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Loden, Tüü und Seide — der Weg zum Modedesigner

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Der Weg zum Modedesigner ist hart. Talent alleine genügt noch lange nicht. Eine Ausbildung an der Modeschule Hetzendorf erhöht die Karrierechancen allerdings gewaltig. 50 Jahre jung ist diese Wiener Traditionsschule heuer, die jährliche Modenschau und eine umfassende Jubiläumsausstellung zeigen, was hier schon alles geleistet wurde. Ein Grund zum Feiern und zu einem Blick in Vergangenheit und Zukunft.

Sektkorken knallen, die Stimmung im Studio ist ausgelassen: der Streß der letzten Wochen entlädt sich endlich: die neun Schülerinnen des Spe-ziallehrganges haben ihre Diplompräsentationen hinter sich gebracht. Kleiderpuppen zieren den Raum, auf den Plakaten dahinter werden Wer-be-und Marketingkonzepte für verschiedene Firmen präsentiert.

Graf Bobbys Gloriette Hemd posiert mit Schnöselimage vor der Gloriette, ein lässiger Damenskioverall ziert die Wand daneben, gegenüber findet sich eine Wendejacke in den Knallfarben grün und blau, ein cooles Jeansteil läßt sich mittels Zippverschluß in zwei verschiedenen Längen tragen.

Die Ideen der zukünftigen Designerinnen sind vielfältig, die Stücke sorgfältig und aufwendig genäht, das Bemühen um ein einheitliches Marketingkonzept ist ernsthaft durchgeführt und überzeugt. Sogar Biostoffe wurden von einer Absolventin verwendet.

Das Schulkonzept, das vor allem auf Kreativität, praxisorientierte Ausbildung, Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und handwerkliches Können setzt, ist also in dieser Klasse aufgegangen. Trotzdem werden es die jungen Frauen nicht leicht haben, sich im Modezirkus durchzusetzen.

Norbert Peter, der für die Öffentlichkeitsarbeit dieser von der Gemeinde Wien geführten Schule zuständig ist, blickt trotzdem zuversichtlich in die Zukunft: „Die Chancen für unsere Mädchen sind sehr gut, wenn sie kreativ und flexibel sind. Im Modedesign liegt die Zukunft.” Viele der Absolventinnen sind als Modistinnen auch ans Theater und in den Kostümbereich gegangen.

Mit der fundierten Ausbildung der Schule, die mit Design, Gestaltung, Schrift, figuralem Zeichnen, Perspektive, Farbkomposition, Modegrafik und anderen Fächern eine breite Palette künstlerischer Fertigkeiten im Lehrplan hat, stehen den fertigen „Hetzendorfern” alle Wege zu einer künstlerischen Tätigkeit offen.

Ab dem nächsten Jahr wird die Schule noch um den Maturaabschluß aufgewertet, wodurch sie von der „nur Modeschule” zur „Höheren Schule für Produktdesign ^ind Produktgestaltung” aufrückt. Elterlichen Zukunftsängsten wird dadurch der Wind aus den Segeln genommen. Die neuen Absolventinnen können europaweit wettbewerbsfähig auf Jobsuche gehen. Trotz allem bemüht man sich, neben.den dazukommenden Maturaanforderungen den künstlerischen Aspekt nicht zu kurz kommen zu lassen. Die Lehrer werden dieselben bleiben, und auch der kreative Geist, der jetzt in allen Sälen des herrschaftlichen Schlosses Het-Strenge Auswahl zendorf herrscht, soll weiterwalten.

135 Mädchen und 15 Burschen haben heuer hier die Schulbank gedrückt und in den Werkstätten geschwitzt. Ungefähr 35 von ihnen haben bereits einen Maturaabschluß an einer anderen Höheren Schule. Sie sind erst später zur Mode gestoßen und haben den dreijährigen Spezial-lehrgang in Hetzendorf, der pro Jahr 10.000 Schilling kostet, belegt. Die anderen beginnen bereits mit etwa 14 Jahren und drücken fünf Jahre lang die Schulbank.

