minder mahnenden Worte des Schweizer Pastors Walter Nigg stehen im Katalog der I. Biennale christlicher Kunst der Gegenwart, die im Jahre 195 8 in den Oratorien des Salzburger Domes abgehalten wurde. Die aufrüttelnde Feststellung eines Protestanten deckt sich durchaus mit der Einsicht der Initiatoren- dieser Schau, Benediktinerpaters Professor Thomas Michel und Bildhauers Professor Toni Schneider-Manzell; sie hatten die praktische Konsequenz aus den Diskussionen der Salzburger Hochschulwochen des Jahres 1953 gezogen, die in der Erkenntnis mündeten, daß eine Stellungnahme zur religiösen Kunst der Gegenwart — erfolge sie nun von Seiten der Theologen, schaffender Künstler oder auch des Kirchenvolkes — immer zugleich eine Stellungnahme zur christlichen Existenz in der Zeit ist. Wie vielfältig, oft revolutionär, aber auch unausgeglichen die dazu beschrittenen Wege sind, zeigte eine 1956 tastend versuchte kleinere internationale Ausstellung in Salzburg ebenso wie die b Biennale christlicher Kunst der Gegenwart im Jahre 1958. Nur von einer periodisch wiederkehrenden Ausstellung versprach man sich eine Klärung und Läuterung der aktuellen Probleme des christlichen Kunstschaffens.

Diese Biennale findet gegenwärtig zum zweiten Male statt und bezeugt neuerlich, wie notwendig und fruchtbar — zunächst grundsätzlich gesehen — diese Salzburger Initiative war. Denn sie erlaubt zumindest eine weitgespannte Übersicht (beteiligen sich doch allein 15 Länder an der Ausstellung) und ermöglicht damit eine umfassende Diskussion über die neueste Entwicklung. Allerdings, die verwirrende Fülle des Materials, die man in diesem Jahre mit der. Proklamierung eines Leitthemas einzudämmen hoffte, besteht nach wie vor. Es zeigte sich, daß auch unter dem Motto „Altarraum und Eucharistie“ nahezu alles unterzubringen ist, womit sich christliche Kunstübung befaßt: vom Glasgemälde bis zur Monstranz, vom Altartisch bis zu Paramenten, vom Kelch bis zur Architekturzeichnung. Konventionelles steht neben Abstraktem, Beton neben Holz, Graphik neben Textilien. Und neuerlich schien auch für manchen Beitrag der ausdrückliche Hinweis des Salzburger Erz-bischofs durchaus am Platze, daß mit der Aufnahme für das einzelne Werk weder eine kirchliche Billigung gegeben noch dessen Anerkennung als Ars sacra verbunden sein könne.

1 Dien ..zentrale Hinordnung auf dasCiAbendmäM wirktet sich am .augenfalligslsen immoderaeiwKiwbeir-bft.a/us.iunji.so ist denn Jj t wiMßmah er architekturbetont als die erste. Die,Akzentuierung des Gemeinschaftscharakters bei der Eucharistiefeier inspiriert im wesentlichen die neuen Konzeptionen der kirchlichen Architektur. Länder, wie zum Beispiel Deutschland, in denen nach dem Kriege Sehr viel gebaut werden mußte, haben denn auch hierzu vielseitige, wenn auch mitunter etwas modernistische Gestaltungen beizutragen. Bewährte Namen, wie Rudolf Schwarz oder Werner Groh, stehen unter den wohl gültigsten Lösungen. In Italien wirkt sich die unter Führung des Kardinals Lercaro von Bologna tätige Liturgische Bewegung geradezu beispielhaft im Kirchenbau aus: das demonstrieren die Photos und Zeichnungen der vom Architekten Trebbi-Gresleri arrangierten italienischen Abteilung. Aus Österreich sind einige hervorragende Arbeiten der jungen Architektengeneration bemerkenswert (Krawina und Schmutzer. Lorenz. Lang, Czernin, Jakubec und Robert Kramreiter); neben neuen Kirchenbauten aus Wien (Pal-lotinerkirche, Wien XIII, S. Maria Goretti und Pfarrkirche Am Schüttel) ist Salzburg mit der vielbeachteten Kapelle der Eucharistinerinnen und dem Modell einer „Zeltkirche“ von Brandstaetter vertreten.

Mit dieser Erwähnung des architektonischen Teiles der Ausstellung an erster Stelle soll durchaus dem Eindruck Rechnung getragen werden, daß die Baukunst aus einheitlicherer geistiger Sicht ihr Profil erhält, als dies etwa bei der im Niveau recht unterschiedlichen bildenden Kunst der Fall ist. Im Hinblick auf zahlreiche interessante Lösungen bei Glasfenstern darf man jedoch feststellen, daß hier eine hohe Meisterschaft wiedergewonnen wurde, die sich über mehrere Nationen erstreckt. Im übrigen dürften die in Salzburg vereinten Objekte keineswegs immer einen repräsentativen Querschnitt durch das christliche Kunstschaffen der einzelnen Nationen darstellen; manche Staaten sind überhaupt nur durch vereinzelte Werke vertreten, so zum Beispiel England, Polen oder Jugoslawien.

Die betonte Aufmerksamkeit, die dem künstlerischen Beitrag der protestantischen Niederlande zuteil wird, folgt dem Empfinden für echte Qualität, die tiefem Bemühen um künstlerische Gestaltung aus einem ursprünglichen christlichen Geiste entspringt. Auch die wenigen spanischen Beiträge reichen weiter unter eine glänzende Oberfläche als so manche „gekonnte“ Form aus mitteleuropäischen, avantgardistischen Bereichen. Ebenso spontane Zustimmung wie radikale Ablehnung findet ein aus schwarzem Gitterwerk geschmiedetes Eisenkreuz als Monstranz, ein Werk des Spaniers Jose Luis Coomonte. Nicht minder bewiesen einige kompromißlose Gestaltungen aus Irland, daß gerade in bisher weniger beachteten Ländern plötzlich ganz neue Kräfte spürbar werden.

Sicher können nicht alle Werke der diesjährigen Schau als „Ausdrucksform lebendigen Christentums“ feiten; (und.-es äwäre wichtig, daß strengere Maßstäbe dw'.Auiwalil: bestimmen,-sei es.bereitsbei den natio- a\cn-%pn$ietMiMtf.shep durch .eine. Jury jwi,bm,r terer Basis.- Nur“ so wird man dem hohen Sinn einer solchen unbedingt zeitnotwendigen Veranstaltung in den kommenden Jahren gerecht zu werden vermögen: Leitbilder für den weiteren Weg herauszustellen.

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