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Museum österreichischer Kultur

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Zwei Modelle der Wiener Burg bilden einen Kernpunkt des in der Neuen Hofburg seit kurzen Jahren eingerichteten Museums österreichischer Kultur. Sie zeigen nicht bloß die Architektur, sondern gestatten, diesen Gebäudekomplex als einen lebenden Organismus der äußeren und inneren österreichischen Geschichte nachzuweisen.

Im Mittelalter die Befestigung an der gefährdetsten Stelle der Stadt mit dem Charakter eines Wehrbaues, in den folgenden Jahrhunderten der Sitz der Regierung über weite Länder und als solcher geeignet, die kulturellen Wellen sichtbar zu machen, die von außen empfangen wurden und die von diesem Zentrum ausgingen. Es verändern sich nicht nur die Jahreszahlen, sondern mit jeder Generation auch die kulturelle Struktur, nicht bloß die äußere Form des Lebens, sondern auch die Elemente der Zivilisation und der Mentalität. So läßt sich an dem Burgmodell zeigen, daß nicht bloß das Staatsoberhaupt und seine Familie hier in der jeweils entsprechenden Art zu residieren hatten, daß der Rahmen für die Staatsakte in ihrer wechselnden Form vorhanden sein mußte, für Österreich also die Erbhuldigungen, für das Deutsche Reich Lehensverleihungen, Verhängung der Acht und anderes; in der Nähe des Regierungssitzes mußten die immer mehr anwachsenden Ämter funktionieren, Hoferbämter, seit Max I. auch das niederösterreichische Regiment, dann die Reichskanzlei, die italienischen und niederländischen Kanzleien und andere. Es war weiter notwendig, daß Unterkunft für die Gäste (Wiener Kongreß!), dann für das Hofgefolge, Herren und Diener, geschaffen wurde. Es waren auch schon soziale Einrichtungen vorhanden, das kaiserliche Spital, der Zehrgaden, Küchen und Keller, nicht zuletzt Kirchen, Kapellen und Klöster für die einen wichtigen Teil der öffentlichen Zeremonien darstellenden religiösen Feiern mit Begräbnisstätten für Regenten und Funktionäre, die zahlreichen Werkstätten für Erhaltung und Erzeugung der mannigfaltigen und ungemein zahlreichen Einrichtungen und dem Leben in der Burg dienenden Geräte, die geistige Ausrüstung, die Bibliotheken und die sehr umfassend wissenschaftlich gerichteten Sammlungen aller Art, Kristallisationskerne der heute selbständig gewordenen Archive, Bibliotheken und Museen ieder Richtung.

Österreich wesentlich beitragen, dann kommt die historische Entwicklung des Länderbestandes, begleitet von dem Nachweis charakteristischer Kulturdenkmale seit den Kelten über Römerzeit und Mittelalter bis zur Monarchie und der Republik, wobei die Wechselwirkung zwischen der Zentralmacht und den Nebenländern nachgewiesen wird. Es hat sicher ein Kulturgefälle von Rom, By-zanz, vom Rhein, der Lombardei und Belgien zur Donau stattgefunden, aber auch in Brüssel sind die Akademien der Wissenschaften und der Künste, Handels- und Verkehrseinrichtungen unter Maria Theresia geschaffen, in Mailand die Scala ebenfalls in dieser Zeit und in Venedig die Lagunenbrücke im 19. Jahrhundert erbaut worden. Andererseits ist von Wien aus in reichem Umfang Kultur in die Kronländer, so in die Bukowina, mit der der Wiener so nahestehenden Czernowitzer Universität oder gar während der 40 Jahre der Okkupation nach Bosnien verbreitet worden.

Die Einrichtung der Verwaltung Innerösterreichs mit, der Selbständigkeit der steirischen Linie, die, zur Abwehr der Türkengefahr geschaffen, die Raubzüge durch Bauten meist italienischer Architekten (Leonardo da Vinci), durch die Einrichtung eines Aufgebots an Mann und Waffen (Grazer Zeughaus), die Schaffung finanzieller Einrichtungen, abwehren sollten, bis diese Abwehr sich nach Südosten fortsetzte, in der Militärgrenze stabilisiert wurde und weitgehende Entsumpfungsanlagen, Bodenverbesserungen, Schuleinrichtungen, mit sich brachte. Dies alles ist im Kulturmuseum schon jetzt zu sehen.

Es fügt sich daran die Aufzeigung des Werdeganges einzelner Elemente geistiger und materieller Kultur, so besonders der Finanzen, des Münz- und Geldwesens

— Erstausprägung schwerer Silbermünze, Mariatheresientaler, Stadtbanco, Postsparkasse —, dann seit langem vorbereitet der Hebung der Bodenschätze und der dafür geschaffenen planmäßig sich schließenden Wirtschaft (Erzberg, Salzkammergut), dessen Untergang weithin die Landwirtschaft und andere Sparten des öffentlichen Lebens in Mitleidenschaft zog.

Industrie und Gewerbe werden in ein paar für Österreich charakteristischen Beispielen gezeigt, Erzeugnisse in Art und Umfang nachgewiesen, aber auch die allmählich sich ausbildenden sozialen Einrichtungen und die wirtschaftliche Bedeutung zum Ausdruck gebracht. Hat die Linzer Wollzeugfabrik 1750 ihre Arbeitskräfte aus Heimarbeitern, aber auch aus dem Arbeitshause bezogen, so sind 100 Jahre später in der ärarischen Papierfabrik Schlöglmühl bereits Werkspital, Schule und anständige Unterkunft vorgesehen. Die große Wichtigkeit der Energiequellen, Wasser und Wind, wird in Modellen von Windmühle, Schiffsmühle, Wasserrädern in ihrer steigenden Kapazität dargestellt.

Auch der Ausbau des Verkehrs mit seinen wechselnden Mitteln und Wegen ist schon zu ersehen. Zu diesen hier in einigen Beispielen — Donau, Eisenbahn

— aufgeführte Nachweis der sich ausbildenden österreichischen Kultur kommt die allmählich langsame Verwirklichung eines großen Bestandes an Modellen charakteristischer Bauten und technischer Einrichtungen. Die Hilfe ungewöhnlich geschickter Mitarbeiter auf dem Gebiete graphischer und plastischer Darstellung hat nicht vorausgeahnte Möglichkeiten eröffnet.

Zusammenfassend wird als Grundidee die Anregung produktiv kritischen Beobachtens und Nachdenkens, die Wiedergabe historischer Dynamik als nicht mehr zu entbehrende Form musealer Arbeit in den Vordergrund gerückt und die Darstellung der merkwürdigerweise zum großen Teil erst zu erforschenden Kulturgeschichte Österreichs grundlegend betont. Als vielleicht einziges Land muß Österreich das abgebaute Ordinariat für seine heimische Geschichte erst wieder einrichten und ebenso publizistisch und museal seine großen kulturellen Leistungen, die es als ein wesentlicher und produktiver Faktor Europas vollbracht hat, vor aller Öffentlichkeit nachweisen. Es bedarf hiezu eines großen Idealismus, der sich bei einer nicht geringen Zahl von Mitarbeitern, vielfach Studenten, gefunden hat, aber auch des Interesses weiterer Kreise, das sich durch Unterstützung — von der Industrie hat bisher eine einzige Firma geholfen — und auch in der Zuweisung von museal und fachmännisch nicht verwerteten Beständen öffentlicher Behörden und Anstalten hoffentlich äußern wird.

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