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London's Festival- und Cuevas-Ballett

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An sechs Abenden gastierte mit drei verschiedenen Programmen und insgesamt neun Balletten in der Wiener Staatsoper ein im Jahr 1948 gegründetes Ensemble mit dem Titel „Londons Festival Balle t“, das von Anton Dolin und Nicolas Beriozoff geschult wurde und gegenwärtig rund 100 Mitglieder zählt. Berühmteste Tänzer unserer Zeit, wie Margot Fonteyn und Yvette Chauvire, Alexandra Danilova, Marjorie Talchieff und Leonid Massine haben in und mit dem Ensemble gearbeitet, das gegenwärtig von Charles Dickson, John Gilpin und Eileen Ward geleitet wiTd und einen internationalen Ruf hat. In dem umfangreichen Verzeichnis der Solisten und des Corps de ballet liest man fast ausschließlich englische Namen. Und ausgeprägt englisch ist auch der Charakter sowohl der einzelnen Choreographien (auch wenn sie von berühmten Russen oder Franzosen stammen) sowie der Darbietungen: in ihrer Solidität, Sauberkeit und leichten Distanziertheit.

Als Reverenz vor Wien war wohl der den Reigen der sechs Abende eröffnende „G r a d u a t i o n Ball“ gedacht (Zeit: um 1840, der jährliche Ball der letzten Klasse einer Töchterschule, die sich die Kadetten der benachbarten Militärakademie eingeladen haben. Choreographie von Lichine auf Musik von Johann Strauß.) Das war, mit weitem Abstand, das Hübscheste und Witzigste, was wir in diesem Genre je gesehen haben Und das will etwas heißen, wenn man ein Dutzend sogenannter Walzerdivertissements kennt... Nach cjner guten, ideenreichen3Choreo-^gfäpTji ?wütete* anmutig und mit Humor ge-HänSr1. Bs war 'ein remeV Vergnügen.

Hierauf: „The Witch Boy“ (der Sohn des Zauberlehrlings), ein ganz anderes Genre: Handlungsballett mit nicht ganz durchsichtiger Aktion, auf eine sehr eingängige, sehr ballettmäßige, zuweilen an Strawinsky anklingende Musik von Leonard Salzedo. Hier taten sich zwei „erste Solisten* zum erstenmal hervor, die auch an den folgenden Abenden hervorleuchteten: John Gilpin und Dianne Richards. Der Choreograph Jack Carter stellt das Mädchen Barbara Allen zwischen einen sektiererischen Prediger und den Sohn des Zauberers. Diesem Liebeskonflikt fällt sie zum Opfer. Dazu hat Norman McDowell phantastische Bühnenbilder und Kostüme geschaffen, die freilich ein wenig der Einheitlichkeit entbehren.

Dann: „Bourree fantasque“, dreiteilig mit Finale, auf Musik von Cha-brier, nach der Choreographie von Balan-chine, mit vollem Einsatz des gesamten Ensembles und glänzenden Solopartien (Marilyn Burr, Card Yule-John Gilpin und Dianne Richards-David Adams). Hier wie in den vorausgegangenen und an den folgenden Abenden gegebenen Balletten sind die dezenten, meist in zarten Farben gehaltenen sparsamen Dekorationen und die geschmackvollen Kostüme hervorzuheben. (Dieses Wanderballett versteht es in der Tat, aus der Not eine Tugend zu machen!)

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Am zweiten Programm: das in Wien wiederholt gegebene romantische Ballett in einem Akt (und sieben Bildern) „L e s S y 1 p h i d e s“ auf Musik von Chopin in der dekorativen Choreographie von Fokine: bildschöne Gruppierungen und Einzelleistungen, eine Variationsfolge in Weiß, die von der ziemlich holprig und grob gespielten Chopin-Musik in der dilettantischen Bearbeitung dieser grazilen Klavierwalzer ablenkte.

Ein erster Höhepunkt: „La Eime-r a 1 d a“, ein Grand Pa de deux auf eine unwahrscheinlich banale Musik von Pugni, nach einer Choreographie Beriozoffs anmutig, elegant und virtuos ausgeführt von Marilyn Burr und John Gilpin, zwei erstklassigen Tänzern.

