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Zwei Ausstellungen in Wien beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Kunst und Liebe. Und sind doch völlig verschieden.

Gepriesen sei die erste süße Qual / der Strahlen ihres Blicks, die mich bezwangen, / die Pfeile Amors, die mein Herz durchdrangen, / die Herzenswunden tief und ohne Zahl." Mit diesem und ähnlichen Versen verherrlichte Petrarca sein Liebessehnen nach der unerreichbaren Laura, nachdem er dieser am Karfreitag des Jahres 1327 in der Kirche der Heiligen Clara in Avignon begegnet war. Er wurde damit zu einem Ahnherrn all jener Modelle schmerzlichen Sich-Verzehrens, wie sie unzählige Literaten und Maler in den nachfolgenden Jahrhunderten auf Papier und Leinwand brachten. Zwei Ausstellungen in Wien zeichnen einige der Entwicklungslinien mit ganz anders gelagerten Strategien nach.

Selige Sehnsucht

Die Kunsthalle Wien bietet eine Tour de force durch die letzten fünf Jahrhunderte. Beginnend mit jenen Bildern der Liebe, die im christlich-platonischen Konzept zur sittlichen Vervollkommnung des Menschen anregen sollten. So lugt auf Albrecht Dürers Blatt "Der Spaziergang", das zentral ein Pärchen zeigt, hinter einem Baum Gevatter Tod hervor, eine Sanduhr wie eine Trophäe präsentierend: ein klarer Hinweis, dass sich die Liebe der beiden vor dem Anspruch der Ewigkeit zu bewähren habe. Freilich blieb es nicht bei diesem Fingerzeig - die Liebe, als Venus ins Bild gesetzt, verkörperte dieses Ideal ebenso oft auf eine frivole und beschwingte Weise.

Im 19. Jahrhundert versammelte sich die gesamte Bandbreite möglicher Inszenierungen zu jenem erschütternden Nebeneinander, das bis heute anhält. Die Präraffaeliten feierten nochmals die hehren Wunschvorstellungen von Liebe, wobei zumindest Dante Gabriel Rossetti das märchenhafte Moment des Höfisch-Erhabenen in den privaten Kontext übersetzte.

Parallel dazu schwadronierte der Symbolismus in rätselhaften und dunklen Tönen, wie bei Max Klinger etwa, so nicht überhaupt die lichten Aspekte der Liebe, wie bei Edvard Munch, massiv eingehüllt sind in eine andauernde Trübe; ganz anders interpretiert findet sich die Venus in Pariser Boudoirs, Tanzbars oder im öffentlichen Park wieder.

Verschmelzung und Distanz

Das Disparate der verkörperten Liebe jedoch bleibt aufrecht. So erzählt zwar Gustav Klimt in seiner ornamental-sinnlichen "Liebe" von der Schönheit vollkommener Übereinstimmung, dem hält aber etwa Ernst Ludwig Kirchner die unüberbrückbaren Distanz zwischen den Menschen dagegen. In ihren grenzenauslotenden Paarexperimenten stellt sich Marina Abramovic ihrem Partner Ulay, zwischen ihnen ist Amors Liebesbogen tatsächlich gespannt. Die Frau hält den Bogen, der Mann den Pfeil, der auf der bis zum äußersten gespannten Sehne sitzt und auf das Herz der Frau zielt.

Bei all diesem ehrlichen Kampf um die wahre Liebe darf aber auch der Hinweis auf die ausbeuterische Seite nicht fehlen. Daher legt Katharina Fritsch ein großes Herz aus Geldstücken am Boden auf und Jean-Jacques Lebel appliziert einen "Reliquienschrein für einen Venuskult" an die Wand, der in riesigen Lettern das Wort "Amor" umreißt. Die Begrenzungen für den Schriftzug spenden aber aneinander gereihte Fotografien, die zu Sexualobjekten degradierte Frauen zeigen.

Einen anderen Weg beschreitet man in der BAWAG Foundation, dort finden sich zwei Begriffe liebevoll vereint, von denen man das nicht unmittelbar annehmen würde: Romantik und Konzeptualismus. Letzterer ist meist eine linguistische Idee, Sol LeWitt formuliert in seinen "Paragraphen zur Konzeptkunst": "Die Erwartung eines emotionalen Kicks, an den man durch die Expressionistische Kunst gewöhnt ist, würde die Betrachter davon abhalten, die Konzeptkunst wahrzunehmen." Und trotzdem bearbeitet die Konzeptkunst ebenso jene Emotionen, die man gerne einem romantischen Zugang vorbehalten lassen möchte. Zwei Jahre später komplementiert LeWitt seine Aussagen, indem er den Konzeptkünstler eher als einen Mystiker, denn als einen Rationalisten charakterisiert.

Romantik und Konzept

Wenn sich nun die Konzeptkunst zum Beispiel der zwischenmenschlichen Zuneigung in Form eines Kusses oder der abgrundtiefen Traurigkeit anhand eines weinenden Menschen zuwendet, so liegt der wesentliche Unterschied zu einem expressionistischen Zugang in der Art und Weise, in der das Material eingesetzt und gezeigt wird; paradigmatisch nachvollziehbar an Andy Warhols Film "Kiss". Man sieht einfach sich küssende Menschen, ohne das übliche Drumherum eines Hollywood-Films: keine liebliche oder theatralische Musik im Hintergrund, keine geschickt gesetzten Schnitte, um dramatische Perspektiven anzubieten, die Kamera verharrt statisch und es gibt auch keine Stimme, die zum Gesehenen eine mehr oder minder fantastische Geschichte erzählen würde. "Es ist, was es ist, sagt die Liebe." Der Vers könnte Erich Fried bei einer Arbeit wie dieser eingefallen sein.

True Romance

Allegorien der Liebe

von der Renaissance bis heute

Kunsthalle Wien

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.kunsthallewien.at

Bis 3.2.2008 tägl. 10-19, Do 10-22 h

Katalog: Belinda Grace Gardner u. a. (Hg.), True Romance. Allegorien der Liebe von der Renaissance bis heute, Köln 2007, 264 S., € 29,-

Romantischer Konzeptualismus

BAWAG Foundation

Tuchlauben 7a, 1010 Wien

www.bawag-foundation.at

Bis 1. 12. Mo-Sa 10-18 Uhr

Katalog: Ellen Seifermann, Jörg Heiser (Hg.), Romantischer Konzeptualismus - Romantic Conceptualism. Bielefeld 2007, 216 S., € 22,-

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