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Der Wasserstromerzeuger Verbund zeigt seine hochkarätige Sammlung im Museum für Angewandte Kunst.

Wasser, sofern es nicht gefroren ist, rinnt. Und zwar bergab, solange, bis der Berg zu Ende ist oder sich ein Hindernis in den Weg stellt. Aber lassen wir einmal diese Feinheiten beiseite, es reicht vollauf, dass Wasser rinnt. Da hört es sich dann schon seltsam an, wenn ein Ausstellungstitel allen Ernstes behauptet, dass Wasser Dinge - oder sonst etwas? - zusammenhalten könne. Wasser rinnt doch, es würde permanent versuchen, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Und trotzdem bleibt die Behauptung aufrecht, füllt einen großen Bereich des Museums für Angewandte Kunst mit vielen hochkarätigen Kunstwerken. Die alle durch Wasser zusammengehalten werden?

Wasser soll verbinden

Eine geschwinde Lösung des rätselhaften Titels liefert die Installation von Lawrence Weiner in der großen Halle. Die Arbeit des Schriftkünstlers zeichnet für den Generaltitel verantwortlich und dort steht zu lesen: "Held Together With Water" oder "Zusammengehalten durch Wasser". Noch mehr löst sich das Rätsel, wenn man weiß, dass die gezeigten Arbeiten die Sammlung des Verbunds aus den letzten drei Jahren ist; also eines Unternehmens, das vorwiegend von Wasser lebt, auch wenn dieses in Strom umgewandelt wird. Weiner hat die beiden Ingredienzien, "Wasser" und das substantivierte "verbinden" zu einer genialen Inschrift zusammengefasst.

Was zunächst bloß als eine Hommage an ein Unternehmen aussieht, entpuppt sich aber als komplexe Inszenierung. Das englische und das deutsche Kurzgedicht von Weiner ist jeweils in eine mathematische Formel verpackt, der Text steht im Nenner der Bruchrechnung, im Zähler finden sich jeweils zwei leere Klammern, die durch eine dritte Klammer, in der ein Plus-Minus-Zeichen eingefügt ist, verbunden werden. Die leeren Klammern lassen sich als unterschiedliche Materialien denken, das Wasser fungiert als mittlere Klammer. Aber was könnte Wasser zusammenhalten? "Nimmt man ein Stück Papier und hält es an eine Fensterscheibe, so fällt es herab, sobald man die Hand wegzieht, spritzt man dagegen vorher etwas Wasser auf die Scheibe, so bleibt es haften, bis das Wasser so weit verdunstet ist, dass es keinen Halt mehr bietet", führt Gregor Stemmrich im überaus informativen Katalogbuch aus. Natürlich kann man nicht jedes beliebige Material einsetzen, mit einem Stück Eisen würde das Experiment nicht funktionieren, und die Dauerhaftigkeit ergibt sich auch nur aus einem beständigen Nachbefeuchten.

Thematisch gesammelt

Die Metapher Wasser lieferte bereits seit den 70er Jahren den Leitgedanken für eine Sammlung einer Verbundtochter, der Draukraftwerke. Seit 2004 entstand die nun präsentierte Sammlung unter der Leitung von Gabriele Schor. Zwei große Teile lassen sich unterscheiden: Einer thematisiert unter dem Titel "Performanz" die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, vornehmlich unter dem Aspekt der wichtigen Impulse, die aus einer "feministischen Kunst" in den letzten 35 Jahren geleistet wurden, der andere widmet sich unter der Überschrift "Räume/Orte" einer weiteren wichtigen Strömung, die in eben diesem Zeitraum als Verräumlichung der Kunst oder ortsspezifische Kunst bezeichnet wurde.

Mit Identitäten beschäftigt

Im Teil der Performanz finden sich einige der großen Frauen aus der Kunstentwicklung der letzten drei Dezennien. So von Cindy Sherman ganz frühe Arbeiten genauso wie die berühmten Untitled Film Stills oder Valie Exports brandgefährliche Spiele mit den Rollenzuteilungen, die man Frau zumutete. Ähnlich Martha Roslers Semiotik der Küche oder Sarah Lucas, die sich in männlichen Posen präsentiert, aber, auf ein Mobile montiert, dem leisesten Windhauch ausgesetzt ist. Neben den sogenannten großen Namen tauchen aber auch Arbeiten von Kunstschaffenden auf, die noch nicht jene Resonanz gefunden haben, die sie verdient hätten. Wie etwa Francesca Woodmans beeindruckende Diskussion der Möglichkeit einer genuin weiblichen Identität in ihren Fotografien. Dass Birgit Jürgensen in der Sammlung repräsentativ vertreten ist, bescherte dieser bislang noch viel zu wenig beachteten auch in der Kunstmetropole New York eine theoretische Auseinandersetzung. Aber auch Männer können überzeugen, so nimmt David Wojnarowicz die berühmte Gedichtzeile "Ich ist ein Anderer" von Arthur Rimbaud auf und durchstreift mit dem Konterfei des Dichters als Maske "getarnt" New York. Und Urs Lüthi posiert als Frau verkleidet mit der Behauptung "Ich werde Dein Spiegel sein". "Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten," konnte man bereits in Fernando Pessoas Buch der Unruhe zu Beginn des 20. Jahrhunderts lesen.

Verborgene Orte erforscht

Die Raumkünstler widmen sich eher den Unorten, den Peripherien, den unzugänglichen Plätzen, eine Fotoreihe von Jeff Wall etwa ebenso wie die Förder-, Wasser- und Kühltürme von Bernd und Hilda Becher. Fred Sandback untersucht den Raum mit an Linien erinnernden elastischen Schnüren, während Gordon Matta-Clark mit schwerem Gerät Häuser teilt oder mit Riesenlöchern einen ungewohnten Durchblick erzeugt. Und all das ist durch Wasser verbunden.

Held together with water

Kunst aus der Sammlung Verbund

Museum für Angewandte Kunst

Stubenring 5, 1010 Wien

Bis 16.9. Di 10-24, Mi-So 10-18 Uhr

Katalog: Gabriele Schor (Hg.), Held together with Water. Kunst aus der Sammlung Verbund, Ostfildern 2007, 392 S, € 39,-

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