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Martin Altomonte und Giovanni Giuliani

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Stift Heiligenkreuz verwahrt den künstlerischen Nachlaß zweier großer Barockkünstler. Ihr Leben ist mit der Geschichte des Stiftes eng verbunden und ihr Werk leitet eine glanzvolle Epoche österreichischer Kunst ein. Der überschäumende Formenreichtum, wie er sich in der Spätgotik kundtat, hatte die neuen Gedanken vorbereitet, die nun begeisterte Aufnahme fanden. Die klassische Einfachheit der Renaissance war dem österreichischen Wesen zu streng, nur die verwandteren oberitalienischen und niederländischen Einflüsse konnten in unserer Heimat Fuß fassen. — Ende des 17. Jahrhunderts erreichten die neuen Ideen aus Italien Wien. Noch aber fehlte hier die Grundlage für eine sorglose Entwicklung.

Erst nach dem Sieg über die Türken, nachdem die ärgste Not überwunden war, trat die Barockkunst ihren Triumphzug durch Österreich an. Ein Jahr nach dem Entsatz von Wien wurde Martin Altomonte zu König Sobieski nach Warschau berufen, wo er die Stelle eines polnischen Hofmalers erhielt. Damals soll er, einer Anekdote zufolge, seinen Namen Hohenberg ins Italienische übertragen haben. Jedenfalls ist Altomonte deutscher Herkunft, seine Eltern dürften aus Tirol stammen, oder, einer anderen Nachricht zufolge, aus Wiener Neustadt. Die Wiege des Künstlers stand in Neapel, wo er 1657 geboren wurde. In Italien erhält er seine erste künstlerische Schulung, kam dann nach Polen und lebte ab 1703 in Wien. 1707 wird er unter Peter von Strudel Mitglied der Wiener Malerakademie. Um 1720 hält er sich in Linz auf und wird um 1738 Familiaris des Stiftes Heiligenkreuz, wo er nach seinem Tode, 1745, seine letzte Ruhestätte findet.

Kurz und spärlich sind die Nachrichten über Altomontes Leben, doch reich und vielfältig ist sein künstlerisches Schaffen. Durch seinen Lehrer Giovanni Battista Gaulli, genannt Baciccio, wird er mit der dramatisch-illusionistischen Kunst Berninis vertraut. Doch schon sein zweiter Lehrer Carlo Maratta beeinflußt ihn in ganz anderer Weise. Dieser lehnte sich gegen die flüchtig illusionistische Malweise, wie sie in dem Werk Cortonas Ausdruck fand, auf. Nach dem Vorbild Raffaels leitet Maratta zur maßvollen, klassizistischen Beruhigung der Formen über.

Diese beiden .Richtungen bestimmen vorerst das Werk des jungen Künstlers, der nach und nach zu einer eigenen, selbständigen Leistung vordringt. Nach dem Vorbild einer wohldurchdachten Komposition, wie er sie von seinen Lehrern übernahm, kommt er immer mehr zu einer vergeistigten Innerlichkeit, die auf einem tief menschlichen Empfinden beruht. Er befreit sich allmäh lich von jeder theatralischen, überschwänglichen Geste, verdichtet die malerische und lineare Komposition durch seine Anteilnahme an den seelischen Vorgängen. Ein Beispiel aus seinem umfangreichen Werk ist der Aufbau seines Altarbildes „Der Tod des hl. Josef“ (Heiligenkreuz, Wilhering). Fast wie durch eine innige Melodie getragen, setzt die Komposition ganz links im Vordergrund ein, wo eine Engelgruppe spielend das Handwerkzeug Josefs hält; diese weist in das Bild, wo Maria, zart violett gekleidet, in stiller Trauer am Sterbebett steht. Herrlich studiert ist die Gestalt des Heiligen, dem Christus in seiner letzten Stunde beisteht. Christus, in einem leuchtend roten Gewand, teilt nicht die Trauer Mariens. Sieghaft weist er nach oben, wo in dem warmen Licht der Wolken Engel herniederschweben und die Glorie des Heiligen verkünden. — Die Komposition ist nicht neu. Von Altomonte selbst besitzen wir vier Fassungen dazu, die im Äußeren nicht wesentlich verschieden sind. Wie er sie aber bis zur letzten Gestaltung dieses Themas (1742) geistig durchdringt und harmonisch rundet, zeugt von echtem Künstlertum.

Ein Vorzug der Bilder Altomontes ist ihre Farbigkeit, die sich frei und ungebrochen, wie es Gaulli lehrte, in ihrer vollen Leuchtkraft bietet. Der Künstler verwendet selten einen alles verbindenden Grundton, sondern fügt den stärksten Kontrast und die zarteste Harmonie zu einem Ganzen. Die große Sicherheit in dem Gebrauch der Farbe, von der besonders sein Spätwerk zeugt, zeichnet seine Gemälde aus. Farbe und Linienführung jedoch wollen keine äußerlichen, stark bewegten Effekte, sondern dienen dem geistigen Aufbau des Bildes. — Viele großartig komponierte Altarblätter unter anderen in Wien, Heiligenkreuz, Zwettl, Linz und Wilhering, geben, so wie sein graphisches Werk, das zum großen Teil die Albertina und Stift Florian verwahren, Zeugnis von Altomontes Bedeutung. Er wurde Mittler zwischen Süd und Nord, ist Bahnbrecher einer neuen Auffassung, die in der nächsten Generation ihre Erfüllung erfahren sollte.

