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Linz als hulturpolitilches Zentrum

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Während man früher Linz im allgemeinen nur als Durchreisebahnhof zur Kenntnis genommen hatte, ist dies in den letzten Jahrfünffen grundlegend anders geworden. Jeder Besucher der Stadt staunt über den gewaltigen Aufbruch, über die „Stadt der Arbeit", über die bauliche Expansion, die längst die Verwaltungsgrenzen gesprengt hat. Linz wächst nach allen Seiten, insbesondere in breitem Strom in die Welser Heide hinaus. Diesem äußeren Erscheinungsbild entspricht ein innerer geistiger Aufbau, der dem österreichischen Mittelpunkt der Schwerindustrie ein kulturelles Gegengewicht schaffen muß. Dieses Ziel wurde seit jenem Zeitpunkt ins Auge gefaßt, als die große Industrialisierungswelle über den Großraum Linz kam. Insbesondere erkannten im Jahre 1945 nach dem Zusammenbruch zu Kriegsende die verantwortlichen Männer und Frauen der Stadtverwaltung unter Führung des Bürgermeisters und Kulturreferenten Dr. Ernst Köret die Notwendigkeit, neben dem materiellen Aufbau mif gleicher Intensität und gleichem Schwung den seelischen Aufbau unseres Volkes zu fördern.

Die seinerzeit bestandenen Kultureinrichtungen wurden zum größten Teil wieder aufgebaut; sie reichten aber nicht aus, so daß bedeutsame Neugründungen erfolgen mußten.

Daß in einer Stadt, die Zehnfausende von Flüchtlingen aus den Nachbarländern aufzunehmen hafte, und die auch zum Aufbau und Betrieb der Schwerindustrie zahlreiche Fachkräfte aus dem In- und Ausland braucht, in erster Linie die Volksbildung gepflegt wird, bedarf wohl keiner langen Begründung. Mußten doch die bodenfremden Elemente in Linz erst richtig Fuß fassen und hier eine neue Heimat gewinnen, bevor sie zu den hohen Stätfen der Kunst und Wissenschaft eine engere Beziehung finden konnten. In Erkenntnis dieser Tatsache hat die Stadt in enger Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer eine Volkshochschule ins Leben gerufen und als einzige große Stadi Oesterreichs als städtische Einrichtung aufgebaut. Die Kurse der Volkshochschule wurden im Jahre 1958 von 19.326 Menschen besucht; da ein Kurs durchschnittlich zwölf Abende dauert, konnte die Volkshochschule etwa 232.000 Kursbesuche verzeichnen; hiezu kommen 64.547 Besuche von Einzelveranstaltungen. Pro Abend wird die Volkshochschule von gut 2000 Personen besucht.

Die Wiedererrichtung der Stadtbücherei führte, bald über die seinerzeitige Einrichtung hinaus zu einem die ganze Stadt umspannenden Netz von Zweigbüchereien, die zum großen Teil in Neubauten aufgenommen werden konnten.

Als drifte große Einrichtung der Volksbildung führt die Stadt Linz neben dem Bruckner-Konservatorium des Landes eine eigene Musikschule, die auch dezentralisiert arbeitet. Von über 70 Lehrkräften werden in 14 Zweigstellen gegen 3000 Linzer Kinder und Jugendliche in allen gängigen Instrumenten und im Gesang unterrichtet. Der glänzende Aufbau der Musikschule geht auf die Weisung des Kulturreferen- ten Dr. Ernst Koref zurück, jedem Linzer den Zugang zur Musik zu öffnen.

Schon dieser Hinweis auf die drei großen Volksbildungseinrichtungen, die die Stadt führt, beweist, daß weite Bevölkerungskreise erfaßt werden konnten. Die Arbeit hat aber durch ihre großzügige Auffassung und Planung bereits weit über die Grenzen der Stadt hinaus Wurzeln geschlagen. Die überlokale Zusammenarbeit wird ernsthaft gepflegt und haf zur gegenseitigen Befruchtung schon wesentlich beigetragen.

Neben der Volksbildung galt es aber auch, der Kunst und Wissenschaft Heimstätten in Linz wieder- bzw. neu zu errichten. Besonders in die Augen springend waren die Neugründung der Kunstschule der Stadt Linz und der Neuen Galerie.

