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Nilpferde sind leichter als Menschen

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Sieben Schüler der Meisterklasse von Professor Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien waren in der Neuen Galerie der Stadt Linz zu Gast: sechs Bildhauer und ein Graphiker. Drei der Künstler sind Oberösterreicher (Hannes H a s 1 e c k e r, geboren 1921 in Linz, Eduard Robitschko, geboren 1915 in Linz, Rudolf Schwaiger, geboren 1924 in Ebensee). Die anderen stammen aus Wien oder leben ständig in Wien. Die Geburtsdaten 1915 und 1924 fixieren bereits das durchschnittliche Alter der sieben Künstler. Die anderen vier sind Oskar Bottoli (geboren 1921), Franz Fischer (geboren 1920), Alois Heidel (geboren 1915) und Gerhard Swoboda (geboren 1923), von dem nur graphische und malerische Arbeiten gezeigt werden, obwohl er sich — nebenbei — auch als Bildhauer betätigt.

Swoboda gibt sein Bestes in den in Mischtechnik gearbeiteten Graphiken, in denen seine insektenartigen Geschöpfe die Bildfläche mit ihren drahtdünnen Beinen gewebeartig überziehen; auch die Lithographie liegt ihm. Die Oelbilder, in denen sein zarter und zugleich stechender Strich nicht zur Geltung kommt, besitzen weniger Eigenart.

Von den sechs Bildhauern werden auch Zeich nungen und andere graphische Arbeiten gezeigt, von denen vor allem die verschiedenen Pelikane von Heidel sehr wirksam sind; die meisten erhalten ihren Wert aber mehr als Studie, als zweidimensionales Erfassen der plastischen Gestalt, nicht als vom plastischen Werk unabhängige Leistung.

Hier sollen nun einige Beobachtungen zusammengefaßt werden, die bei der Betrachtung der Plastiken der sechs jungen Bildhauer gemacht wurden.

Ein direkter, unverwandelter Einfluß des Stils ihres Lehrers Fritz Wotruba ist kaum zu spüren. Alle Formen werden bei ihnen geglättet und gerundet, das Harte, Unbedingte bei Wotruba wird weicher, verbindlicher. Wenn im einzelnen Formelemente übernommen werden, wie die blockartigen, kantigen Knie des „Staunenden” von Robitschko, wirken sie störend und als Fremdkörper — stehen sie doch im Gegensatz zum scheibenartigen Kopf, der ziemlich ungestaltet wirkt.

Während Wotruba zeitlebens an einem neuen Menschenbild gearbeitet hat, das von archaischer Größe und Wucht ist, haben die jungen Bildhauer ihr Augenmerk zum Großteil auf die Gestaltung von Tieren gerichtet, Tiere sind weniger problematisch als Menschen und lassen sich darum leichter lösen.

Schon durch ein, zwei typische Formen sind sie eindeutig festgelegt. Das „Nilpferd” von Bottoli, ein „Pfau” von Haslecker — der übrigens einen in seiner Einfachheit geradezu klassischen kleinen Eisbären geschaffen hat, der aber nicht in der Ausstellung zu sehen war —, „Pelikan” und „Marabu” von Heidel sind liebenswerte, geradezu humorvolle Lebewesen, in deren Nähe man sich gerne aufhält.

Die menschliche Figur dagegen entzieht sich viel eher dem Zugriff des Plastikers, er bekommt immer nur Teillösungen von ihr in die Hand. Der Mensch in der Skulptur erscheint leicht roh, expressiv, ungeschlacht, entweder zu sehr mit Empfindungen (des Bildhauers) überladen oder zu sehr als leere, noch unerfüllte Form. Es ist -bezeichnend, daß der menschliche Torso („Großer Torso” von Fischer) und die rVerbindungen von Mensch und TienXiJdädchen muf -Schildkröte” hvon B ot o liy- ‘, Reiter” - ntoiv Fischer, „Knabe mit Esel” von Robitschko) am gelungensten, weil einheitlichsten, wirken.

Am wenigsten sagen wohl die Büsten: das menschliche Gesicht hat sich diese Bildhauergeneration noch nicht neu erobert. Am stärksten wirkt der „Hockende” von Haslecker, bewußt an Wotruba geschult: hier Wird das Weglassen und Vereinfachen zum echten Verschweigen, hinter dem Wirklichkeit steht, es ist kein Sich-Drücken um genaue Formulierungen aus „Ausdrucksnotstand”. Was Haslecker im besonderen betrifft, so scheint es,

daß er noch zu sehr in verschiedene Richtungen, also ins Blitzblaue hinein, experimentiert und die gefundenen Ansätze nicht immer mit genügender Konsequenz weiter ausbaut. Gerade von ihm könnte man aber noch einiges erhoffent

In einer Reihe von Photos werden Arbeiten der Bildhauer vorgestellt, die sie im Auftrag der Gemeinde Wien für deren Wohnhaus- und Parkanlagen geschaffen haben. Diese Aufträge der Gemeinde Wien sind für die Künstler eine große finanzielle Erleichterung, ermöglichen sie doch oft ein ‘ganzes Jahr künstlerischen Schaffens. Leider aber muß ganz offen gesagt werden, daß diese Arbeiten einiges zu wünschen übrig lassen (Bottoli mag da eine Ausnahme sein). In Einzelfällen will man nicht glauben, daß das, was da als Relief oder Plastik gezeigt wird, von denselben Künstlern stammt.- aber muß etwas für die Gemeinde wirklich so schwach gemacht werden, müssen Figuren wirklich so naturalistisch-degeneriert aussehen? Ich weiß nicht, an wem es liegt — trauen sich die Künstler nicht oder fallen ihnen Beamte in die Arme —, aber die Werke, die da entstanden sind, machen einen nicht glücklich. Sollte nicht auch für eine öffentliche Stelle das beste gerade gut genug sein?

Alles in allem: eine hübsche, informative Ausstellung.

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