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Meister der modernen französischen Malerei

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Nach der Ausstellung des „Salon d'automne“, der Wien mit dem laufenden Schaffen zeitgenössischer französischer Maler bekannt machte, soll die gegenwärtig im Kunstgewerbemuseum ausgestellte Kollektion von etwa 170 Bildern und Graphiken einen Überblick über die moderne französische Malerei der letzten fünfzig Jahre geben. Da diese weit über die Grenzen Frankreichs hinaus die künstlerische Entwicklung Europas beeinflußte, hat man durch diese Kunstschau die Gelegenheit, das Werden der verschiedensten Kunstrichtungen, ihre Gegensätze und ihre Überschneidungen an bemerkenswerten Originalwerken zu studieren.

öffentliche und private Kunstsammlungen von Paris, Straßburg, Köln und Wien haben für diesen Zweck Leihgaben zur Verfügung gestellt, eine große Anzahl wirklicher Meisterwerke neben Bildern, die für ihre Richtung kennzeichnend sind, aber des Ewigkeitswertes entbehren.

Das Gesamtbild, dieser interessanten Ausstellung ist zugleich ein Abbild der Zerrissenheit unserer Zeit, der ungeheuren Unrast, die auch auf die Malerei übergegriffen hat, die Kunstrichtungen in tollem Wirbel wechseln läßt, die ständig gegen das Bestehende protestiert, sich bald von der Wirklichkeit abkehrt und dann wieder bis in nebensächliche Einzelheiten abgleitet, die einmal die Zeichnung und dann wieder die Farbe betont und letzten Endes wieder dort wird landen müssen, wo die Kunst allein gedeihen kann, in der Persönlichkeit des Künstlers und in der Qualität seines Könnens,' in einem Künstlermm, das sich freigemacht hat von allen literarischen Beinflu^sungen und philosophischen Spekulationen.

Aber auch der Kunstfreund und Kunstkritiker werden gut daran tun, endlich einmal einen Akt der Selbstbesinnung durchzuführen und die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind, und nicht den heuchlerischen Kotau mitzumachen, den der Kunsthandel aus egoistischem Interesse manchen Künstlern gegenüber erweist. Wenn der Betrachter eines Werkes gezwungen ist, dieses literarisch zu zergliedern, um überhaupt verstehen zu können, was sein Schöpfer damit ^ausdrücken will, dann ist die Kunst aus dem für sie allein gültigen Bereich des Gefühls und der Phantasie in das Gebiet des klügelnden Verstandes abgeglitten und hat damit ihre Berechtigung verloren.

Gerade in dieser Ausstellung läßt sich diese Entwicklung sehr deutlich verfolgen, und es ist kein Zufall, daß die Primitiven, wie etwa ein B a u c h a n t, zu den Quellen zurückkehren, aus denen schon ein C e z a n n e geschöpft hat, während die Künstler um M a t i s s e oder Picasso mit ihrer Methode des Aufspaltens der Form oder ihrer Betonung des Dekorativen von der hohen Kunst allmählich den Übergang zum Kunstgewerbe finden. Bei den geistigen Führern dieser Richtungen fühlt man das starke Wollen heraus, das stürmische Streben nach neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, man erkennt aber zugleich die Gefahr, die darin liegt, da ihre Nachahmer und Nachbeter nur das rein Äußerliche ihrer Werke sehen, ohne zum Kerne ihrer Kunst vorzustoßen, und so in oberflächlicher Manier enden.

Wenn man durch die drei Säle dieser Ausstellung mit innerer Aufnahmsfähigkeit wandert, dann wird man auf so manche Köstlichkeit stoßen, die dankbarer Betrachtung würdig ist. Das wundervolle Schneebild Claude M o n e t s, das , unerhört lebendige Bildnis des „Jungen Roulin“von V a n G o g h, M a n e t s „Bierkellnerin“, Loiseaus Pariser Straßenbild mit seiner feinen atmosphärischen Stimmung, P a s c i n s feintonige Akte lder R e n o i r s „Große Badende“ sind malerische Leckerbissen. Aber auch das „Schloß def Königin Blanche“ von Utrillo,. Albert Marquets sommerliches Strandbild in se'inem noblen Zusammenklang von Farbe und Licht, sowie B o u d i n s schönes Klippenbild gehören hierher.' •

Wie eine Far.benfanfare wirkt S i g n a c s „Abend in Antibes“ in seiner fast wissenschaftlichen Zerlegung der einzelnen Farben, die damit um so leuchtender zusammenklingen. Entzückend, fast an japanische Malerei anklingend, ist das Blumenstück A s s e 1 i n s, das nur durch die Nachbarschaft der wuchtigen Felsenlandschaft Serusiers erdrückt wird. Pissaro, Sisley, Gauguin, sowie der lyrisch zarte Henry R o u s s e u sind mit charakteristischen Arbeiten vertreten.

Eine seltsame Ausstellung in ihrer Vielfalt und starken Gsgensätzlichkeit, ein fesselndes Abbild französischer Kultur und gallischen Geistes, zugleich ein starker Beweis der führenden Stellung, die Frankreich seit mehr als e^nem halben Jahrhundert auf dem Gebiete der europäischen Malerei einnimmt. Wir lebten so lange in geistiger Einsamkeit, daß wir das Hereinströmen fremder Kunstäußerungen als wertvolle Bereicherung eigenen Kulturschaffens empfinden. Unsere österreichischen Maler werden die Anregungen dieser Ausstellung voll Dank entgegennehmen.

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