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Nur in Ägypten gibt es die Hadschihausmalerei

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Prächtige Gemälde, darunter Meisterwerke naiver Malerei,, bedeckten die Fassaden einzelner Häuser. Man sah darauf Flugzeuge, Eisenbahnzüge, Betende, die Kasbah. Die.amerikanische Fotografin Ann Parker, der diese Bilder in ägyptischen Dörfern auffielen, fragte nach und erfuhr: Es waren die Häuser von Hadschis, die auf diese Weise geschmückt und hervorgehoben worden waren. Während sich die Hadschis, die Mekkapilger, auf dem Hadsch, der Pilgerreise, befinden, werden ihre Häuser bemalt.

Ann Parker beschloß, diese Malerei so schnell wie möglich fotografisch zu dokumentieren - zumal Wind und Wetter die Bilder im Lauf der Jahre zerstören. Die Hadschihausmalerei ist außerhalb Ägyptens so gut wie unbekannt. Hier allerdings drang durch Landflucht und Umsiedlung vieler Menschen in städtische Wohnviertel diese einst rein bäuerliche naive Malerei bis in die dicht bevölkerten Vororte von Kairo vor. Ob dies unbedingt zu einer Verflachung oder gar zum Verschwinden dieser Art von religiöser Volkskunst führen muß, kann heute niemand sagen.

Tatsache ist, daß der Tourist heute nicht lange suchen muß, wenn er sich für die Hadschmalerei interessiert. Sie ist kein künstlich am Leben erhaltenes Brauchtumsrelikt, sondern ebenso wie der Hadsch selbst gefestigter Brauch, Teil des Leben, und begegnet ihm allenthalben.

Der Hadsch, die Reise nach Mekka, hat in zweifacher Hinsicht große Bedeutung im Leben eines Moslems. Sie erhöht nicht nur seinen Status in der Gesellschaft, sondern wirkt auch als unauslöschliche spirituelle Erfahrung für den Best seines Lebens weiter. Der Pilger darf sich nach der Rückkehr Hadschi, die Pilgerin Hadscha nennen und erfährt nicht nur in seinem Dorf besondere Achtung und Anerkennung, sondern erlebt auch das Gefühl der Umma, des Aufgehens in der Gemeinschaft aller Moslems, mit besonderer Intensität.

Auch die Pilgerreise selbst ist ein intensives Gemeinschaftserlebnis. Eigene Pilgeragenten kommen in die entlegensten Dörfer und stellen schon Monate vor der Abreise die Reisegruppen zusammen. Zur festgelegten Zeit treffen sich die Hadschis auf Sammelplätzen. Einst ritten sie mit dem Kamel nach Mekka, heute ist, neben Autos, Taxis und Eseln, das Kamel ihr Transportmittel zum Sammelpunkt oder zum Bahnhof.

Daher ist etwa das Hadschihaus-bild (siehe Abbildung), auf dem ein Pilger seine Koffer auf dem Kamelsattel festzurrt und den Sitz überprüft, mehr als eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, sondern hat durchaus auch noch eine aktuelle Dimension. Ali Eid Yasin, der es geschaffen hat, ist ein Maler mit außerordentlicher Beobachtungsgabe und einem Blick fürs Detail.

Andere Maler heben ab ins Reich der Phantasie. In vielen ägyptischen Dörfern wird das beispielsweise durch den Fremdenverkehr verdiente Geld gespart und gespart, bis sich wenigstens der Hadsch eines Familienmitgliedes ausgeht. Hadschis, denen der Flug zu teuer ist, fahren mit dem Schiff, und die Schiffe auf den Had-schihausbildern sehen mitunter aus, als hätte sie der junge, gute Hundertwasser in einem seiner besten Momente gemalt.

Auf anderen fliegen Krokodile durch die Luft wie bei Chagall, reitet das Fabeltier Buraq gen Himmel, feuern Pistolenmänner auf böse Räuber, die an Fallschirmen herniederschweben - der Schurke auf unserer Abbildung hat will übrigens nicht die Habe der Hadschis rauben, sondern hat es auf die Mahmal abgesehen, die kostbare Kameltrage, in welcher die Kis-wa, der Jahr für Jahr in Ägypten neu angefertigte Brokatumhang der Kaa-ba, nach Mekka transportiert wird.

Die Palette der Flugzeugdarstellungen reicht von naiven Blechvögeln bis zu Jumbos, die so wirken, als seien sie von Airlineplakaten abgepaust, modernen, das Flugzeug ist zum wichtigsten Verkehrsmittel der Had-schis geworden - daher seine Stellung in der Hadschihausmalerei. Der Flughafen von Dschidda ist einer der bestorganisierten, in der einmonatigen Hadschsaison landen und starten dort in 24 Stunden 300 Maschinen, die Abfertigung von 2.000 Passagieren pro Stunde ist Routine.

Im Zentrum aber steht der Hadsch und das religiöse Erleben des Hadschi. Trotz des Massenbetriebes in Mekka bedeutet die Pilgerreise für den Moslem auch heute nicht einfach Reisen, Sammeln neuer Eindrücke, sie hat nichts mit Tourismus zu tun, sondern bedeutet nach wie vor ein tiefes religiöses Erlebnis und eine den Hadschi verändernde spirituelle Erfahrung.

Ann Parker dokumentierte die Zeugnisse dieser Tradition in großartigen und großformatigen Farbaufnahmen, Avon Neal schrieb dazu einen Text, der mehr ist als ein Kommentar, nämlich eine Einführung in die islamische Glaubenswelt anhand des Hadsch. Gemeinsam haben sie einen wunderschönen Bildband geschaffen, und ein Standardwerk über religiöse ägyptische Volkskunst. was vielleicht auch der Fall ist - auf einem Bild startet der Jet mit den roten Abdeckungen, welche die Triebwerke abgestellter Maschinen schützen.

Inhalt der Bilder ist stets die Pilgerreise, und unter den Hadschihaus-Künstlern bilden die Hadschis, die das, was sie bildnerisch darstellen, selbst erlebt haben, wahrscheinlich eine Minderheit. Umso reicher blüht ihre Phantasie. In der märchenhaften W7elt der Hadschihausmalerei mischen sich traditionelle Motive mit

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