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Neuer Glanz in alten SAlen

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Zur Hundertjahrfeier der Akademie der Wissenschaften wurden vom Bundesdenkmal-amt mit größeren Arbeitsgruppen großangelegte Wiederherstellungsarbeiten an zwei Prunksülen dieses Gebäudes, im gro-Hen Festsati und im Johannes-s“iil,'Züm Abschluß gebracht;

Der große Festsaal, einer der größten Barocksäle Wiens, hat einen Flächeninhalt von etwa 3000 Quadratmeter. Seine Decke schmückt ein großes Fresko, das sich nodi drei Meter über die senkrechte Wand herunterzieht und bis zu dem ausladenden Gesims der prächtigen kunstmarmordeko-ration herabreidit. Das Gemälde, ein Werk von Gregorio Guglielmi aus dem Jahre 1757, stellt die vier Fakultäten der Universität dar. In der Mitte des Gemäldes zeigt eine übergroße Münze das Doppelporträt Maria Theresias und ihres Gatten Franz Stephan von Lothringen. Von der Münze laufen wie von einer Zentralsohne Strahlen nach allen Seiten aus, sie treffen die zahlreichen Figurengruppen der einzelnen Fakultäten.

Das Programm für das Thema der Darstellung wurde von dem Hofdichter Meta-stasio in allen Einzelheiten entworfen und entsprediend den gelehrten Spekulationen jener Zeit von Guglielmi in Farbe umgesetzt *.

Das Gemälde wies zahlreiche Schäden auf. Nahe Bombeneinschläge hatten die Deckenkonstruktion stark ersdiüttert, so daß an mehreren Stellen Putzteile samt dem Gemäldeschmuck herabfielen.

Die ganze Decke war bedroht. Denn ihre Konstruktion besteht aus gewaltigen Tramlagen, die wegen der großen Spannung nach oben aufgehängt sind. Diese Trams sind mit Brettern verschalt, und auf diese Verschalung sind Schilfrohrlagen als Putzträger befestigt. Auf diesen Rohrlagen ist also der Mörtelputz angebracht, der al fresco in versdiiedencn Tagschichten das Gemälde aufgetragen erhielt.

Durch die Erschütterung infolge der ; -Bombeneinschläge wurde das feste Gefüge an mehreren Stellen aufgelockert. Druck und

* Neue Ergebnisse der Forschung über den Darttellungsinhalt wird nächstens Dr. Zykan veröffentlichen.Sog rüttelten an der Decke. An einigen Stellen wurden die Bretter der Versdialung von ihrer Verbindung mit den Trams gelöst und trieben die Rohrsdiicht mit dem Fresko vor. An anderen Stellen löste sich nur die Rohrschicht und so entstanden Blasen verschiedener Beschaffenheit, Blasen, die zum Teil audi schon zum Verlust von Gernälde-teilen führten. Es ist klar, daß zuerst die Sicherung des Deckengefüges vorgenommen werden mußte. Mit einem starkem Druck durdi Winden und Schrägspreizen bei entsprechender Verstärkung des Gerüstplateaus mußten wir Bretter und Möttelschichte wieder in die riditige Lage bringen und wieder haftbar machen. Selbstverständlidi erforderte dieses Einsenken des Gefüges eine ständige Kontrolle vom Gerüst und Dachboden aus.

Der Erhaltungszustand der Farbschichte war schlecht. Verschmutzungen, Verrußungen und unansehnliche Übermalungen, besonders im großen Himmelsmittelstück mit der Gloriole und an verschiedenen Figuren, gaben dem Gemälde ein fremdes Wesen, das man als nichtbarock bezeichnen konnte. An vielen Stellen war die ursprüngliche Malschicht zersetzt und staubte bei der leisesten Berührung ab. So mußten schwierige und umständliche Erhaltungsmaßnahmen getroffen werden. Zudem waren bei der Planung aller notwendigen Arbeiten auch die festen Termine einzuhalten, so daß das Bundesdenkmalamt sich zu gewissen Beschränkungen entschloß. Was für die Erzielung der ursprünglichen Gesamtwirkung notwendig war, mußte getan werden. Die störenden Ubermalungen im Himmel, in der Gloriole sowie an einzelnen Figuren mußten entfernt werden, die nichtstörenden an Gewändern, und zwar dort, wo eine Abdeckung keine große originale Ausbeutung versprach, wurde belassen.

Nach Ausbesserung der Mörtelfehlstellen, Verfestigung des lockeren Bestandes und Deckung der Gemäldefehlstellen stellt sich nun das große Gemälde in einer Geschlossenheit und einheitlichen Gesamtwirkung dar, die dem ursprünglichen Bestand, wie ich glaube, weitestgehend nahekommt.

