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Novität, Gäste, Symphonie

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Die Uraufführung des „Diction-naire für Orchester“ von Istvän Zelenka anläßlich des 20jährigen Jubiläums des Rundfunkorchesters machte mit einer formal eigenwilligen Komposition bekannt: Die Idee, Knoten (noeuds), Gleichgewicht (balance), Schaukeln (se balancer), Vorbereitungen (prelimi-naires) und andere Situationen durch Musikstücke zu suggerieren und zu deuten, hat gewiß Reize. Sie stellt eine von vielen Möglichkeiten neuer nichtthematischer Formenorganisation dar und erscheint als persönliche Auseinandersetzung des Komponisten mit dem Material. In den „Ereignissen“ und in den Klang-arrangements erweist sich das Werk freilich zu kontrastarm. — Das Rundfunkorchester unter Hans Swarowsky lieh den einzelnen Abschnitten Plastizität, realisierte das Stück farbintensiv und ein bißchen dichter als nötig. Beethovens „Pastorale“ und Mozarts Symphonie conceriante in Es-Dur (KV 297 b) gerieten in ausgewogenen Proportionen, dem festlichen Anlaß entsprechend.

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Das Slowakische Kammerorchester, ein durch Homogenität, Klangfülle, Akkuratesse im Spiel überzeugendes Ensemble, gastierte unter Vlastimil Horak im Großen Sendesaal von Radio Wien. Das Programm des Abends, ein Sammelsurium stilistisch retrospektiv orientierter Kompositionen zeitgenössischer

Österreicher und eines Slowaken, umfaßte sieben Werke. Nur zwei davon hinterließen nachhaltigen Eindruck. R. heukaufs „Divertissement“ ist eine in der Rhythmik reich differenzierte Pieoe, mit ein paar kräftigen Dissonanzklecksen gewürzt. Konzise Form und durchsichtige Faktur bescheinigen dem im ganzen amüsanten' Stück auch vorzügliche handwerkliche Organisation. Norbert Sprongls melodisch einfallsreiche „Passacaglia elegiaca“ für Klavier und Streicher gefällt durch gute Proportionen, Gemessenheit der Bewegung und lyrische Kraft in den spannunsreichen Perioden. — Karl Franz Müllers „Corali Maze-donia“, Manfred Nedbals Rondino, Fritz Racefcs „Tema con Variazionii“, Walther Nußgrubers „Elegie für Liebende“ und ein „Fragment“ von

Ivan Parik repräsentieren teilweise mehr, teilweise minder geglückte Versuche, in traditioneller Weise für Kammerorchester zu schreiben.

K. H. R.

Johannes Ernst Köhler (Weimar) spielte an seinem Orgelabend J. S. Bachs ,JClavierübung III. Teil“. Wie im Programmheft erläuternd vermerkt ist, bedeutete „Klavier“ damals noch Tasteninstrument im allgemeinen ohne besondere Spezifikation desselben. Daß aber die Klavierübung III. Teil für Orgel gedacht ist, unterliegt keinem Zweifel. Die geistige Interpretation folgte dem kompositorischen Vorbild getreu, und die Technik des Spiels zeigt von handwerklicher Fertigkeit. Dennoch schien man irgendwie eine Interpretation aus der Vergangenheit zu hören; heute hören wir Bach anders.

*

Anton Bruckners nicht allzu oft gespielte VIII. Symphonie war der einzige Programmpunkt des ersten Philharmonischen Konzertes der Saison. Dirigent war Dr. Karl Böhm. Anhaltend lebhaft begrüßt, gestalteten Dirigent und Orchester die Symphonie zum Ereignis. Jeder Begriff von Länge war verschwunden, das Publikum, das den Großen Musikvereinssaal bis zum letzten Stehplatz füllte, folgte in Ergriffenheit und Begeisterung der Interpretation des gewaltigen Werkes. Böhm, ohne Partitur dirigierend, faßte die ausgeprägten Details satzweise in ein gigantisches Bild, die einzelnen Stimmen ergänzten sich oder kontrastierten in klarster und doch nie greller Beleuchtung, die romantische Symphonie erfuhr eine klassische Wiedergabe. Die Symphonie, die letzte vollendete Bruckners, ist Kaiser Franz Joseph gewidmet und wurde von den Philharmonikern unter Hans Richter am 18. Dezember 1892 uraufgeführt. Es war einer der größten Erfolge, die der alternde Meister erlebte. Sie wird, wie die jüngste Aufführung bewies, immer einer der größten Erfolge der Philharmoniker bleiben.

Franz Krieg

Am vergangenen Wochenende konzertierte im Großen Musikver-einssaal das Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks unter

seinem ständigen Leiter Hans Schmidt-Isserstedt, dem vielleicht deutschesten der deutschen Dirigenten seiner Altersklasse. Der gebürtige Berliner, Jahrgang 1900, Doktor phil., in Deutschland ausgebildet, zunächst in Wuppertal, Darmstadt und Rostock als Konzertdirigent, darnach in Berlin und Hamburg an der Oper tätig, ist der eigentliche Begründer und Erzieher des seit 1945 bestehenden NDR-Orchesters, das als verläßlicher, klanglich kultivierter und vor allem auf dem Gebiet der neuen Musik bemühter Klangkörper einen guten Ruf hat. — Zwischen dem Orchester und seinem ständigen Leiter besteht so etwas wie eine prästabilierte Harmonie: was er — und seine Musiker — anfassen, wird sauber, ordentlich und energisch ausgeführt. Das Programm, mit dem die Hamburger in Wien gastierten — die B-Dur-Symphonie Nr. 102 von Haydn, Beethovens Siebente und die Suite aus „Der Bürger als Edelmann“ von Richard Strauss — war nicht recht geeignet, alle Qualitäten und Kräfte der Ausführenden ins Spiel zu bringen. Jedenfalls kann den Gästen Präzision und ein ungewöhnlich homogener Klang attestiert werden, wobei ihre Neigung zur Motorik weder dem 1. Satz der Haydn-Sym-phonie noch dem zuweilen allzu schwelgerisch instrumentierten

Strauss geschadet hat. — Die halbstündige Suite „für Kammerorchester“ (das bei Strauss immerhin rund 40 Spieler umfaßt) ist ein merkwürdiger Stilzwitter und ein Schulbeispiel spätromantischer

Anverwandlung. Hofmannsthals Moliere-Bearbeitung, die am 25. Oktober vor 55 Jahren in Stuttgart uraufgeführt wurde, haben die ausgedehnten Musikpiecen von Strauss auf fatale Weise verlängert, so daß sowohl das Stück wie die Musik dabei zu Schaden kamen. Doch verdanken wir diesem theatralischen Mißgeschick die wohlproportionierte „Ariadne“ (in zweiter Fassung) und die von den Hamburgern so hübsch vorgetragene Orchestersuite. — Nach Beethovens VII. Symphonie war der Beifall so stark, daß die Gäste zwei Ungarische Tänze von Brahms zugeben mußten.

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