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Neue Funde in Lykiens Königsresizdenz

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Das Museum von Antalya beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen griechisch-römischer Kunst, so das „Leergrab“ des Augustus-Enkel Gaius Caesar.

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Das Museum von Antalya beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen griechisch-römischer Kunst, so das „Leergrab“ des Augustus-Enkel Gaius Caesar.

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Die Erforschung der längst in jüngeren Völkern aufgegangenen Lykier macht Fortschritte. Die heurige Kampagne während der Monate August und September konzentrierte sich auf drei Grabungsplätze: einen im Nordwesten der im vierten Jahrhundert v. Chr. nach einem Rastersystem zu Füßen der Königsresidenz von dem lyki- schen König Perikle gegründeten Stadt und einen zweiten auf einer 11,20 Meter breiten Straße aus der römischen Kaiserzeit. Der dritte lag in der sogenannten Nekropole V. Diese am weitesten von der Stadt entfernte Bestattungsstätte weist 89 in den Felsen geschlagene, die Front von Holzhäusern nachahmende Gräber, acht Grabhäuser und 26 Sarkophaggräber auf.

Fast alle waren Familiengrablegen, in denen die Toten in ausgestreckter Rückenlage beigesetzt worden waren. Die Architektur läßt iranische, ägyptische und ionische Einflüsse erkennen — gehörte Lykien doch im Lauf seiner Geschichte abwechselnd zu Persien beziehungsweise Griechenland, nach dem Tod Alexanders des Großen zum (ägyptischen) Ptolemäerreich und schließ lich zum römischen Imperium.

Vor 25 Jahren erhielt Professor Jürgen Borchhardt, damals noch Assistent für Klassische Archäologie am Deutschen Archäologischen Institut, die Grabungslizenz für die ly- kische Stadt Limyra im Süden der heutigen Türkei. Als er 1982 an das Institut für Klassische Archäologie der Wiener Universität berufen wurde, setzte er mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissen-schaftlichen Forschung seine Grabungen fort.

1990 stellte Borchhardt im Rahmen der Ausstellung „Götter, Heroen, Herrscher in Lykien“ im Waffenkeller der Schallaburg einer breiten Öffentlichkeit anhand von Fundgegenständen und Modellen das indogermanische Volk der Lykier vor, das sich ab dem sechsten Jahrhundert v. Chr. östlich des Flus- • ses Indos bis hin zum Golf von At- taleia (Antalya) niedergelassen und die Städte Xanthos, Temessos, Trysa, Limyra, Olympia und Myra gegründet hatte. Jetzt wurden die wissenschaftlichen Untersuchungen von Limyra offiziell als unter der Patronanz des Rektors stehende Universitätsgrabung deklariert.

Keine Grabung gab es heuer am Ptolemaion, einem über quadratischem Grundriß errichteten Rundtempel zu Ehren des ägyptischen Königs Ptolemaios II. und seiner Schwester-Gemahlin Arsinoe II. aus dem Beginn des dritten Jahrhunderts v. Chr., weil das Areal, auf dem wahrscheinlich der irgendwann vom Sockel gestürzte Altar liegt, bislang nicht enteignet worden ist und somit nicht freigelegt werden kann. Bereits geborgene Architekturteile und Statuen von diesem, dem Herrscherkult dienenden Bau befinden sich dagegen bereits ebenso im Archäologischen Museum von Antalya (Antalya Müzesi) wie solche vom Heroon des Perikle.

Eindrucksvoll präsentiert stehen sie in der Freilicht-Galerie der laut dtv-Merian-Reiseführer „bedeutendsten Sammlung griechisch-römischer Kunst südlich von Athen“. Links sieht man einen von vier steinernen Löwen, der, an der Nordwest-Ecke des Podiums postiert, die Funktion eines Gebäudewächters besessen hat, daneben Kentauren- Szenen vom Unterbau des Ptolemai- ons und rechts einen über die enthauptete Medusa triumphierenden 1,70 Meter hohen Perseus und eine 1,20 Meter große Gorgone von der Nordseite des Heroongiebels.

Bald schon im Museum zur Schau gestellt werden eine Karyatide und einige weitere Reliefblöcke vom Heroon. Vorläufig befindet sich die Karyatide, die als eine von vier Stützfiguren den Tempel getragen hat, noch im neu erbauten Depot in Limyra. Das türkische Militär hat sie und die Friesfragmente über Anordnung des Generalstabes im Sommer per Hubschrauber von ihrem Standort in 218 Meter Höhe in das aus zwei großen Gebäuden und einem Innenhof bestehende Depot in der Ebene geflogen.

Der Grund für die Rettungsaktion liegt Jahre zurück. 1990 nämlich wurde durch das Feuer eines unbekannt gebliebenen Brandstifters un- ?efähr ein Viertel der in den letzten ahren ausgegrabenen Reliefs vom Heroon vernichtet, sodaß bessere Sicherheitsmaßnahmen angebracht erschienen.

GRAB DES AUGUSTUS-ENKEL

Von Professor Borchhardt zeichnerisch rekonstruiert und publiziert wird eben der einst 16 Meter lange Fries von einem anderen großen Bauwerk: dem Kenotaph für Gaius Caesar. 1967 bei einer Begehung der westlichen Unterstadt per Zufall entdeckt, 1971 bis 1974 und 1981 untersucht, ist das 18 Meter hohe, im Auftrag von Kaiser Augustus für seinen im Jahre vier n. Chr. in Limyra ver-storbenen 24jährigen Enkel ausgeführte „Leergrab“ eines der prächtigsten Kunstwerke der Zeit gewesen.

Nachdrücklich beweist das eine fast 2,10 Mete? hohe und 0,91 Meter breite, reliefierte Marmorplatte, die Borchhardt erst 1993 in zirka 60 Meter Entfernung vom Kenotaph gefunden hat und die ebenfalls im Archäologischen Museum ausgestellt werden wird. Die Szene gibt prunkvoll aufgezäumte Pferde wieder, begleitet von Männern verschiedenen Alters. Interpretiert wird das Bild als Darstellung einer alljährlich am 15. Juli in Rom zu Ehren der Schutzpatrone der römischen Ritter, der Dioskuren, veranstalteten Parade.

Am 15. Juli im Jahre sechs v. Chr. war auch Gaius Caesar, Sohn des Agrippa und der Kaisertochter lulia, in den Ritterstand aufgenommen und zum Thronfolger bestimmt worden. Sein zwei Jahre später erfolgter Tod auf der Heimreise von einer Konferenz mit dem Partherkönig Phraates V. auf einer Insel im Euphrat machte die Pläne des Augustus zunichte.

Die Urne mit der Asche des im Osten des Imperium Romanum wie ein Heros verehrten Gaius Caesar wurde nach Rom gebracht und im Mausoleum des Augustus auf dem Marsfeld beigesetzt. Welche Werkstatt das Erinnerungsgrabmal in Limyra ausgeführt hat, ist noch nicht geklärt.

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