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Neuer Freskenfund im Lungau

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Maria P f a r r, die Mutterkirche und Altpfarre des Lungaus, ist urkundlich 923 nachgewiesen: Erzbischof Odalbert übergibt die „Kirche zu Lungau dem Chorbischof Gotabert“. Der Bau romanischer Herkunft besitzt eine Unterkirche. Am 10. Juni 1946 waren es fünfhundert Jahre, daß Fürstbischof Johann von Gurk im Auftrag des Erzbischofs von Salzburg den neue* Kirchenzubau von Peter Grillhofer hatte erbauen lassen und weihte. Chor und Presbyterium dagegen sind über tausend Jahre alt.

Gelegentlich von Restaurierungsarbeiten, die Pfarrer Dr. Georg Oberkofler vornehmen ließ, wurden kürzlich im ältesten Teil der Kirche und in der Georgskapelle kostbare romanische Fresken bloßgelegt. Die im Chor zutage getretenen Fresken reichen ins 11. Jahrhundert zurück und gehören zu den ältesten Österreichs. Sie werden an Alter nur von den Nonnberger und Pürgger Malereien übertroffen. Die Fresken in der Georgskapelle, der bisher einheitlich reichste Fund Österreichs, stammen, wie Universitätsprofessor Dr. Otto von Demus nachweisen konnte, aus der Villacher Werkstätte der Meister Thomas, Vater und Sohn, und entstanden um 1430. Sie umfassen drei Großbilder und zwanzig kleinere Darstellungen: Engel mit Musikinstrumenten, die vier Evangelisten in symbolischer Auffassung, die vier lateinischen Kirchenväter, den heiligen Georg und die Auferstehung Christi in hervorragender Komposition und Farben-gebung. Sie erinnern an die Venezianerschule.

Die Fresken im Chor beinhalten, soweit bisher zu erkennen ist, die Darstellung einer Armenbibel, und zwar die Geburt Christi, darüber die Darstellung des höchsten Richters mit prachtvoller, romanischer Ornamentik; den Verkündigungsengel mit ausgebreiteten Armen; Adam und Eva, darüber die Arche Noe; einen der drei Heiligen Könige mit Krone aus der Meistersingerzeit und auffallend wohlgestaltetem Gesichtsausdruck; die Fabeltiere: der Wolf als Symbol höllischer Mächte und Prinzip des Bösen, er entflieht, das weiße Einhorn (dessen beide Augen im Profil sind, was als Kriterium des hohen Alters anzusehen ist) im eleganten Sprung über die Höllenflammen als Prinzip des Reinen, Guten; die Flucht nach Ägypten.

Die alte Madonnenstatue auf dem Hochaltar gehört beiläufig dem Jahre 1470 und der Pacherschule an. Aber die älteste Madonna, die Maria Pfarr Ursprung und Namen gab, ist freigelegt worden! Maria als Unsere Liebe Frau, als Herzogin, Königin, Kaiserin, als Mutter der Christenheit und Zuflucht aller Sünder und nach dem heiligen Bernhard als Vermittlerin aller Gnaden. Etwas Einzigartiges, ist die hagiographische Darstellung: über ihrem Haupte ein Stadtbild, das an die Erlebnisse der Kreuzzüge erinnern mag und wohl Jerusalem darstellen soll, anklingend an die Idee des „Himmlischen Jerusalem“. Zwei schwebende Engel halten über dem Haupte der HimimelskÖnigin die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in der Form, wie Karl der Große sie zu Weihnaditen 800 im Petersdom zu Rom aufs Haupt gesetzt erhielt und wie Friedrich Barbarossa sie trug. Die Gestalt der Madonna, in vornehmer Konzeption, die irgendwie alle Gestalten der Fresken im Chor auszeichnet, ist triumphal: eine Burgfrau mit blonden Haaren. Sie zeigt mit Stolz der Menschheit in Kindesgröße ihr Kind als Gottesknecht und siegreichen Erlöser mit durchbohrten Händen und Füßen, mit beiden Händen weist sie eindrucksvoll auf seine Seitenwunde hin, auf sein göttliches Erlöserherz. Der Erlöser lebt und hat den Blick nach dem Beschauer gerichtet. „Er lebt und schaut dich an“, wie Dr. Oberkofler ergriffen sagte. Der weite Mantel der Madonna deckt mehrere Köpfe, von allen Seiten kommen Schutzsuchende zur Madonna. Das siegreiche Christentum wird durch die Gestalt eines Märtyrers angedeutet. Der Sakristei gegenüber befindet sich ein Großgemälde, das erste in Österreich, eine Abendmahlszene darstellend.

Unter Leitung des Kunstdenkmalamtes in Wien (Universitätsprofessor Dr. Otto von Demus) und des Landesdenkmalamtes in Salzburg Frau Landeskonservator Dr. Margarethe Witternigg in Salzburg sowie des Kunstbeirates des f. e. Konsistoriums in Salzburg wurden die Arbeiten der Freilegung von dem akademischen Maler Bruno Malanik im Verein mit seiner Frau seit April dieses Jahres vollführt. Meister Malanik ist durch die Aufdeckung der Fresken in Pürgg berühmt geworden. Die Arbeiten gestalten sich manchmal recht schwierig durch die fast betonartig harte Schicht, mit der bis zu drei Zentimetern die Wände eingeebnet wurden.

Um Ostern 1946 erstanden in Maria Pfarr die Kostbarkeiten, losgelöst von einer manchmal fingerdicken Schichte von Mörtel und ölfarbetünchen, wieder zum Licht. Seit mehr als fünfhundert Jahren waren sie durch gotische Zu- und Einbauten verdeckt und durch spätere Verputzarbeiten begraben gewesen.

Rechts vom Altar ergab planmäßige Suche und Abdeckung die Freilegung eines gotischen Sakramentshäuschen mit Steinleib. Eine besonders reizvolle Entdeckung gelang Maler Malanik in der Georgskapelle: eines gotischen Fensters mit zierlichem Maßwerk, das hinter einem Barockaltar vermauert war. Die Lichtwirkung in der Kapelle wird durch diese Freilegung bedeutend erhöht.

Wie ein Wunder tauchen Farben und Linien in Anmut und Glanz aus dem mystischen Dunkel der Vergangenheit auf: Maria Pfarr am Fuße der Tauern hat seine alte Madonna wiedergefunden!

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