6641377-1957_47_15.jpg
Digital In Arbeit

Lob der Kammermusik

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einem aparten und vielseitigen Programm, das von Bernard de Ventadour über Purcell und Telemann zu Debussy und Ravel reichte, verband Jeän-Paul J e a n o 11 e aus Kanada eine vielseitig ansprechende Ausdrucksskala und Stilgewandtheit. Seine vorzüglich geschulte Stimme, ein tenoraler Bariton, und der durchgeistigte Vortrag gaben dem Abend ein besonderes Gepräge, daran auch die Mitwirkenden, Hermann Nordberg, Werner Tripp, Jörg Polzin, Helmut Weis und Otto Blecha, in der instrumentalen Begleitung ihren lobenswerten Anteil hatten. — Norman Foster, im stimmlichen Volumen ungleich breiter und größer, verstand in den „Vier ernsten Gesängen“ von Brahms und einigen sorgfältig ausgewählten Negro-Spirituals überzeugende Atmosphäre und tiefen Eindruck zu erwecken, was ihm bei Schubert und Richard Strauss nicht in der gleichen Stärke gelang. Seine Stimme hat etwas Tröstendes und menschlich Warmes — und vermag eben deshalb gleichsam nicht über den eigenen Schatten zu springen, bringt uns Fremdes näher als ihr Fremdes. —. Göta Blomberg (Finnland). eine große Wagner-Stimme von ausgezeichneter Schulung und Ausgeglichenheit, sang Lieder von Yrjö Kilpinen, von denen die in finnischer Sprache gesungenen Fjeld-Lieder am unmittelbarsten beeindruckten. Musik in sauberster Sphäre, aber doch arm an Spannung.

Alexander Brailowsky spielte Chopin in persönlich betonter, etwas freier Art, in der das Rubato eine wesentliche Rolle spielt; immerhin ist seine Persönlichkeit stark genug, dennoch ein gültiges Bild Chopins und ein unmittelbar profiliertes zu schaffen, in der souveränen Weise des eigenwilligen Interpreten, dem das Kunstwerk sich subjektiv offenbart. — Helen und Karl Ulrich Schnabel spielten in sorgfältigster Ausgewogenheit Originalwerke für Klavier vierhändig, darunter die Sonate op. 70 von Ernst Krenek, die ihr österreichisches Herkommen keineswegs verleugnet, und einige der entzückenden „Jeux d'Enfants“ von Georges Bizet, die man, da die Literatur an Originalkompositionen ohnedies nicht reich ist, gerne öfter hören möchte. Stücke von Mozart, Schubert und Mendelssohn ergänzten das Programm. — Einen Cembaloabend mit Stücken von J. S. Bach hörten wir von Isolde A h 1 g r i m m. Es läßt sich in dieser Art kaum Runderes, Fluidareres denken; um so bedauerlicher, daß die Goldberg-Variationen, das für Cembalo zweifellos interessanteste Werk, erst 4fn Schluß des Programms bildeten, das bei aller Begeisterung den Hörer infolge des leisen und etwas monotonen Cembalotons ermüdet.

Das Kammerorchester der Konzerthausgesellschaft unter Leitung Paul Angerers hatte ein sehr systematisch angelegtes Programm von Klassik, Romantik und Moderne (Purcell, Händel, Spohr, Bruckner und Hindemith) mit leider zu geringem Atem der Ausführung. Stilistisches und künstlerisches Profil der Wiedergabe hatte eigentlich nur Paul Hindemiths Thema mit Variationen „Die vier Temperamente", besonders durch die vorzügliche Profilierung und das Temperament des Pianisten Hans Petermandl.

Im Zyklus „Oesterreichisches Musikschaffen der Gegenwart“ musizierte das Niederösterreichische Tonkünstlerorchester unter der Leitung von Gustav Koslik Werke von Marco Frank, Robert Leukauf, Hans Erich Apostel und Gottfried von Einem. Die vorangehende Toccata und Fuge von Erwin M i g g 1 für Orgel, gespielt von Claudia Tänzer, ist' ein sauber und gekonnt geschriebenes Werk mit Ansätzen zu persönlichem Profil, doch, besonders in der Fuge, an Spannung arm. Marco Franks 4. Symphonie endet nach drei langen Sätzen mit dem gleichen Ergebnis. Wesentlich lebendiger gibt sich Robert Leukaufs Serenade für Orchester, die zwar im Profanen und Banalen irgendwie hängenbleibt, aber die Effekte zu finden und zu servieren weiß. Die Variationen über drei Volkslieder von Hans Erich Apostel sind Vollblutmusik eines Meisters, auch wenn sie sich leicht und nonchalant geben. Endlich die „Meditationen“ von Gottfried von Einem, die uns ihrer großen Anlage wegen nicht recht in diesen Rahmen zu passen schienen, ihn auch sprengten, vereinen wohl die bedeutendste Aussage mit dem bedeutendsten Ernst. Franz Krieg

Die Spieltugenden des Trio di Trieste zeigten sich.am schönsten im a-moll-Trio von Ravel. Feinheit des Zusammenspiels, besonders in der hauchzarten pointillistischen Tongebung, in der Be- dachtnahme auf glatte, gut vorbereitete Ueber- gänge. Keine Einzelheit ging da verloren. Die drei Künstler, Renato Zenettovich (Violine), Dario de Rosa (Klavier) und Libero Lana (Cello), wurden im Großen Musikvereinssaal, der für Kammermusik nicht gerade sehr geeignet ist. begeistert gefeiert.

Wienerischer im Zuschnitt war die Interpretation des internationalen Programms, das unser Konzerthausquartett (die Herren Kämper, C. M. Titze, Erich Weis und Beini) vorstellte. Besonders hervorzuheben war der Ausklang des Quintetts op. 88 von Brahms (zweite Viola: Helmut Weis), der leidenschaftliche Gefühlsausdruck im Klavierquintett op. 51 von Florent Schmitt (Klavier: Eduard Mrazek).

Franz Bruckbauer errang als Solist des Konzerts für Violine und Cembalo von Haydn im Verein mit dem Kammerorchester der Konzerthausgesellschaft unter Michael Gielen zusammen mit Hans Petermandl und Paul Angerer einen ungewöhnlichen Erfolg. Hier dokumentierte sich beste Wiener Streicherschule.

Der Donkosakenchor unter Serge Jaroff war diesmal vor allem in den geistlichen Gesängen ausgezeichnet. Nahtloses Ineinandergehen der Stimmgruppen, Sicherheit im Tempowechsel und sorgfältiges Durchdenken aller Texte gaben den Konzerten des Chors, der sich bei uns besonderer Beliebtheit erfreut, das Gepräge.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung