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„Mut zum Häßlichen“

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Wer für die Kirche bauen will muß zuerst glauben, dienen und gehorchen; dann erst — und nur unter dieser Voraussetzung — kann er sich auf seine künstlerische Freiheit berufen.

Als sicher vorübergehende Zeiterscheinung findet man allenthalben den „Mut zum Häßlichen“: In der Mode (die kurvenlose, magere Frau ohne Frisur, im Sackkleid, der Gammler Look), im Film (nackt und brutal), in der Malerei und Plastik (Figuren aus Verkehrsschildern, Draht und alten Flaschen), in der Literatur nihilistischer Sex mit Perversion), in vielen anderen Bereichen und — leider — auch in der sakralen Architektur. Warum stellt man wohl auf einmal in Frage, ob es eine sakrale Kunst im allgemeinen und eine sakrale Architektur im besonderen gibt? Wenn es deshalb geschieht, weil das, was man will, eben nicht mehr sakral ist, dann müßte man es gelten lassen. Wenn aber solche Thesen als Richtlinie für Architekten aufgestellt werden,

dann wird die Auffassung gefährlich. Im Kapitel VII der Konstitution über die heilige Liturgie steht zu lesen:

„Zu den vornehmsten Betätigungen der schöpferischen Veranlagung des Menschen zählen mit gutem Recht die schönen Künste, insbesondere die religiöse Kunst und ihre höchste Form, die sakrale Kunst. Vom Wesen her sind sie ausgerichtet auf die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken irgendwie zum Ausdruck kommen soll, und sie sind um so mehr Gott, seinem Lob und seiner Herrlichkeit geweiht, als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist, als durch ihre Werke den Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden.“

Auf breiter Front haben sich aber in der modernen Kunst jene in den Vordergrund gespielt — auch in der sakralen Kunst und in der Diskussion über sie —, welche „schocken“ wollen und experimentieren. Neue Wege brauchen Experimente, wenn es ehrliche Versuche und Wagnisse sind, um diese Wege zu finden. Wer aber experimentiert, um zu schockieren, ist auf einem falschen, gefährlichen Weg. Das Auffallenwollen um jeden Preis ist dem Niveau der Illustrierten entliehen; es führt verläßlich zum Ziel der Popularität: Steige auf das Dach einer Universität und erschieße von dort aus Menschen, lasse dich rein zufällig nackt für eine Illustrierte photographieren, veranstalte eine Publikumsbeschimpfung oder ein Happening, du wirst am nächsten Tag in aller Munde sein; und baue Kirchen, die keine sind,

die verläßlich nichts Sakrales mehr an sich haben, die die christliche Gemeinde zuverlässig schockieren, echte Verrichtungshallen in Seelsorgeanlagen (welch gräßliche Wortschöpfung) und die Fachpresse wird sich deiner wohlwollend annehmen. Sie wird dir bescheinigen, daß die revoltierende Gemeinde und der entsetzte Priester erzkonservativ sind und von wahrer Kunst nichts verstehen.

Antithesen zu den Thesen

Im Sinne des bisher Gesagten soll Stellung genommen werden zu den erwähnten Thesen des Architekten Uhl:

Auch im Zeitalter der Demokratie sind die Konzepte für den liturgischen Raum nicht von der Gemeinde, sondern von und durch die Autorität der Kirche zu erstellen.

• „Der Begriff des .Sakralen' kann für den Kirchenbau heute kein Ausgangspunkt mehr sein.“

Und ob! Auch Gott will in dieser Welt repräsentiert werden. Die Architektur ist auch heute noch eine Kunst auf Bestellung und ermöglicht in ihren Werken die durch den Auftraggeber gewollte Funktion. Nur die Auftraggeber haben sich geändert: Es ist eben nicht mehr Prinz Eugen, sondern die UNO ... Wir sind nicht nur zur Nächstenliebe verpflichtet (das ist der Freimaurer auch), wir sind auch zur Anbetung und Verherrlichung Gottes verhalten. Christus ließ sich mit dem teuren öl salben, obwohl Er auf den hohen Preis hingewiesen wurde, und wir wollen Ihm heute nur mehr ausgeräumte Zweibettzimmer als Haus-kapellen zur Verfügung stellen? Mag auch sein, daß manchem ein Kruzifix zu sakral ist, er sollte aber auf unseren Altären doch nicht durch das Mikrophon verdrängt werden (obwohl dieses funktionell von großer Bedeutung ist).

• „Die stimmungsmäßigen Elemente im Bauen sind sehr kritisch zu überprüfen.“

Ja, tun wir das; in jeder Richtung; auch bei kleinsten Kapellen und baulichen Details wie Stahlrohrgitterträgern, Lichtkuppeln, Beichtstühlen und so weiter. Nicht nackte Betonwände und ins Auge springende Konstruktionen mit viel Eigenleben erzeugen die richtige Stimmung, sondern nur klare und wahrhaft

moderne, sparsam ausgestattete Architektur vermag dies.

• „Das Wissen um Gott kann sich nur im Wort, nicht im Stein realisieren.“

Nein, das Wissen um Gott kann sich — und soll sich! — in allen Bereichen menschlichen Lebens realisieren. Und in erster Linie wohl im sakralen Raum. Das wäre eben die Kunst, dieses Wissen auch im Stein zu realisieren.

• „Es hat keinen Sinn, die Bauten der Gemeinde als Zeichen oder als Symbol aufzufassen.“

Nicht nur — bei weitem nicht! —, aber doch auch. Sind in unseren Städten die Dome, in unseren Dörfern die Kirchen nicht gültige Zeichen? Muß in Hinkunft jedes dominante Bauwerk von einer Versicherung oder vom Gewerkschaftsbund sein? Wir haben geradezu die Pflicht,

auch die Herrlichkeit und Kraft Gottes mit unseren Bauten zu symbolisieren; die Allmacht Gottes und Seine übergroße Liebe. Die Frage ist nur, wie wir es tun sollen; ob zum Beispiel weiterhin nur himmelweisende Türme gültige Ausdrucksmittel sind, i

• „Kein Zeichen aus Stein kann den modernen Menschen (im besten Sinn) überzeugen.“

Das ist auch nicht die Aufgabe der „Zeichen aus Stein“. Diese können aber hinführen zum Gemeinschaftserlebnis, zur Meditation, zur lebenden Kirche, welche sich in den Menschen realisiert; und sie können ansprechend und zweckentsprechend sein oder abstoßend und von der Funktion her unbrauchbar. Danach wird sich richten, ob die Zeichen aus Stein hinführen können zum Erlebnis der Uberzeugung.

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