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Eine Ikone der modernen Kunst und der Moderne im Bank Austria Kunstforum in Wien.

Als "nackte, ungerahmte Ikone meiner Zeit" bezeichnete Kasimir Malewitsch sein berühmtes Schwarzes Quadrat. Doch das 1915 erstmals ausgestellte Bild ist noch mehr als das: Es markiert nichts Geringeres als das Ende der Malerei. Das schwarze Quadrat auf weißem Grund ist der Endpunkt einer rasanten Entwicklung, die seit dem Aufkommen des Impressionismus immer weiter von der Gegenständlichkeit wegführte. "Die Malkunst zu schlachten, sie ins Grab zu legen und mit einem Schwarzen Quadrat zu versiegeln" - so sieht auch Joseph Kiblitzky, der Leiter des Staatlichen Russischen Museums, Malewitschs Absichten. Alle Bilder, die derzeit bei der großen Malewitsch-Ausstellung im Wiener Bank Austria Kunstforum zu sehen sind, stammen aus diesem St. Petersburger Museum.

Nachdem der 1878 geborene Malewitsch in den ersten Jahren seines künstlerischen Schaffens die Entwicklungsschritte der modernen Malerei - Impressionismus, Primitivismus, Expressionismus, Kubismus, Futurismus - im Zeitraffer nachvollzogen und in der von ihm initiierten Strömung des Kubo-Futurismus alles Althergebrachte zerschmettert hatte, trat er 1915 mit dem radikalen "Suprematismus" an die Öffentlichkeit. Die Reduktion der Malerei auf die geometrischen Grundformen Quadrat und Kreis sowie auf die reinen Farben - so lautete das Credo von Malewitschs Suprematismus, der - weit über die bildende Kunst hinausgehend - die Verschmelzung von künstlerischer, religiöser, philosophischer und wissenschaftlicher Reflexion anstrebte. Messianische Gedanken waren ihm nicht fremd: "Ich möchte eine suprematistische Natur erschaffen, die nach den Gesetzen des Suprematismus errichtet wird" und "Ihr werdet Euch dort anpassen, so wie in der Natur des göttlichen Herrn", prophezeite Malewitsch, der zahlreiche Manifeste verfasste.

"Der Künstler hat sich von allen Ideen, Bildern und Vorstellungen sowie den aus ihnen hervorgegangenen Gegenständen befreit": Malewitsch erklärte zwar den totalen Bruch mit der Kunst der Vergangenheit, doch wurzelte seine Kunst in der russischen Ikonenmalerei und der damit verbundenen Spiritualität. Noch mehr als sein Schwarzes Quadrat nimmt sein Rotes Quadrat (ebenfalls 1915) Bezug auf die Ikonenmalerei: Das Bild - Untertitel: Malerischer Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen - ist nicht das abstrahierte Bild einer Bäuerin, sondern verkörpert sie, so wie die Ikone kein Symbol, sondern selbst Objekt der Verehrung ist. Wie viele scheinbar quadratische Ikonen ist auch das Rote Quadrat kein exaktes geometrisches Quadrat. Auch bei den Farben schummelte Malewitsch: Das leuchtende Weiß, das wohl jeden Besucher der Wiener Ausstellung in seinen Bann ziehen wird, ist nicht rein, sondern mit Gelb- und Goldtönen vermischt, ganz so wie bei der zum Vergleich gezeigten Ikone aus dem 16. Jahrhundert.

Kompromisslos hingegen war Malewitsch in einem Punkt: Überzeugt davon, dass sich die Malerei überlebt hatte, hörte er in den zwanziger Jahren auf, Bilder zu malen.

Warum Malewitsch wieder zum Pinsel griff, klingt bizarr: Als er 1927 seine Arbeiten in Deutschland zeigte, wurde er von den Sowjetbehörden nach Russland zurückbeordert - seine Arbeiten blieben. Da befand er sich in der grotesken Situation, in seiner Heimat ein Künstler mit großem Namen zu sein, mit Schülern, aber ohne Bilder, die eine Vorstellung über seine Kunst vermitteln konnten. Also malte er sein Ruvre noch einmal und datierte die Bilder vor. ("Eine jämmerliche Tätigkeit", bedauerte sein Schüler und Verbreiter El Lissitzky.) Diese Vordatierungen, an denen Kunsthistoriker lange verzweifelten, mögen sicher auch darin begründet gewesen sein, dass Malewitsch noch zu Lebzeiten immer wieder des "Formalismus" bezichtigt wurde (1932 wurden seine Bilder aus einer großen Ausstellung entfernt, die 15 Jahren Kunst in der Sowjetunion huldigten sollte). Allerdings ist der Vergleich zwischen den Originalwerken und den 15 Jahre jüngeren Rekonstruktionen sehr interessant.

Malewitschs Spätwerk, das von der malerischen Auflösung der Gegenstände im Licht bis zu einer am Ideal der Frührenaissance orientierten Porträtmalerei reicht, war lange Zeit völlig unbekannt. Die Figuren mit Köpfen ohne Gesichter zeigen einen völlig neuen Malewitsch. 1936, ein Jahr nach dem Tod Malewitschs, erschien in der "Prawda" der berüchtigte Artikel "Formalismus in der Kunst". Erst kurz zuvor war das Russische Museum in den Besitz des Nachlasses gekommen, nun musste es alle Bilder Malewitschs aus den Ausstellungsräumen entfernen. Aufgrund der rigiden stalinistischen Kulturpolitik, konnten die Mitarbeiter des Museums nicht einmal den Besitz der Bilder zugeben, obwohl sie wussten, dass sie mit der größten Sammlung von Malewitschs Werken auf einem wahren Schatz saßen.

Erst 1977, als der internationale Ruhm des Künstlers ideologische Bedenken zunichte machte, wurden die Werke in den offiziellen Museumsfundus überführt. Bei der ersten westlichen Ausstellung jener Bilder, die nun in Wien zu sehen sind, war das Publikum vor 20 Jahren beim Anblick der späten figurativen Gemälde und der Neufassungen eigener bekannter Werke Malewitschs baff.

Schließlich kannten sie nur die ursprünglichen, in Deutschland verbliebenen Werke, von denen viele nach Amsterdam gerieten und dort heute noch die berühmte Malewitsch-Sammlung des Stedelijk Museums bilden.

Bis 2. Dezember

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