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Maßstab für die Zukunft

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Bruno Maierna leitete das 'Eröffnungskonzert im Zyklus „Musi c a v i v a“ im Musikverein, einer .Coproduktion von Rundfunk, Jeunesses Musieales und IGNM. Programm: Mozarts „Maurerische Trauermusik“, in memoriam Dr. Josef Polnauer, des großen Förderers Neuer Musik in Österreich,. Szenen (2 bis 4) aus -dem 1. Akt von Arnold S c h ö n b e r g s Oper „Moses und Aron“ und,, als österreichische Erstaufführung, Luciano Berios „Epifani“ nach Texten von Proust, Monfale, Joyce, Eliot, Machado und anderen, mit Cathy Berberian als Solistin.

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Bruno Maierna leitete das 'Eröffnungskonzert im Zyklus „Musi c a v i v a“ im Musikverein, einer .Coproduktion von Rundfunk, Jeunesses Musieales und IGNM. Programm: Mozarts „Maurerische Trauermusik“, in memoriam Dr. Josef Polnauer, des großen Förderers Neuer Musik in Österreich,. Szenen (2 bis 4) aus -dem 1. Akt von Arnold S c h ö n b e r g s Oper „Moses und Aron“ und,, als österreichische Erstaufführung, Luciano Berios „Epifani“ nach Texten von Proust, Monfale, Joyce, Eliot, Machado und anderen, mit Cathy Berberian als Solistin.

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BeriosWerk, ein Musterstück einer bis ins kleinste Detail organisierten seriellen Partitur, entstand in den Jahren 1959 bis 1961, wurde 1965 einer umfangreichen Revision unterzogen. Grundlagen waren Qua- demi I und II, zehn Orchesterabschnitte, die vom Dirigenten — übrigens ebenso wie die zehn Teile der „Epifani“ — zu verschiedenen Versionen zusammengestellt werden können.

Absicht des Komponisten ist es, auf diese Weise sein Stück möglichst variabel, mobil zu gestalten, es in schillernde Vielfalt zu kleiden. Abläufe poetischen Geschehens werden dadurch ebenso austauschbar wie die musikalischen Ereignisse: „Wortbedeutung und vokale Äußerung können jedesmal in einem anderen und unerwarteten Licht erscheinen. Dabei wird der Textinhalt nicht immer von der instrumentalen Entwicklung bestätigt werden. Wenn aber eine solche Bestätigung eintritt (häufig erwartet der Hörer nur diese Bestätigung, weshalb ich es vorziehe, die Texte nicht anzugeben), finden auch die lautmalerischen Eigenschaften der Texte strukturelle Verwertung“ (Luciano Berio).

Die Vokalpartie, obwohl stellenweise äußerst virtuos und für eine so profilierte Sängerin wie Frau Berbe- irian gewissermaßen maßgeschneidert, hat dem Instrumentalklang gegenüber dennoch nie das Übergewicht. Jedenfalls versteht Cathy Berberian es wie wenige Künstlerinnen, hier alle die Gegensätze von zauberhafter Lyrik und objektiver, sachlicher Darstellung politischer Zustände, der Aggression, zu suggerieren.

Die Wiedergabe durch ORF-Chor und ORF-Symphonieorchester unte: Bruno Maderna hatte ein Niveau das man sich in Hinkunft für alle Rundfunkkonzerte als Maßstab nur wünschen kann: Akkuratesse im Rhythmisch-Metrischen, erstaunliche Delikatesse in den subtilen Nuancierungen, Schwerelosigkeit im Klanglichen waren Atoüts.

Spannungsgeladen und in den Steigerungen pathetisch ausladend, geriet auch die Aufführung der Schönberg-Szenen, mit Hans Herbert (Moses), Helmut Melchert (Aron), Herwig Erb (junger Mann), Franz Handlos (anderer Mann), Margerita Heppe (Mädchen) und Max Eder (Priester) zwar nicht durchwegs unbedingt korrekt, aber imponierend stimmgewaltig besetzt;

Eine vorzügliche Jeunesses-Idee, in Wien zu demonstrieren, wie junge Leute in Kärnten Neue Musik machen. Rundfunkchor und Kammerorchester des ORF (Studio Kärnten), das Streichquintett des Kärntner Landeskonservatoriums und eine Solistenschar, von Nikolaus Fheodoroff straff und elastisch geführt, präsentierten im Mozart-Saal drei interessante neue Werke: Zuerst Fheodoroffs „Melismen“, für Streichorchester (1969), sauber gearbeitete Musik, im ersten Satz von Cerha-Einflüssen („Mouvement“, „Spiegel“) nicht ganz frei, aber in Geschlossenheit und klanglicher Flächendichte überzeugend. Der zweite und dritte Satz muten dagegen wie eine Erbschaft aus den Tagen des Neoklassizismus an: Dynamische Ballung und individuelles Linienspiel wie die Schlußintegration bleiben auf der Strecke.

Gerhard Lampersbergs „elegie, intermezzo, fantasie“ für Flöte, Violine und Streichorchester, scheint mir gemessen an seinen anderen Werken wenig attraktiv. Vor allem in der Gestik gebärdet sich diese Musik, als stamme sie aus guter alter Zeit, wurde modisch zurechtgerückt, ein wenig aufgeputzt, mondän-gefällig gemacht. Kunst- und Publikumskunstgewerbe … Schade!

Dieter Kaufmanns„Evocation“, ein Oratorium gegen die Gewalt nach Gedichten von Ingeborg Bachmann, beschloß den Abend: Man wird sich Kaufmann in Wien endlich vormerken müssen. „Evocation“ ist des hochbegabten jungen Mannes vorerst wichtigste Arbeit, zwar nicht frei von gängigen Handgriffen und Kniffen, aber ein sehr profiliertes Stück, das als Keimzelle die Konstellation von Hälbton und Ganzton benützt und auf durch symmetrische Teilung der Oktave gewonnenen Formstrukturen aufbaut. Was Kaufmann vor allem interessiert, sind die Formen möglichen „Übergangs“ vom Wort zum Ton, vom Geräusch zum Ton, von engen zu weiten Intervallen usw.

Die Aufführung wirkte solide, ausgefeilt, lebhaft. Unter den Solisten muß vor allen die Sopranistin Edith Kermer genannt werden, die die technischen Kunststücke makellos vorexerzierte. Ein Pauschallob allen Mitwirkenden.

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