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Mozart und Richard Straub

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Das unmittelbare Erleben der beiden Opern. „Figaro“ und „Cosi fan tutte“. während der Salzburger Festspiele gab Gelegenheit, die Kontraste der unerschöpflichen und wunderbaren musikalischen Zeichnung Mozarts, die Mannigfaltigkeit ihrer formellen Struktur zu verfolgen, da beide Aufführungen sich auf einem gleich hohen Niveau hielten und den inneren Reichtum der Opern ausschöpften. Wieder hörten wir den „F i g a r o“ in den guten italienischen Versen, an die sich die Musik aufs innigste anschmiegt, und konnten uns so aufs schönste dem Zauber der Stimmen hingeben. Uber allem schwebte der glockenklare, innige Gesang von Maria Cebotari als Gräfin. In ihm klang die Lauterkeit dieser Frau, die mit Bangen alles, selbst die frauliche Würde für ihren geliebten Mann wagt. Ein echter Geselle des Sturmes und Dranges war Erich Kunz als Figaro, der stimmlich und darstellerisch gewachsen ist. Irmgard Seefried spielte die Susanne mit reizender, frischsinnlicher Koketterie, und ihr weicher Sopran brachte den Mozartschen Stil mit gereifter Gesangkunst zu leuchtender Entfaltung. Die geistreichen Tonmalereien und koloristischen Effekte im Orchester behandelte Josef Krips stilvoll und schuf durch Präzision der Einsätze eine reine Atmosphäre. Die Regie Lothar Wallersteins brachte eine Fülle lebendiger Momente; fein pointierte Episoden reihten sich an großzügig gestaltete, aufgelockerte Szenen, aus denen sich der immer bewegte dramatische Ablauf zu einer vollendeten Leistung zusammensetzte.

Etwas zu schwer hingegen war der witzige Buffoton in der Oper „Cosi fan tutte“ im Orchester durch Josef Krips ausgedrückt, der schillernde Farbenwechsel zu pastos in der Anlage. Allerdings dürfte dieser Mangel zum Teil auf die ungünstige Akustik des Landestheaters zurückzuführen sein. Die Symmetrie des Spiels brachte die Regie von Oskar Fritz Schuh nicht voll zur Geltung, ebenso entbehrte das Bühnenbild der duftigen Grazie und schwebenden Schattenleichte. Die Gesangstimmen hingegen, die Glanz und durchwegs einen kunstvoll differenzierten Vortrag aufwiesen, wurden gleichsam mit spielerischer Leichtigkeit, ungeachtet aller Intensität seelischer Bewegung, über dem etwas schweren Orchester geführt. Innigkeit des Gefühls und schwelgerische Trunkenheit blühte in den Stimmen der beiden Paare Fiordiligi — Irmgard Seefried, Dorabella — Sena Jurinac, Gugliemo — Erich Kunz, Fernando — Anton Dermota. Dem ränkeschmiedenden Alphonso verlieh Paul Schöffler die Resonanz seiner starken Persönlichkeit, zwischen den Gruppen flatterte als reizende Despina Hilde Güden.

Die letzte Oper im diesjährigen Reigen war die „A r a b e 11 a“ von Richard Strauß. Es war sehr anregend, bei den heuer zur Aufführung gelangten Opernwerken die verschiedenartige Ausdrucksform des schöpferischen Ingeniums festzustellen: die vollendete Einheit des szenischen und musikalischen Grundgedankens bei „Figaro“, die kristallklare Anmut eines feingefügten Tongewebes bei der Oper „Cosi fan tutte“, die dynamisch-rhythmische Gestaltung der Dramatik bei „Dantons Tod“ und schließlich die tonmalende Sprache in der „Arabella“. In der unmittelbaren Nachbarschaft der ewig gültigen Musik Morzarts und des neuen „musikalischen Theaters“ bei Einem traten die Schwächen der „Arabella“ von Strauß besonders deutlich zutage. Dem Libretto — dem schwächsten von Hofmannsthal — haftet etwas Operettenmäßiges und Sentimentales an; im Gegensatz dazu steht die manchmal allzu derbe und pathetische Tonmalerei, wodurch eine Uneinheitlichkeit in diesem Gemeinschaftswerk Strauß-Hofmannsthal entsteht. Hinzu kommen noch Längen und Uberstreckungen persönlicher Sonderbetrachtungen des Komponisten, die er im Getriebe seiner lyrischen Komödie mitlaufen läßt. Es ist unverkennbar, daß diesem Werk von Richard Strauß, obwohl es eines seiner letzten ist, bereits der Staub der Vergangenheit anhaftet und daß es in der Entwicklung des Musikdramas auf einem Seitenpfad stecken geblieben ist.

Dr. Carl Böhm, der als enger Mitarbeiter des Komponisten mit den Geheimnissen der Partitur vertraut ist, realisierte die „Arabella“-Musik mit gezügelter Ko-mödienhaftigkeit und viel Blutwärme. Günther Rennen, der Gastregisseur aus Hamburg, verstand es, die auf heiterer Spielfläche heraufbeschworenen Konflikte zu dichten und zu lösen, so daß Schwächen und Längen überbrückt wurden. Den Sängern, in erster Linie Maria Reining als .Arabella, Lisa della Casa als Zdenka (eine neue Sängerin, die durch lebendiges Spiel und schöne Stimme besonders auffiel), Rosette Anday als Adelaide, Hans Hotter als Mandryka, Georg Hann als Graf Waldner, ist es zu danken, daß- die Aufführung trotz der musikalischen Schwächen ein Genuß wurde, einer jener Festspielabende, die uns über den Alltag hinausheben.

Die Opernaufführungen der heurigen Festspiele gaben einen schönen Beweis von der Aufbauarbeit der Wiener S“aatsoper, denn mit kleinen Ausnahmen bestritten Kräfte dieses Kunstinstituts das Festspielprogramm. , E. L o r b e k

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