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Mittelalterliche Buchmalerei

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Wenn wir innerhalb des mittelalterlichen Kunsterbes jene Werke suchen, welche am wenigsten verfälscht, am besten erhalten blieben und uns daher über Geist und Kunstwillen ihrer Zeit denklarsten Aufschluß gewähren, so sind dies nicht die spärlich erhaltenen Tafelgemälde, nicht die zumeist zerstörten und durch Umbauten ihrem Wesen entfremdeten Bauwerkejmd auch nicht die meist nur in ihren Untermalungen auf uns gekommenen Wandgemälde, sondern die Schätze der Buchmalerei, die sich in der Hut geistlicher Bibliotheken, unentstellt in köstlichem Glanz, herrlich wie am ersten Tage erhalten haben. An ihnen ergreift uns neben dem künstlerischen Reiz eine menschliche Wärme, die aus ihrer Bindung an bedeutende Persönlichkeiten und Gemeinschaften entstand und uns mitten in die ferne Welt hineinzieht, der sie ihren Ursprung verdanken. Leider fehlt aber gerade“ diesen kostbaren Kleinwerken das Moment der Öffentlichkeit, durch welches sie volkstümlich werden könnten: deshalb ist es zu begrüßen, daß von berufenster Seite der Versuch unternommen wurde, Buchmalerei dem Bewußtsein der Allgemeinheit in edler Form nahe zu bringen.

Ernst v. Frisch, der hochverdiente langjährige Leiter der Salzburger Studienbibliothek, gibt die fesselnde Darstellung mittelalterlichen Buchschmuckes, der am Hof der bedeutendsten alpenländischen Kirchenfürsten, der Erzbischöfe von Salzburg, und in den Klöstern des Salzburger Landes entstand und teils dort bis auf unsere Tage gehütet wurde, teils aber als kostbare Gabe in die Fremde ging; in den Kreis dieser Schilderung werden aber in höchst dankenswerter Weise auch jene Werke der Buchmalerei einbezogen, welche durch die weitgespannten Beziehungen der Salzburger Erzdiözese aus der Ferne — vom päpstlichen Hofe und den Universitäten Italiens, vom Bodensee und Rhein, aus Ungarn und von Regensburg her nach Salzburg gekommen sind und dort in ihrer hohen fremden Eigenart Nachbildung gefunden haben. So entsteht in klarer Schilderung an der Hand ausgezeichneter, teils farbiger Wiedergaben das von dem Atem der europäischen Geschichte bewegte Bild der mittelalterlichen Kunstblüte Salzburgs. Die Perioden höchster Entfaltung — in den Tagen der Karolinger, im elften Jahrhundert unter dem Einflüsse St. Gallens und der Reichenau und in den stürmisch bewegten Zeiten des Investiturstreites — werden in dem Buche nicht allein kunstgeschichtlich, sondern darüber hinaus in ihrer geistesgeschichtlichen Struktur anschaulich. Immer wieder treten neben die bodenständigen Kunstwerke solche aus weit entfernten Kulturkreisen: iroschottische und fränkische Werke wandern aus dem Westen zu, byzantinische Einflüsse werden von Venedig und von Regensburg her vermittelt und die geistige Macht, welche die Universitäten Italiens und von Paris schon im 14. Jahrhundert darstellen, verkörpert sich vor unseren Augen in der Farbenzier gelehrter Prachtwerke. Dabei tritt schon ein gegenständliches Element in die Bilderwelt ein, das sich im Herbst des Mittelalters unter niederländischem Einflüsse zu einer wesentlich profanen Nachblüte sublimiert. über aller dieser bunten Vielfalt erhebt sich aber beherrschend der eigene Kunstwille Salzburgs, die Kraft zu monumentaler Gestaltung und übernationaler Bedeutung, der die Salzachstadt innerhalb der Ostalpenländer zur künstlerischen Führung befähigt hat. Für die Erkenntnis dieser überzeitlichen kunstgeschichtlichen Funktion Salzburgs ist das neue Buch deshalb grundlegend, weil es Kunstwerke von höchster Bedeutung aus fernen Jahrhunderten voll Not und Kriegen bringt, aus Zeiten, über welche sonst überhaupt keine Zeugnisse gestaltenden Willens erhalten blieben. Der Ernst der karo-lingischen Periode, die heroische Erhebung der Barbarossazeit werden an gut gewählten Bildern anschaulich; damit schließen sich Lücken in unserer Vorstellung, von dem Werdegang alpenländischer Kunst, die auf andere Weise überhaupt nicht ausgefüllt werden können.

Uns erschließen sich ferner bedeutende Künstlerpersönlichkeiten, zunächst die mönchischen Schreiber des frühen, dann aber die weltlichen Buchmaler des späten Mittelalters, Einheimische von Gewicht und Ruf: Benedikt Elpogen um 1400, manche namenlose Persönlichkeit wie der begnadete Schöpfer des Radecker Missales und schließlich Ulrich Schreier, der Hofkünstler des Erzbischofs Bernhard von Rohr. Innerhalb der sakralen Sphäre, der die Kunst dieser leuchtenden Miniaturen und scharf umrissenen Federzeichnungen entstammt, vielmehr zeigen namentlich die Arbeiten aus dem italienischen Süden, die im Kreise der Rechtsgelehrten Bolognas entstanden, oft einen feinen, prickelnden Humor. So, wenn rings um die Schrift im Rankenwerke der ganze Reichtum der Schöpfer sich entfaltet, wenn innerhalb der Zierbuchstaben boshafte Karikaturen ihr groteskes Spiel treiben, so daß Bild und Text •sich gedanklich voneinander lösen. Dieses vom Autor liebevoll geschilderte weltliche Element macht die Bilderschau des Buches zu einer äußerst unterhaltenden. Das Doppelgesicht des Mittelalters, das „frech und fromm“ zugleich war, enthüllt sich hier.

Von der festen Grundlage, die uns das Buch und sein Autor geben, können weitere notwendige Untersuchungen ausgeher. Es sollte nun zum Beispiel das Verhältnis der mittelalterlichen Buchkunst Salzburgs zu jener des benachbarten Stiftes Mondsee geklärt werden; vor allem aber ist es hoch an der Zeit, endlich das Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit aufzuhellen, in welchem die Buchkunst Salzburgs über die vermittelnden Zwischenstufen der Kunstübung Admonts,

Seckaus und der Kärntner Suffraganbistümer hinweg sich mit jener des einst von deutschen Kirchenfürsten regierten Patriachats Aquileia verband. Noch heute finden wir in Friaul in den Kirchenschätzen der Dome von Aquileia und namentlich von Cividale del Friuli, aber auch in Gemona und Venzone, Oderzo und Spilimbergo reiche Bestände hochmittelalterlicher Buchmalerei, die nicht dem italienischen Süden, sondern dem alpenländischen Norden entstammen und höchste Bedeutung besitzen. Aus diesen bisher nur unvollständig erschlossenen und in ihrem weiteren kulturellen Zusammenhange noch nicht gedeuteten Kunstdenkmäler ließe sich die notwendige kunstgeschichtliche Ergänzung zur großen Einheit des mittelalterlichen Kunstschaffens Salzburgs gewinnen, die uns Ernst v. Frisch dargestellt hat. Dr. Heinrich Decker

Der alte Herr Lorenz. Roman von Franz Turnier. Otto-Müller-Verlag, Salzburg.

Der Versuch eines alten Mannes, nach dem Tod seiner Frau, die ihn mit ihrem stärkeren Willen Jahrzehnte hindurch gegängelt hatte, sein Leben noch einmal neu zu beginnen und all die kleinen, harmlosen Freuden zu genießen, die ihm bisher verwehrt gewesen waren, wird in diesem Buch in allen Einzelheiten dargestellt. In seiner Armseligkeit hat dieses fruchtlose Bemühen des Alternden, der dem Ende seiner Tage entgegengeht, etwas Rührendes. Dank dem tiefen Einfühlungsvermögen des Autors, der sich einer eigenwilligen, manchmal allzu eigenwilligen Sprache bedient, erleben wir die Tragik eine? Vereinsamten ebenso eindringlich wie den Kampf seiner jungen Bedienerin um ein weniq Sonne in ihrem harten Alltag. Da sich dabei in dieser Welt kleiner Leute allerlei Innere und äußere Konflikte ergeben, gewinnt die Handlung nicht nur an Spannung, sondern auch an Bedeutung, führt sie doch über die engen Grenzen hinaus in seelische Bereiche, wo sich Mißgunst und Kleinmut verquälter Herzer. sowie Liebe und reine Menschlichkeit offenbaren. Alfred Buttlar Moscon

Unser Land mit unseren Augen. Von L. W.

Rochowanski. österr. Buchgemeinschaft, 1949. 196 Seiten mit 22 Abbildungen.

Der Versuch, ein Heimatbuch auf persönliche Weise zu gestalten, ist dem essayistisch und lyrisch begabten Autor gelungen. Der Reiz des Buches liegt in der anspruchslosen Form, in der Rochowanski sein Thema zwischen Kunsthistorik, einem „Reisetagebuch eines Philosophen“ und dem Stil von „Wien wörtlich“ in Schwebe hält. Die leicht preziöse Ästhetik seiner Sprache fügt sich bruchlos in die bildhafte Anschauung; Jahrhunderte werden auf und ab übersprungen, szenische Verdichtung wechselt anmutig mit nachdenklicher Betrachtung, Wissen mit Märchen, Geschichten mit Geschichte. Das Ganze ist nicht ohne Raffinement zu einem Feuilletoji in Fortsetzungen ausgesponnen; man kann es aufschlagen, wo immer, und ist sofort mitten darinnen, man kann es weglegen, ohne zu unterbrechen. Aus dem spröden Thema eines Salzbergwerks steigt die Sage von der Königstochter, der Fischerfriedhof am See führt zu einer Hero- und Leander-Mythe, und wir erfahren manches Neue ohne den Schatten von Pedanterie, der österreichischem Wesen so sehr entgegen ist. Weniger gelingen dem Autor Deutungen wie beim Innsbrucker Maxi-miliansgrab. Auch vermißt man die dunkleren, schwereren Töne unseres Landes. Vielleicht das Verdienstvollste an diesem Buch ist sein Tempo zwischen wohliger Wärme von Sommerabenden und dem Brio unseres frischen Berawindes, Bilder nach Merian-Stichen, die freilich in der Wiedergabe nicht ganz herauskommen, ergänzen die Atmosphäre des hübschen Geschenkbandes.

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