Anfangs ist die Ausbildung für alle gleich, in den letzten beiden Jahren muß man sich dann für ein Spezialgebiet am Modesektor entscheiden. Allerdings kann nicht jeder nach Hetzendorf kommen: anhand eines Gespräches, einer Werkmappe und einer Prüfung werden die zukünftigen Schülerinnen und Schüler auf ihre künstlerischen Qualitäten hin abgeklopft, bevor sie den Lehrgang beginnen können.

Höhepunkt eines Arbeitsjahres ist die meist fulminante Abschlußschau. Die größten und hübschesten Schülerinnen, sowie ein paar mutige männliche Kollegen schreiten professionell über den Laufsteg.

Die Stimmung im Festzelt auf der Wiese ist gespannt, herzförmige Paschen aus rotem Lack, mit oder ohne Liebespfeil, überdimensionierte grellbunte Tüten, phantasievolle Hutkreationen aus Stroh, helmartige Metallkopfbedeckungen, sowie die verschiedensten Färb- und Materialkombinationen lassen' Mailänder oder Pariser Flair aufkommen.

Die Palette reicht von langen, wollenen Wickelröcken in braunroten Naturtönen der Strick-und Wirkmodeklasse bis hin zu ganz zarten, leichten, duftigen, transparenten Seideoder Tüllgewändern.

Ob lang oder kurz, betont weiblich oder rockig hart, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, erlaubt ist, was gefällt. Die gezeigten Modelle sind so unterschiedlich wie die Charaktere der Designer und Desingerinnen.

Für die Schülerinnen und Schüler gab es heuer eine besondere Herausforderung: In Workshops arbeiteten sie mit dem Chefdesigner der Firma Bochas, Peter O'Brien zusammen. Es ging darum, zum neuen Rochas Parfüm „Fleur d'eau” das passende Gewand zu entwerfen. Zum eigens entwickelten Flacon, zur designergestylten Verpackung für einen ganz besonderen Duft sollte also auch die passende kleidsame Hülle entworfen werden. „Materialmix” hieß die Lösung für die Schülerinnen und Schüler der vierten und fünften Klassen, und bei den Materialien liegt auch die wirklich hohe Kunst der Mode.

Immer neue Textilien und Gewebe stellen die Modisten vor besondere Anforderungen, denn erst am fertigen Kleidungsstück läßt sich sehen, ob der Stoff wirklich so fällt, wie man sich das vorgestellt hat.

Mutig wurde kombiniert: österreichische, traditionelle Lodenstoffe gingen Symbiosen mit Kunstgeweben und Farben ein, Männer wurden in neonfarbene Plastikanzüge gesteckt, und sogar vor dem männlichen

„Darunter” schreckte man nicht zurück.

Beim Umgang mit dem weiblichen Körper war von bauchfrei figurenbetont bis hin zu kunstvoll geschuppten, entfremdenden Kleiderskulpturen alles zu sehen.

Die Schüler und Schülerinnen der zweiten Klasse gingen bei ihrer Darbietung von Eifert, Magiern und Fabelwesen am weitesten: kunstvolle mit Tüll überspannte Drahtgebilde oder spiralförmige Gerippekonstruktionen erinnern an das Bauhaustheater Oskar Schlemmers oder den phantastischen Realismus eines Wolfgang Hutters.

Blätter aus den Figur-Akt-und Farbkompositionsklassen machen deutlich, was Norbert Peter meint, wenn er von „Künstlerischer Ausbildung” spricht.

Für Österreichs Zukunft und kreatives Potential kann man sich jedenfalls noch möglichst viele Absolventinnen und Absolventen der Mo-dellmodisterei, Strick-und Wirkmoden, Textilentwurf, -druck, Modelllederwaren oder der Modeentwurfsklasse wünschen. Denn die hohe Kunst des „Damenkleider-Machens” hat immer Saison.

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