Und gleich darauf ein zweiter Höhepunkt: „The Snow Maiden“, nicht nach einem Märchen (wie im Programm zu lesen ist), sondern nach einem Theaterstück Alexander Ostrowskys, für das Tschai-kowsky im Jahre 1873 als op. 12 (es ist eine seiner frühesten Partituren) eine umfangreiche Bühnenmusik geschrieben hat. Das etwa einstündige Ballett, das man deutsch am besten „Schneeflöckchen“ betitelt, hat ein wirklich poetisches Suiet: die Liebe eines Zauberwesens, das aus dem Versteck im verschneiten Wald die Men-

schenliebe zwischen einem jungen Paar beobachtet, ins Dorf zieht, dort einem hübschen jungen Mann wiederbegegnet, von ihm wiedergeliebt wird, aber beim ersten Sonnenstrahl sterbend dahinschmilzt. An der Ausstattung und Einstudierung des dreiaktigen, mehr als eine Stunde dauernden Balletts hat ein ganzer Stab mitgearbeitet. Wir können hier nur die wichtigsten Ausführenden auf der Bühne nennen: die zarte, poetische und ausdrucksvolle Dianne Richards in der Titelrolle, ihren Partner- David Adams, die von diesem verlassene Braut Marilyn Buir, John Auld als Väterchen Frost, das burleske, akrobatisch-virtuose Quintett der Hofnarren und der flotte Vortänzer McAlpine mit seiner Partnerin Joan Potter. Die Gesamtleitung dieses wohlgelungenen und harmonischen Gesamtkunstwerkes hatte Vladimir Bourmeister, ein Großneffe Tschaikowskys. Und in der Tat war vom Geist, der in jedem Takt inspirierten, melodiösen und noblen Musik viel auch in dem Ballett zu bewundern. Im ganzen: eine Meisterleistung, die letzten Endes nur dank der Geschicklichkeit und Kunstliebe des Prinzipals der Truppe, .Julian Brauneweg, zustande kommen konnte, der seit nunmehr 13 Jahren diese tüchtige und sympathische Truppe leitet, die nur drei Monate im Jahr (in der Royal Festival Hall)' in London seßhaft ist, die übrige Zeit herumreist, ein ganzes Arsenal von Kulissen und Kostümen mit sich führend — und keine nennenswerten Subventionen erhält...

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das zweite Programm des „International Ballet of the Marquise de Cuevas“. Zu „C o h s t a n t i a“, einem ballet blanc, wurde das f-Moll-Konzert von Chopin gespielt (mit dem Pianisten auf der Bühne, aber glücklicherweise nicht — obwohl ein wenig an ihn erinnernd — wie Liberace in goldenem Frack und vor gläsernem Flügel!). Die Stars waren Mari-

lyn Jones, Daphne Dale und Garth Walch.

— Die berühmte „Suite e n b 1 a n c“, eine der schönsten Choreographien, die Lifar geschaffen hat, auf Musik von Lalo, haben wir nicht nur dekorativer, sondern auch schon exakter gesehen. Gleichfalls von Lifar stammt die ziemlich oberflächliche Choreographie zu einem großen Tanzduett „Romeo und Julia“ auf Tschaikowskys bekannte Ouvertüre mit Liane Dayde und dem großartigen Serge Golowin. „Variation pour qua-tre“, nämlich für vier trainierende Tänzer im Ballettsaal, hätte der Idee nach sehr hübsch werden können, entbehrte aber, wie die Musik (von M. Koegh) jedes Witzes. Hübsch auch hier die Ausstattung, die in den abschließenden „Dansei Tartares“ ' (gemeint sind die Polo-wetzer Tänze von Borodin) ein wenig ausgelassen und kindlich-exotisch geriet. Die wenig durchdachte und spannungslose Choreographie stammt von Fokine, die Einstudierung besorgte Beriozoff, die verschwenderischen Kostüme schuf Larrain. dessen Ausstattung von „Dornröschen“ Wir vorbehaltlos bewundern konnten

— während man hier nur den nutzlosen Aufwand bestaunt. Schade drum. Aber da find-rtjrr4i letzten, die einen Stein wer-

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