Der zweite Prunksaal, der Johannessaal (der seinerzeit, als hier die Universität ihre Heimstätte hatte, als Saal der Theologie diente), wurde von uns ebenfalls einer

Restaurierung unterzogen. Hier lagen die

Verhältnisse etwas anders.

Die Decke trägt ein Gemälde von Maul-pertsch, etwa aus derselben Zeit wie im großen Festsaal. Auch hier hat das Fresko Veränderungen mitgemacht. Die letzte Restaurierung vor 20 Jahren, die wegen Zerstörung durch Wasserschäden notwendig war, hat wohl die Zerstörungen — hauptsädilich am Himmel und in der Scheinarchitektur — beseitigt, aber auf Kosten des Ursprünglichen Bestandes durch starke Farbaufträge Veränderungen des Originals gebracht. Auch die Scheinarchitektur der Decke und die Kartuschen mit dem Blumendekor wurden damals durdi Hebung der Lichter und Verstärkung der Sdiatten übermalt. Diese Überdeckungen in' den Liditern hatten sich mittlerweile durch chemische Veränderung der Farbe verdunkelt. Die Figuren des Gemäldes — Darstellung der Taufe Christi — waren im allgemeinen von Übermalungen unberührt geblieben.

Es war klar, daß jede spätere Zutat bei diesem kostbaren Werk entfernt werden mußte. Nach vprsiduigem Äusflecken der Fehlstellen, soweit sich dies für die Wirkung als notwendig erwies, trachteten wir, den ursprünglichen Bestand wieder zu gewinnen und damit ein Werk des größten Barockmalers Österreichs wieder zu seiner ursprünglichen Wirkung zurückzuführen. 5 Ein Schönheitsfehler verbleibt allerdings noch: an einer Ecke des Saales könnten wir wegen der Kürze', der _ Restaurierungszeit vor dem Festtermin einen Wasserfleck, der durdi schadhafte Kanalisation verursadit wurde, nidit mehr entfernen. Die schadhafte Stelle muß im nächsten Jahre mit dem Mauerwerk abgesdilagen und die zerstörte Fre,skopartie ergänzt werden. Glücklicherweise werden, von diesem .Schaden nur dekorative Malereien betroffen.

An den senkrechten Wänden fanden wir eine Dekoratio'h vor, die künst-lerisdi unbrauchbar war. ^Sie war in dunklen Tönen gehalten und erwies sich nadi Entfernung der Fassung des 20. Jahrhunderts als eine romantische Dekoration des 19. Jahrhunderts. Die Suche nach dem ursprünglidien Bestand des 18. Jahrhunderts ergab, daß die barocke Sdiichte weitgehend durdi Aufreibung einer dünnen Mörtelschichte zerstört war. Nur die originale Einritzung der Zeichnung und einige Farbreste gaben die Vorstellung der barocken Ausschmückung. Weil aber doch die wesentlichsten Formen der Barockdekoration durch die erhalten gebliebenen Einritzungen vorhanden waren, entschloß sidi das Bundesdenkmalamt zur Wiederherstellung dieser Ausschmük-kung. Der Versuch einer solchen Rekonstruktion erschien uns um so berechtigter, als eine Restaurierung der romantischen Dekoration die künstlerische Ausschmückung des Raumes nicht gewährleistet und die Anlegung eines dekorationslosen Wandanstrichs die alten Einritzungen vernichtet und auch dem Charakter eines Festsaales nicht entsprochen hätte. So machten wir uns an die schwierige Aufgabe, die Dekorationen aus der Zeit des Maulpertsch wieder erstehen zu lassen, eine Aufgabe, die zweifellos verschiedene Gefahren, in sich'barg, die aber die Möglichkeit bot, dem Saale eine barocke Gesamtwirkung wiederzugeben.

Es war zu erwarten, daß sich unter den Kunstfachleuten eine lebhafte Diskussion über die Zulässigkeit einer Rekonstruktion entspinne. Bei Gelegenheit der Ausbesserung der Wasserschäden werden die berechtigten Wünsche der Fachleute und die als richtig erkannten Vorschläge, die jedoch nicht das Wesen selbst, sondern nur Einzelheiten betreffen, in Ruhe berücksichtigt werden. Trotz geringfügiger Meinungsverschiedenheiten in Kunstfachkreisen ist man sich darüber einig, daß die Gesamtrestaurierung beste Raumwirkung erzielte.

So“sind im Zeichen des Wiederaufbaues unserer Stadt zwei Prunksäle wiedererstanden und bildeten für die Festtage, an denen ausländische Forscher mit österreichischen Vertretern von Staat, Kunst und Wissenschaft den hundertjährigen Bestand der Akademie der Wissenschaften feierten, einen würdigen, glanzvollen Rahmen,

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