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Neue Ergebnisse der Mozart-Forschung

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Nach vieljähriger, zeitbedingter Pause war von der .Internationalen Stiftung Mozarteum“ für 1951 wieder eine musikwissenschaftliche Mozart-Tagung einberufen worden, die unter Teilnahme von Mozart-Forschern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Salzburg vom 11. bis 14. August stattfand und sich der regen fördernden Anteilnahme der offiziellen Stellen von Land und Stadt erfreuen konnte. Uber die Wiederherstellung des persönlichen Kontakts unter den maßgebenden Mozart-Forschern und über die nunmehrige Reaktivierung des „Zentralinstituts für Mozart-Forschung“ unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. W. Fischer (Innsbruck) — Ehrenvorsitz Univ.-Prof. L. Schieder-mair (Bonn) — hinaus, erbrachte die Tagung den Beweis, daß auch in den letzten Jahren neue Ergebnisse auf dem Gebiet der Mozart-Forschung zutage gefördert wurden und mancherlei Probleme um den großen Sohn der Salzachstadt und um sein Schaffen lebendig geworden sind und der Lösung zugeführt werden konnten.

Für die breite Öffentlichkeit und unser Musikleben am augenfälligsten war wohl die von Univ.-Prof. H. Engel (Marburg) vorgelegte, bisher unveröffentlichte Symphonie Mozarts (KV., Anh. 214) aus dem Jahre 176 8, die durch das Schülerorchester des Mozarteums zum erstenmal seit mehr als 180 Jahren wieder dargeboten wurde. Eine Meisterleistung praktisch ausgewerteter wissenschaftlicher Arbeit erbrachte Univ.-Prof. Fischer (Innsbruck), der unter exaktem Nachweis des Formwillens und der Gestaltungspraxis Mozarts die Fehler der überlieferten Süßmayrschen Vollendung des „Lacrimosa* in Mozarts Requiem nachwies und das nach der künstlerischen Absicht des Meisters überzeugend rekonstruierte Stück durch den Chor der Sommerakademie unter H. Schmeidel aufführen ließ.

Dem stilkritischen Erfassen von Mozarts Werk galten die Referate von Univ.-Professor Th. Georgiades (Heidelberg) über innere Abgrenzungen der musikalischen Sprache bei den Klassikern, besonders Mozart, gegenüber den Vorläufern und der nachfolgenden Romantik, und von Dr. Dennerlein (Bamberg) über Mozarts Klaviersonaten. Mit Vortragsproblemen befaßten sich Univ.-Professor Gerstenberg (Berlin): „Vom dynamischen Vortrag in Mozarts Musik“ und Univ.-Prof. Steglich (Erlangen): „Uber Mozarts Adagiotakt“. Uber „Mozarts Kontrapunktik im Lichte des Ricercare-Typus“ sprach Prof. Cherbuliez (Zürich) und eröffnete damit neue historische Gesichtspunkte für die Betrachtung der „Fuge“ der Klassiker. Mit der Untersuchung der „g-moll-Tonart bei Mozart“ leitete Doktor Tenschert (Wien) schon zum Persönlichkeitsbild über, dem auch Dr. Valentin (Detmold) mit Darlegungen zu „Mozart als Persönlichkeit“ neue Lichter aufsetzte.

Der Lebensgeschichte Mozarts und seinem Umkreis war der Vortrag von Univ.-Prof. Orel (Wien) „Zu Mozarts drittem Wiener Aufenthalt (Sommer 1773)“ gewidmet, der die Hintergründe dieser Reise aufdeckte, die erste Aufführung Mozartscher Musik auf einer Wiener Bühne nachwies (Musik zu „König Thamos“, 4. April 1774, Kärntnertortheater) und die Familiengeschichte der bisher nicht agnoszierten, mit Mozarts eng befreundeten „Fischerischen“ brachte, ferner Univ.-Prof. Haas (Wien) mit neuem Material über „Mozarts Schüler Anton Eberl“. Endlich erbrachte noch Dr. E. F. Schmid (Augsburg) den überraschenden Nachweis, daß die unter Joseph Haydns Namen bekannte „Kindersymphonie“ in Wahrheit eine Komposition von Leopold Mozart ist.

Aus dem Historisdien führte Professor O. F. Schuh (Wien) mit seinem Vortrag „Mozart und das musikalische Theater“ in die Gegenwart, indem er die beherrschende Rolle beleuchtete, die Mozarts Opernwerk gerade heute auf der ganzen Welt zukommt. Die anschließende Schlußsitzung der Tagung legte entsprechend dem Eingangsvortrag Hofrat Prof. Paumgartners (Salzburg) über den „Aufgabenkreis der Mozart-Forschung“ das Programm für die weitere Arbeit des „Zentralinstituts für Mozart-Forschung“ bis zur nächstjährigen Versammlung fest. Ein regelmäßig erscheinendes Mozart-Jahrbuch und Neuausgaben von Mozartschen Werken in wissenschaftlich und praktisch einwandfreier Gestalt, werden nach außen hin davon Zeugnis ablegen. Auf Grund der ausführlichen Darlegungen von Dr. G. Rech (Salzburg), der gemeinsam mit Generalsekretär Heidi auch die organisatorischen Arbeiten vor und während der Tagung vorbildlich durchgeführt hatte, wurde die Frage um das Schicksal des teilweise kriegszerstörten Wohnhauses Mozarts auf dem Makartplatz eingehend besprochen und in einer Resolution gegen die private Absicht, an seiner Stelle ein modernes Bürohaus zu errichten, schärfster Protest eingelegt. Die internationale Stiftung Mozarteum mit ihrem Präsidenten Komm.-Rat J. Chr. Bösmüller (Salzburg) an der Spitze hat mit der Einberufung der Mozart-Tagung 1951 ein überaus wichtiges Gebiet ihrer Tätigkeit wieder aufgenommen und mit der Wiederorganisation der Internationalen Mozart-Forschung im „Zentralinstitut für Mozart-Forschung“ wertvollste Aufbauarbeit geleistet. Die Musikwissenschaft der ganzen Welt möge ihr durch rege Mitarbeit gebührend danken.

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