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Musik von gestern und heute

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Im Rahmen der Wiener Festwochen folgten einige Konzerte mit Werken zeitgenössischer österreichischer Komponisten verschiedener Richtungen so knapp aufeinander, daß sich Vergleiche und Erwägungen allgemeiner Natur geradezu aufdrängen. Daß hiebei die in unserem letzten Musikbericht („Die Furche“ Nr. 25 vom 16. Juni 1951) genannten Kompositionen, die von der „österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik“ aufgeführt wurden, im großen und ganzen nicht gut abschneiden, ist keineswegs der Bevorzugung der „fortschrittlichen“ Richtung vor der .konservativen“ zuzuschreiben. Wozu man immerhin feststellen könnte, daß es nicht ganz unwesentlich ist, ob jemand in der Avantgarde kämpft oder im Train marschiert. Unser Werturteü ergibt 6ich vielmehr aus den Kriterien: originaler Einfall, Klangphantasie, Formbegabung (die sich — entgegen der landesüblichen Gepflogenheit — nicht in der Kopierung klassischer Formen zu erschöpfen braucht), Beherrschung des Handwerks und anderen. Sein Gesicht, seinen Stil empfängt ein Werk freilich erst von der Persönlichkeit des Komponisten: von dessen Kunstgesinnung und ethischer Haltung. Und jenseits des Aberglaubens an den Fortschritt, auch jenseits aller künstlerischen Mpdeströmungen ist der echte Künstler — auf eine sehr ernste, tiefe und verantwortungsvolle Weise — auch seiner Zeit, seiner Gegenwart verhaftet und verpflichtet. Wir sind, um es deutlich zu sagen, der Meinung, daß man im Jahre 1951 nicht mehr genau so komponieren kann wie um 1890. Aus dieser Zeit aber scheinen einige der von deT OGZM aufgeführten Werke zu stammen. — Sehr bezeichnend ist auch die Stilimitation: bei Siegl des vorkla ischen Stils, bei Marco Frank, Joseph Marx, Kaufmann, Hasenöhrl, Leukauf und Skorzeny des romantischen oder 6pätromantisdien.

Fast ebenso bezeichnend ist auch die Art des Lyrismus und des Humors, der hier gepflegt wird: nicht minder bezeichnend der literarische Geschmack, wie er in der Textwahl Ausdruck findet. All das ergibt, im Detail-und Gesamteindruck, ein geschlossenes Bild einer bestimmten künstlerischen Richtung, und es ist durchaus logisch, daß diese in eigenen Konzerten In Erscheinung tritt. (Grenzfälle innerhalb der beiden Konzerte der ÖGZM bildeten die Kompositionen von Weißensteiner, Rubin und S. C. Eckhardt-Gramatte.)

Wesentlich neue Musik mit all ihrer Problematik, ihren Schwierigkeiten und Zumutungen an den Hörer, der nicht geschont wird — aber auch mit allen positiven Eigenschaften einer ehrlichen, zeitgenössischen Kunst ausgestattet, stellte ein Orchesterkonzert der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ unter der Leitung von Herbert Hafner, ausgeführt von Mitgliedern der Wiener Symphoniker, zur Diskussion. — Die Komponisten Schönberg, Schollum, Wildgans und Schiske weisen, von gewissen Äußerlichkeiten — etwa der kammermusikalischen Besetzung des Orchesters — abgesehen, kaum gemeinsame Züge auf. Sie sind durchaus Individualisten und schreiben ihren eigenen Stil. Sie erscheinen auch als die eigentlichen Traditionalisten: in der Art etwa, wie sich im mittleren, langsamen Satz von Schi6kes Kammerkonzert die- Melodie eines Mailiedes des Minnesängers Neithart von Reuenthal in den Gesamtste des Werkes einfügt, wie Wildgans die traditionellen Formen de6 Quodlibets und der Variation in seinem zweiten IClari-nettenkonzert auf originelle Art erneuert, wie das romantische Espressivo in der zweiten Kammersymphonie Scnönbergs und in dem Klavierkonzert von Robert Schollum durchaus eigen-ästig weiterentwickelt und verfeinert wird. (Drei Orchesterlieder von Manfred Nedbal paßten nicht in diesen Rahmen und belasteten zusätzlich dieses schwierige, aber hochinteressante Programm, dessen einzelne Stücke — als Ur- und Erstaufführungen — durch Herbert Häfner mit jener Sicherheit interpretiert wurden, die aus dem ständigen Umgang mit dem schwierigen Material der neuen Musik erwächst.) ?

Jenseits künstlerischer Diskussion stehen die drei Werke, die Karl Böhm auf das Programm eine6 Samstagnachmittagskonzerts gesetzt hatte, das die Wiener Philharmoniker gemeinam mit der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot veranstalteten. Zwischen Mozarts „Jupiter“-Symphonie und dem .Tannhäuser“-Vorspiel erwiesen sich Hindemiths „Symphonische Metamorphosen“ über ein Thema von Weber als ein Standardwerk anspruchsvoller, zeitgenössischer Unterhaltungsmusik, das beim Publikum keinen geringeren Erfolg hatte als die klassischen Nachbarn. Ein weiterer Beweis dafür, daß neue Musik auch einem keineswegs aus Kennern und Moderni6ten zusammengesetzten Auditorium gefallen kann — was der Chronist mit einiger Befriedigung vermerkt.

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