Giovanni Giulianis Lebensumstände sind denen Altomontes verwandt. Er kommt aus Italien, wo er 1663 in dem weltweiten, lebensfrohen Venedig geboren wurde. Schon 1690 beginnt seine Tätigkeit für Wien und ab 1694 ist er auch für Heir ligenkreuz tätig. 1711 wird er Familiaris des Stiftes, für das er fast ausschließlich wirkt, und wird gleichfalls nach seinem Tode im Jahre 1744 in der Gruft der Stiftskirche begraben.

Sein Werk ist vorerst durch seine Lehrer G. M. Mazza und Andreas Faistenberger beeinflußt. Bald dringt er jedoch zu einer glücklichen Synthese zwischen Pathos und Innerlichkeit vor, die in einer zierlichen, leichtschwebenden Gestaltung zum Ausdruck kommt. Diese liebenswürdige Meisterschaft im Formalen schafft dem Künstler, der ein gewandter Weltmann gewesen sein muß, bald verschiedene Aufträge des Wiener Adels. — Zu seinen bedeutendsten Arbeiten zählt der plastische Schmuck an den Palästen Liechtenstein in Wien (1705 bis 1709). Am Gartenpalais in der Roßau ziert er die Ballustrade der Nebengebäude mit Darstellungen der vier Weltteile und allegorischen Figuren. Diese zart proportionierten Sandsteinskulpturen sind durch ihre schön geschwungene Linienführung und durch die reiche Bewegtheit ihrer Silhouette malerisch empfunden. Das Gegenständliche tritt' eher in den Hintergrund. Man würde aber das Werk des Künstlers völlig verkennen, wenn man es, wie es bisweilen geschah, rein dekorativ werten wollte. Schon der plastische Schmuck im Palais Liechtenstein in der Bankgasse, vermag das zu widerlegen. Während die Statuen im Treppenhaus das Wesen dieser leichten Atmosphäre unterstreichen, kommt in den Portalen die künstlerische Idee dieses Palastes gesteigert zum Ausdruck Das mächtige Seitenportal — das Stift verwahrt dazu die Modelle — ist eine der genialsten Schöpfungen, so daß man den Gesamtentwurf nicht mit Unrecht in die Nähe eines Fischer von Erlach gestellt hat. Die beiden wuchtigen Atlanten sind Träger des geistigen Bauwillens.

Vollendet spricht sich Giulianis Können in dem Chorgestühl der Stiftskirche aus, das eines seiner bedeutendsten Werke ist. Vor allem die Büsten sind in ihrer packenden Typisierung über jeden Zeitgeschmack erhaben. In den Tonmodellen des Meisters zeigt sich die große Kunst Giulianis, dem Werkstoff virtuose Wirkungen abzugewinnen, die rauhe Oberfläche und die Farbe des Tons als künstlerisches Ausdrucksmittel zu verwenden. Das weichflutende Licht umspielt die zierlichen Figuren mit reichem Leben. Giuliani weiß um diese einmalige Wirkung und gibt auch seinen Holzmodellen Terrakottatönung. Seine fast 200 erhaltenen Entwürfe zeugen von der verschwenderischen Fülle seiner Gestaltungskraft. Sie veranschaulichen die verschiedenen Phasen seiner künstlerischen Enwicklung, vom dramatisch bewegten Gewandstil bis zum einfachen, das Körperliche betonenden Altersstil. In dieser neuen Welt aber war Giuliani nicht mehr heimisch, sie war seinem großen

Schüler Georg Raffael Donner vorbehalten.

Altomonte und Giuliani haben sich persönlich gut gekannt. Vieles verbindet diese beiden Künstler miteinander, obgleich sie in ihrer Art verschieden sind. Altomonte dringt von italienischer Schulung zu einer mehr deutsch empfundenen Innerlichkeit vor, er ringt um einen neuen Inhalt seiner Kunst. Giuliani hingegen schöpft aus seinem Ein-

fallsreichtum stets neue reizvolle Möglichkeiten der Gestaltung.

Für die Wiedereröffnung des Stift- museums Heiligenkreuz konnte daher kein passenderes Thema gefunden werden, al eine Sonderausstellung des Werkes dieser beiden Künstler. Martin Altomonte ist mit über 20 Bildern vertreten, die aus allen Schaffensperioden stammen und vielfache Vergleiche bieten; außerdem ist es möglich, das Werden eines Altarbildes von der Zeichnung über die Farbskizze bis zur großen Ausführung zu verfolgen. Von Giuliani sind unter anderem die Plastiken der Stiftsorgel und Teile des neu restaurierten Chorgestühls ausgestellt. Auch sämtliche Modelle des Meisters sind nun wieder zu sehen. Sie wurden in Gruppen zusammengefaßt und nach dem Aufstellungsort der Originale geordnet Photographien bieten wertvolle Ergänzungen. Außerdem ist eine stilistische Entwicklungsreihe vom frühesten Modell 1690 bis zum spätesten 1744 zu sehen. Ein eigener Platz ist Georg Raffael Donner gewidmet. Archivalien vertiefen diese Schau, um die sich der Leiter des Stiftsmuseums und das niederösterreichische Landesmuseum verdient gemacht haben. — Selten hat man die Möglichkeit, das Schaffen zweier so bedeutender Künstler in so umfassender Schau zu überblicken. Vor allem will die Ausstellung unser Verhältnis zum Werk Giulianis und Altomontes vertiefen, da, wo immer wir ihm ferner begegnen, sich uns neu erschließe.

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