Die Kunstschule wurde nach dem Vorbild der bestehenden Kunstakademien aufgebaut und umfaßt heute Meisferschulen für Malerei, Graphik, Schrift, Bildhauerei und Innenarchitektur. Durch besonderen Ausbau der Werkstätten ist die Schule in der Lage, den Studenten auf seinem Weg zum freischaffenden Künstler auch mit dem Handwerklichen der Kunst bestens vertraut zu machen. Die Kunstschule wird von Schülern aus ganz Oesterreich besucht.

Die Neue Galerie der Stadt Linz ist ein leuchtendes Beispiel für den Kulturwillen einer österreichischen Stadt nach dem Zusammenbruch des zweiten Weltkrieges. Als der Kunsthändler und Galeriebesifzer Wolfgang Grulift, der seine Bilder aus Luftschutzgründen im Salzkammergut verlagert hafte, nach dem Krieg nicht mehr nach Berlin zurück konnte und sich in München ein neues Domizil errichtete, mußte ėr den besten Teil seiner Galerie verkaufen. Die Sfadf hat den Besitz um zirka zwei Millionen Schilling erworben und hierdurch einen neuen kulturellen Schwerpunkt in Linz geschaffen. In dem Museum des 19. und 20. Jahrhunderts ist der Sammelbereich als derzeit einzigem Kunstmuseum in Oesterreich international ausgerichtet. In Linz werden nicht nur österreichische, sondern auch deutsche, schweizerische und Künstler aus den Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie gepflegt. Eine eigene Abteilung ist für Wechselausstellungen eingerichtet.

Die Stadt Linz hat sich auf dem Sektor der Kunst im besonderen auch der Musik angenommen und führt eine eigene Musikdirektion, die in Symphoniekonzerten, in Kammer- und Solistenkonzerten die Verbindung zum europäischen Kunstleben herstellt. In jährlich über 70 Veranstaltungen ernster Musik konnte nach dem Kriegsende ein Besucherstock aufgebaut werden, der wiederum die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb eines Konzerthauses darstellt. Die Planung eines Konzerthauses mit einem großen Saal und einem Kammermusiksaal ist im Gange.

Neben diesen Einrichtungen, die der Kunst dienen, bietet die Stadt Linz eine großzügige Kunstförderung, die sich auf verschiedene Aktionen verteilt. Es sei nur auf die Förderung der Schriftsteller und Dichter durch den seit 1952 erscheinenden Jahresalmanach Stillere Heimat hingewiesen, der nicht nur in Oesterreich, sondern vor allem auch in Deutschland Widerhall gefunden hat, und auf die sogenannte Prozentaktion, die 1 Prozent der Bausumme für die künstlerische Ausgestaltung bei städtischen Neubauten vorsieht. In dieser Aktion wurden bisher 1,4 Millionen Schilling für 65 Kunstwerke ausgegeben.

Zum Schluß soll auch kurz der wissenschaftlichen Anstrengung gedacht werden, die die Stadt in ihr Kulturprogramm eingebaut hat. Besonderer Pflege erfreuen sich das Stadtarchiv, das Stadfmuseum und die Sfadfbibliothek mif einer reichen Publikafionsfätigkeif und regelmäßigen Jahrespublikationen (Historisches und Naturkundliches Jahrbuch). Ein Werk, das weif über die Grenzen Oesterreichs hinaus in Fachkreisen beachtet wird, stellt das Linzer Regestenwerk dar, das sich seit über 10 Jahren bemüht, die Linzer Geschichtsquellen in Urkundenauszügen aus allen Archiven des In- und Auslandes zu erfassen.

Die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung sind trotz der anerkennenswerten und zum Teil beispielhaften kulturellen Anstrengungen der Stadt nicht zur Gänze zu befriedigen, und eine Reihe ernsthafter kultureller Anliegen wartet noch auf Realisierung. Nichtsdestoweniger darf gesagt werden, daß die Stadt Linz auch kulturell auf dem besten Weg ist und heute schon ein kulturpolitisches Zentrum Oesterreichs genannt werden kann.

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