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Moderne Galerie und Wiener Werkstätte

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Akademie der bildenden Künste, Wien 1, Schillerplatz: Die Moderne Galerie des Kunsthistorischen Museums.

Ein bedeutendes Ereignis, eine große Ausstellung: Nach 18 Jahren Kellerdasein ist die Moderne Galerie aus der Versenkung auferstanden. Im Jahre 1903 als „Staatliche Moderne Galerie” gegründet, 1929 im Gebäude und Garten der Orangerie des Belvederes eröffnet, 1938, mit Einbruch der Kunstdiktatur, geschlossen, schlummerte sie in den letzten beiden Jahrzehnten in Kellerdepots. Ihr Schicksal war nach 1945 ungeklärt. Zu Anfang 1953 wurde die vormalige Oesterreichische Staatsgalerie in ein Museum österreichischer Kunst von ihren Anfängen bis zur Gegenwart umgewandelt. In die Orangerie kam das Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst, in das Untere Belvedere das Barockmuseum, in das Obere Belvedere die Oesterreichische Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Werke der neuen Kunst, die von ausländischen Künstlern stammten, wurden 1955 dem Kunsthistorischen Museum zur weiteren Verwahrung und Betreuung übergeben. Da im Kunsthistorischen Museum selbst für sie beim besten Willen kein Platz war, wurde versucht, ihnen anderweitig — wenigstens provisorisch — eine Heimstatt zu schaffen. Vergeblich. Alle Versuche schlugen fehl. Nun wird ein Teil der Modernen Galerie wenigstens in Form einer Ausstellung, die zwei Monate lang geöffnet sein wird, dem Publikum zugänglich gemacht; und zwar wird der Teil der Sammlung gezeigt, der den Zeitraum vom Impressionismus bis zur Gegenwart umfaßt. Die Darstellung der vorausgehenden Entwicklung soll einer späteren Ausstellung Vorbehalten bleiben.

Gezeigt werden 56 Bilder, fast durchweg Gemälde, darunter einige berühmte und viele sehr schöne. Am stärksten sind die deutschen Impressionisten vertreten: Lovis Corinth (zehn Bilder aus der Zeit von 1905 bis 1924, die letzten fünf zeigen sehr gut die reifste Entwicklungsphase des Künstlers), Max Liebermann, Max Slevogt (fünf Bilder, darunter die „Badenden Knaben”). Auch der französische Impressionismus ist gut vertreten: Edgar Degas (3), Edouard Manet (1), Claude Monet („Fischer an der Seine bei Poissy”, „Monsieur Paul”, „Der Gartenweg”), Auguste Renoir (2). Weitere Glanzstücke der Modernen Galerie sind: van Gogh („Die Ebene von Auvers”), Segäntini („Die bösen Mütter”), zVei Bilder von Carl Hofer, eines von Beckmann, eines von Nolde, vier von Munch. Von Cėzanne, Toulouse- Lautrec, van Gogh, Leger besitzt die Galerie nur je ein Gemälde. Paul Gauguin und Henri Matisse, Picasso und Braque, Klee und Chagall, Marc, Macke und Feininger, Kandinsky und Mondrian — um nur die wichtigsten Namen zu nennen — sind überhaupt nicht vertreten. Man merkt eben, daß die Galerie lange Jahre ein Untergrunddasein führte und durch zwei Jahrzehnte durch keinerlei Neuerwerbungen ergänzt wurde.

Eine Ausnahme macht hier die (16 Nummern umfassende) Plastiksammlung, die drei Bronzen von Rodin umfaßt. Sie wurde in diesem Jahre durch zwei Neuerwerbungen bereichert: - durch eine Bronzebüste von Alberto Giacometti und durch den „Reiter” („II miracolo”) von Marino Marini. So vieles in dieser Galerie auch fehlen mag: sie besitzt ein gutes Dutzend Gemälde, von denen jedes wert ist, daß man Stunden vor ihm verbringt.

Oesterreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien 1, Stubenring. Sonderausstellung im Eitelberger-Saal: „Wiener Werkstatt e”.

Ein einziger Saal für die „Wiener Werkstätte”? Das scheint uns nun doch etwas zu wenig. So sehr die „Wiener Werkstätte” und ihr üppiger Ornamentalstil, in dem sich „ver sacrum” und „neue Sachlichkeit”, Jugendstil und Sezession trafen, schon der Vergangenheit angehören: auch für ein spätes und bescheidenes Requiem auf eine einmal revolutionäre Unternehmung hätte man sich mehr Fülle gewünscht. Gezeigt werden Entwürfe von dem heuer verstorbenen Josef Hoffmann, von Kolo Moser und Dagobert Peche sowie von Gustav Klimt die Entwürfe für den Mosaikfries im Palais Stoclet in Brüssel. Dieses nun beinahe schon sagenhafte Palais eines Bankiers, 1905 bis 1911 von Josef Hoffmann erbaut und zu ebener Erde und im ersten Stock, vom Keller bis zum Dachboden mit österreichischem Kunstgewerbe, mit Arbeiten der „Wiener Werkstätte” ausgestattet, stellte aen Höhepunkt in der Geschichte dieser Institution dar. 1903, im selben Jahre übrigens wie die „Moderne Galerie”, von Josef Hoffmann und Kolo Moser in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsmann Fritz Wärndorfer gegründet, war die „Wiener Werkstätte” für mehr als ein Vierteljahrhundert Inbegriff österreichischen Kunsthandwerks. Ihre Entwürfe erstreckten sich auf alle Gebiete des täglichen und feiertäglichen Lebens, Bestecke und Service, Stoffe und Lampen, Bucheinbände und Schmuck, Silber und Gold, und wollten so zu einem neuen Lebensentwurf, einem Lebensstil beitragen, der ihrer Zeit entsprach. Indem sie diel versuchte, können wir heute, wieder ein Vierteljahrhundert später — die „Wiener Werkstätten” scheiterten 1931 aus finanziellen Schwierigkeiten —, aus ihren Arbeiten den Zeitgeist einer vergangenen Epoche ablesen.

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