Werbung
Werbung
Werbung

Victor Vasarelys "geometrische Kunst" in der Kunsthalle Krems.

Das zu finden, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist ein alter Traum der Menschheit. Beinahe alle religiösen und kulturellen Kraftanstrengungen aus der Geschichte finden in dieser Frage ihren letzten und gleichzeitig ersten Beweggrund. Unzählige Mythen wurden erfunden und philosophische Systeme zurechtgebastelt - und der Rest der Welt diesen Erklärungsmustern untergeordnet, einverleibt. Dann und wann kam es natürlich auch vor, dass die Malerei nicht nur als Illustration dieser sprachlichen Weltaneignungen diente, sondern dass sie selbst diesen Traum mehr oder minder farbenprächtig auf ein Trägermaterial pinselte. Man denke nur an die verzückenden Phantasiewelten, wie sie in der Barockzeit zuhauf entstanden sind und von den damals lebenden Menschen auch bewohnt wurden.

Kunst als Welterkenntis

Seit der klassischen Moderne gehört es endgültig zum Selbstverständnis der bildenden Kunst, eigenständige Wege zur Erkenntnis der Welt zu bieten. In vielgestaltiger Art und Weise präsentierte in der Folge die Kunst des vergangenen Jahrhunderts ihre Bilder der Welt. Anregend widersprüchlich und dem schnellen Blick widerstrebend mutierten viele Arbeiten zu wahren Denksportaufgaben. Inmitten dieses bunten Reigens träumte auch Victor Vasarely vom Inneren der Welt. Und er tat dies in einer enervierenden Selbstbeschränkung auf geometrische Formen und fand darin eine der stabilsten Welterklärungen: die Täuschung.

Begonnen hat es allerdings ganz anders. Der 1908 in Pécs geborene Gy´´oz´´o Vásárhelyi widmet sich zuerst zwei Jahre lang einem Medizinstudium, bevor er im ungarischen Ableger des Weimarer Bauhauses, dem "M´´uhely" (was soviel wie Werkstatt bedeutet) eine profunde Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker genießt. Nach seiner Übersiedelung nach Frankreich 1930 entwickelt er sich dort zum erfolgreichen Werbegrafiker; den Louvre besucht er erst zwei Jahre nach seiner Ankunft.

Anfänge in Frankreich

Erst während des Zweiten Weltkriegs, als die Aufträge spärlich sind, beginnt er sich intensiv mit moderner Malerei zu beschäftigen. Den Lebensunterhalt verdient er sich mit der Dekoration von Bonbonnieren und dem Entwerfen von Hüten, seine künstlerischen Anleihen bei der zweiten École de Paris, bei Jean Bazaine und Nicolas de Staël, bezeichnet er später als Irrwege. Dennoch verhilft ihm auch diese spezielle Form der Abstraktion zur Entwicklung seiner "geometrischen Kunst".

Die entscheidenden optischen Schlüsselerlebnisse lassen sich bei Vasarely geografisch verorten. Einmal glaubt er während eines Sommeraufenthaltes in Belle-Isle im Ufergeröll "jene innere Geometrie der Natur" zu erkennen, die ihn zu seinen Umspringfiguren und visuellen Irritationen anregen. Dann findet er diese optischen Grundgesetze der Natur in den feinen Rissen der Fliesen in der U-Bahnstation von Denfert-Rocherau. Schließlich eröffnen ihm die Fenster in seinem Bauernhaus bei Gordes eine neue Welt: "Vom Innern des Zimmers aus gesehen wurde diese Öffnung nun unter meinen Blicken zu einem Kubus, und ich fühlte mich wie verzaubert, weil durch die Bewegung des Sonnenlichts das Aussehen des Kubus beständig verändert wurde. Da war also der axonometrische Würfel, er war mobil, er vibrierte, er sprach für mich eine beredte Sprache und war doch das einfachste Phänomen, das man sich vorstellen kann. Befand ich mich dagegen draußen, dann war mein Würfel von undurchdringlicher Tiefe. Dann war er schwarz, und die gleiche Faszination trat in Kraft. Ich erkannte seinen Doppelaspekt, Weiß-Schwarz, Positiv-Negativ." Forthin wird er mit diesen malerischen Ingredienzien seine Betrachter herausfordern.

Betrachter als Akteur

Der einstige Medizinstudent findet zu einer für ihn idealen Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft. Allerdings gibt es bei Vasarely eine zweifache Verschiebung in der grundsätzlichen Position, wie Kunst arbeitet. Zum einen lassen sich seine Arbeiten nicht mehr kontemplieren, wie viele der in ausgewogener Komposition vollendeten Werke der alten Meister. Vasarely zwingt die Betrachter dazu, seine Komplizen zu werden, sie werden zu Akteuren. Zum anderen öffnet die Kunst von Vasarely nicht mehr einen Blick auf die Welt da draußen, sondern auf die diese Welt bedingende Wahrnehmung. Nach allen Regeln der Gestalttheorie, der Ähnlichkeit, der Nähe und der geschlossenen Form malt er nicht Räume, sondern Räumlichkeit, nicht Körper, sondern Körperlichkeit, nicht abstrakt, sondern Abstraktes. Und wenn Bewegung als zentrales Motiv auf diesen Arbeiten stattfindet, dann nicht in jener angestrebten Illusion der Futuristen etwa, sondern als Resultat des sensomotorischen Vorgangs bei unserem Schauen. Wie sonst kaum merkt man vor den Bildern von Vasarely, dass es den ruhigen Blick nicht gibt und wir daher immer eine unscharfe beziehungsweise unklare Welt entwerfen.

Victor Vasarely, Die Täuschung

Kunsthalle Krems

Franz-Zeiler-Platz 3, 3500 Krems-Stein

Bis 10. April täglich 1-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung