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Nochmals: Kulturenquete

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Von Dr. Erich V. Strohmer, ehern. Direktor der Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe am Kunsthistorischen Museum

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Von Dr. Erich V. Strohmer, ehern. Direktor der Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe am Kunsthistorischen Museum

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Mit erfreulicher Raschheit hat der Finanz- und Budgetausschuß nach der Kulturenquete, zu der merkwürdigerweise weder Vertreter der Museen noch Vertreter der Denkmalpflege beigezogen worden waren, dem Nationalrat empfohlen, die Ansätze der Ausgaben für kulturelle Zwecke für das Jahr 1955 um 150 Millionen Schilling zu erhöhen. Der Nationalrat hat hierzu seine Zustimmung gegeben. Auch der öffentlichen Museen ist gedacht, in denen endlich eine künstliche Beleuchtung den Besuch in den Abendstunden ermöglichen soll. Es möge mir jedoch als Angehörigem des Kunsthistorischen Museums gestattet sein, noch eine Anzahl von weiteren dringend notwendigen Maßnahmen vorzutragen Von außen gesehen, sind die Museen wieder in Ordnung. Im Inneren aber mangelt es, besonders im Kunsthistorischem Museum, noch weitgehend. In personeller Hinsicht ist im wissenschaftlichen Dienst im großen und ganzen ein halbwegs befriedigender Zustand erreicht. Es fehlt aber an den leitenden Stellen teilweise am geeigneten Nachwuchs. Bei der vollkommen unzureichenden Entlohnung wird es schwer sein, tüchtige Kräfte zu gewinnen. Deprimierend sind die Vorrückungsmöglichkeiten. Bei derartigen Instituten sind eben die normalen Dienstschemata ein Hemmnis. So kommt es, daß selbst an so weltberühmten Sammlungen leitende Direktoren, welche die Verantwortung für ungeheure Schätze in jeder Richtung tragen, wesentlich schlechter eingestuft sind als ein Ministerialrat. Weiter werden an die Vertreter des wissenschaftlichen Dienstes besondere finanzielle Ansprüche gestellt, für die heute kein Beamter mehr aus eigenem aufkommen kann. Ein Museumsbeamter muß die Sammlungen des Auslandes, darunter heute auch die Amerikas, studieren können. Er muß s’ch mit der sich immer mehr und mehr verfeinernden Aufstellungstechnik anderer Länder vertraut machen. Er muß Restaurierung- und Konservierungsmethoden an Anstalten des Auslandes, die bessere und modernere Einrichtungen besitzen, kennenlernen Dann erst kann er sein Amt vollgültig ausüben!

Aus dieser Erkenntnis heraus wird es in vielen Ländern den Museumsbeamten zur Pflicht gemacht, so oft wie möglich solche Studienreisen zu unternehmen. Die Kosten hierfür werden’von den betreffenden Museen, d. h. vielfach vom Staate, getragen. In Oesterreich werden solche Reisen aber als Vergnügungsfahrten gewertet, obwohl es Oesterreich mit den verschiedenen Kulturfonds, die der zielbewußten Ausstellungstätigkeit des Kunsthistorischen Museums im Ausland zu verdanken sind, nicht schwer hätte, hier zu helfen.

Die heutige Entlohnung eines wissenschaftlichen Beamten ermöglicht ferner keinesfalls die private Anschaffung von wissenschaftlicher Literatur und Studienmaterial. Den Professoren der Hochschulen stehen Bibliotheksgelder von einigen hundert Schilling im Monat zu. Dasselbe muß auch für die Wissenschaftler an den Museen zu erreichen sein.

Beschämend ist die Entlohnung der Fachkräfte der Hilfsdienste: der Restauratoren, Photographen usw. Diesen Menschen ist das Wohl und Wehe unersetzlicher Kunstwerke anvertraut. Und dafür werden sie, wenn sie nicht zufällig Matura haben, mit geradezu lächerlichen Beträgen entlohnt.

Aeußerst schlecht ist es mit dem Aufsichtspersonal bestellt, das in keiner Weise ausreicht. So sind z. B. im Kunsthistorischen Museum, wo derzeit nur ein Teil des Museums zugänglich ist, die Geistliche Schatzkammer, die Waffensammlung, die Sammlung alter Musikinstrumente und im Hauptgebäude gar die bedeutende Bundessammlung für Münzen, Medaillen und Geldzeichen infolge dieses Personalmangels nur zweimal in der Woche geöffnet.

Auch im Sachaufwand bedarf es wesentlicher Verbesserungen. Für Erwerbungen müssen weitaus höhere Beträge veranschlagt werden. Die Zusicherung solcher Gelder muß aber auch mit einer längeren Laufzeit von mindestens drei Jahren verbunden sein. Die Erwerbungen der letzten Jahre mußten fast ausnahmslos durch Tausch gemacht werden — ein von den Museumsbeamten nur sehr ungern beschrittener Weg.

Es fehlen ferner die Gelder für die nötige Propaganda. Bei der in dieser Hinsicht fortschrittlicheren Albertina hat sich die Großzügigkeit bewährt. Auch öftere Wechselausstellungen, unter Heranziehung nicht museumseigener Objekte, sind unerläßlich. Die damit verbundenen Auslagen werden sich rentieren. Das Führungswesen liegt im argen. Früher wurden hierfür geeignete Studenten genommen, die sich sicher auch heute noch gerne einen kleinen Nebenverdienst verschaffen wollten.

Schließlich sei noch auf die völlig unzulängliche Dotierung der Hilfsanstalten hingewiesen. Die Bibliothek des Kunsthistorischen Museums kann sich nicht einmal mehr die wichtigsten Zeitschriften halten. Schlecht bestellt ist es mit den Finanzen des Photoateliers, ebenso leiden die Restaurierwerkstätten unter Geldmangel.

So möge denn diese kurze Darstellung auch der weiteren Oeffentlichkeit klarmachen, daß die öffentlichen Museen, an ihrer Spitze das Kunsthistorische Museum, bei einer Erhöhung der Budgetmittel mit größeren Beträgen zum Zuge kommen müssen. Schließlich handelt es sich um Institute, an die nur die ganz großen Weltsammlungen heranreichen. Diese Schätze sollen nicht nur der Vorwand für schöne Reden sein, sondern sie müssen ein lebendiger Teil des Volksbewußtseins werden, damit die bildende Kunst ebenso ein Gut aller Oesterreicher wird, wie dies bei der Musik schon immer der Fall war.

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