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Meditation unter Bäumen

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Die großen Skulpturenparks wie von Arnheim, bei New York oder in Yorkshire sind Orte, in denen Kunst in Verbindung mit der Natur erfahrbar wird. Schauend, meditierend, sich einfühlend, erlebt der Besucher die Kunstwerke stärker über die Sinne, kann in eine subjektive Beziehung zu ihnen eintreten. Für ein Jahr ist der vergleichsweise kleine, fast intime Park von Schloß Ambras oberhalb von Innsbruck zur Skulpturengalerie geworden; im hügeligen Gelände, meist unter Bäumen, haben zwanzig steinerne Bildwerke von Karl Prantl Aufstellung gefunden, die aus Yorkshire übernommen werden konnten.

Karl Prantl muß man nicht mehr vorstellen, den Bildhauer, der wie kaum ein anderer mit dem Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland verbunden, durch Symposien auf der ganzen Welt mit seinen Werken vertreten ist und der abseits der fi-guralen Tradition eigene Wege beschreitet. Von oft monumentaler Größe und strenger Formgebung, sind seine Skulpturen archaischen Denkmalen vergleichbar, Opfer- und Grenzsteinen, Steinzeichen, die sich verändern mit dem Licht, dem sie umgebenden Raum und mit der Zeit. Sie lagern als große Platten oder Blöcke aufwiesen, unter Bäumen, sie erheben sich wie Stelen, wo Ausblicke das Renaissanceschloß und die Bergkette über lem Inntal freigeben.

Prantls Meditationssteine, zum Teil über Jahre hinweg entstanden, geben keine Thematik vor, zwingen zu nichts, es sei denn sie von allen Seiten wahrzunehmen in ihrer raumgreifenden Form, sie optisch und haptisch zu erfahren an ihrer Oberfläche, Run-dungen und weichen Kanten, eingetieften Mulden, größeren und kleineren Buckel, die sich zuweilen perlsta-bartig aneinander reihen.

Die Oberflächengestaltung der Gesteine, des schwarzen schwedischen, des blauen brasilianischen Granit oder des weiß-bläulichen Serpentin, des weißlich-grünen Amazonit legt die Färb- und Strukturvaleurs des Materials frei, gibt dem Stein eine atmende Lebendigkeit. Unterschiedlich je nach Beleuchtung, verleiht das Licht dem Stein einen samtigen Schimmer, der wie eine Aura das Bildwerk zu umhüllen scheint.

Prantls geistige Nähe zu Constan-tin Brancusi spiegelt sich besonders wider in der Granit-Stele „Invocati-on”, in dem rundlichen Meditationsstein aus weißem Marmor, Skulpturen, deren aufsteigende Geraden beziehungsweise in sich geschlossenes Oval mythische Ausstrahlung verkörpern.

Prantls Werk entzieht sich stilistischen Zuweisungen; Hinweise auf die Minimal-Art werden gerade wegen deren rationalen Bestrebungen den Intentionen Prantls nicht gerecht. Vergleiche mit dem Bheinländer Ulrich Rückriem, der „in den Stein reingeht”, sich mit der Kraft des Steines mißt, macht Prantls künstlerisches Anliegen noch deutlicher: nicht die Kraft des Steins, vielmehr die Kraft seiner Gedanken im Stein sichtbar zu machen. Die Politur, das „Artifiziell-ste, was man einem Stein antun kann”, so Rückriem, ist für Prantl künstlerisches Stilmittel, seinen Meditationssteinen eine Ausstrahlung zu verleihen, die sie als in Stein gebannte Zejt erscheinen läßt. 4

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