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Digital In Arbeit

„Meine Arbeit ist mein Gebet”

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Ich arbeite für mich und meinen Gott. Oft bin ich wie ohnmächtig vor Schmerz. Aber meine Arbeit ist mein Gebet, ein leidenschaftliches, durch Farben gesprochenes Gebet.” So schrieb Alexej von Jawlensky wenige Jahre vor seinem Tod, schon gezeichnet von seiner schweren Krankheit. Zum ersten Mal sind nun rund 50 .seiner Werke in Graz ausgestellt, anläßlich der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung.

Das Künstlerhaus, sonst nicht unbedingt ein idealer Rahmen für Ausstellungen, ist vom Gestalter Othmar Krenn in ein nobles Ambiente verwandelt worden. Auf mattgrauen Ständern hängen die Bilder mit gebührendem Abstand voneinander, gegliedert in „Gesichte”, „Köpfe” und „Meditationen”. Der gebürtige Russe Jawlensky kam 1896 nach München, wo er mit Kandinsky, Klee, Marc und Nolde befreundet war. Der Erste Weltkrieg vertrieb ihn in die Schweiz, von 1921 an lebte er in Wiesbaden, wo er 1941 starb.

Bilder aus 1911 sind Gesichter, in starken Farben, noch ohne den metaphysischen Bezug seiner späteren Arbeiten. In der Schweiz malte er abstrahierte Landschaften, doch um 1917 schlug er seinen Weg zum „Gesicht” ein. „Innerliche Ruhe” ist ein Schlüsselwerk. Vordergründig ist es das Porträt Clothilde von Derp, einer deutschen Ausdruckstänzerin, mit deren Mann, dem Tänzer Alexander Sacharoff, Jawlensky befreundet war.

Dieses Gesicht ist „Mystischer Kopf” benannt. Es zeigt bereits die Ansätze zur späteren Reduzierung auf Mund, Nase und Augen. Das späteste Bild aus dieser Reihe ist „Weltherrschaft” von 1933, ein abstrakter Kopf, der nur aus Farbe zu bestehen scheint. Aber durch die strengen Linien, in welche diese Farben eingebunden sind, hat er den Charakter einer Ikone, wird zur religiösen Malerei.

In diesem Jahr 1933 wurde Jawlensky von den Nazis mit Ausstellungsverbot belegt. Seine Abwendung vom Gegenständlichen galt als „unerwünscht” und „entartet”. Der Maler ging seinen Weg unbeirrt weiter: Die folgenden „Meditationen” verdichten die Elemente des Gesichtes zum Kreuz. Die Palette wird dunkel-glühend, bis sie schließlich jede Äußerlichkeit verliert.

Damals war Jawlensky bereits todkrank. Fine schon 1926 einsetzende degenerative Arthritis hatte Arme und Flände gelähmt. E,r ließ sich den Pinsel an die steifen Hände binden, um überhaupt noch arbeiten zu können. Das zwang ihn auch dazu, für seine Bilder das Kleinformat zu wählen. Nur in wenigen schmerzfreien Stunden konnte er zu größeren Formaten greifen.

Drei Bilder aus 1937 und 1938 können stellvertretend für das Programm dieser Ausstellung genannt werden: „Hades, Gott der Unterwelt” eine Meditation in düstersten Farben, das Gesicht zum Kreuz geworden, das auch die Unterwelt besiegt. „Herbststrauß” im größeren Format von 33,8 mal 25 Zentimeter als Zuwendung zur Welt und gleichzeitig zum Abschied von ihr, und schließlich das in Bleistift ausgeführte Selbstporträt „Ich war allein und mir war sehr schwer”: ein kraftvolles Gesicht, fern aller Resignation, Ruhe ausstrahlend, wissend um den Tod.

Damals schrieb er in einem Brief: „Mir war die Natur als Souffleur nicht notwendig. Mir war genug, wenn ich mich in mich selbst vertiefte, betete und meine Seele vorbereitete in einen religiösen Zustand.”

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