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„Oedipus Rex“ und „Dona Francisquita“

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Die dem zeitgenössischen Opernschaffen gewidmete Woche wurde mit einem Strawinsky-Abend eröffnet. Wir kennen die oratorische Oper „O e d i-pus Rex“ (nach einem von Jean Cocteau verfaßten und von Jean Danielou ins Lateinische übertragenen Text) von konzertanten Aufführungen, zuletzt im Wiener Konzerthaus. An der Staatsoper wurde das interessante Werk 1928, bereits ein Jahr nach der Pariser Uraufführung, gegeben. Die von einem Sprecher kommentierte Handlung folgt dem griechischen Mythos, wie ihn Sophokles in seiner Tragödie gestaltet hat. Die Form der (einstündigen) oratorischen Oper verlangte größte Konzentration. Der Musiker entsprach ihr durch eine strenge, archaisch stilisierte Tonsprache, die sich vor allem in den Chören manifestiert, während für die Soli Elemente der späteren Entwicklung des Genres (wie Rezitativ und Arie) angewendet werden.

Von dem hochstilisierten, statischen Charakter des Textes und der Musik hat jede Inszenierung auszugehen. Zehn drehbare Paravents, die als Projektionsflächen benützt wurden, umschlossen eine halbkreisförmige Freitreppe und das tieferliegende Rund der eigentlichen Bühne. Hier war eine Gruppe mit (gleichfalls schwenkbaren) Standarten postiert, während die Hauptakteure — Oedipus, Jokaste, Kreon und Teiresias — auf der schrägen Treppe stehend sangen. Nicht auf der Bühne war — leider — der Männerchor im Frack. Er stand, wo er nicht hingehört, mit Notenblättern bewaffnet und etwas erhöht im Orchesterraum. Von rechts trat Jean Cocteau zu kurzen, aber eindringlich-theatralischen Kommentaren aus der Kulisse. — Was die wechselnden goldfarbenen Projektionen bedeuten sollen, wissen wohl nur die vom Regisseur Eingeweihten. Sie schufen eine Bewegung, deren das Werk nicht bedarf und erinnerten an chinesisches Hoftheater.

Trotzdem war die Inszenierung O F. Schuhs mit den Bühnenbildern und Kostümen Caspar N e h e r s sehr interessant und eindrucksvoll, untadelig die musikalische Leitimg Herbert von K a r a-j a n s, das Musizieren des Orchesters, des Herrenchors und der Solisten Waldemar Kmentt. Martha Mödl, Kurt Böhme, Gottlob Frick, Murray Dickie und Oskar Czerwenka.

Den zweiten Teil des Abends bildete Strawinskys „Petruschka“-Ballett in der an dieser Stelle bereits besprochenen Inszenierung und in der Premierenbesetzung.

Die „Zarzuela“, die spaffischMwicaKöperettemi gesprochenem Dialog, ist meht als 300 Jahre alt. „D o n a Francisquita“, nach Lope de Vegas „Schlauer Verliebten“ mit Musik von Amadeo Vives, wurde 1923 uraufgeführt und seither im spanischen Sprachraum etwa zehntausendmal gegeben. Das Werk kann also als repräsentativ gelten. Die anspruchslose Handlung, eine Liebesintrige, spielt im Karneval zur Goya-Zeit, und zwar in Madrid. Dort wurde vor zwei Jahren das renovierte „Teatro de la Zarzuela“ mit „Dona Francisquita“ eröffnet. Jose Tamayo, der Leiter dieses Theaters, führte Regie, Odon A1 o n s o dirigierte und Anna Maria I r i a r t e sang eine Hauptpartie.

Die gleichen Künstler hatte man auch für die deutschsprachige Erstaufführung an die Volksoper geholt, so daß diese Inszenierung — in den reizvollbunten Dekorationen und Kostümen des Spaniers Emilio Burgos — als durchaus authentisch gelten darf. Man tat also, was man konnte, und auch die einheimischen Solisten (Rosette Anday, Rudolf Christ, Karl Dönch, Erich Kuchar u. a) ließen es an Eifer und gutem Willen ebensowenig fehlen wie Chor, Ballett und Orchester der Volksoper. Für die Titelpartie hatte man die aparte, brillant singende Helen George engagiert.

Daß man nach der Aufführung das Theater mit dem Gefühl verließ, trotz dieses Aufgebots nichts Neues kennengelernt zu haben, lag also ausschließlich am Werk, vor allem an der Musik. — Amadeo Vives, ein Komponist der älteren Generation, hat weder ein ursprüngliches Verhältnis zu der reichen Folklore seiner Heimat noch hat er die Errungenschaften der neueren Musik zur Kenntnis genommen. Albeniz, Granados und de Falla etwa wirken, mit ihm verglichen, geradezu modern (freilich waren sie auch die größeren Musiker I). Hätte sich Amädfo Vives doch; .an iir/anehnttiäber ihm'hä: es die Wiener Operette angetan, und zwar die des silbernen Zeitalters. So ist die melodisch ergiebigste Nummer des zweiten Aktes ein Walzerlied und -duett, und der gleiche Akt kulminiert in einem Mazurkafinale, das vorher als „der neueste Tanz“ angekündigt wird. In einigen großen Arien dagegen reichen sich Puccini und Lehär versöhnlich die Hand. — Natürlich gibt es daneben auch Spanisches: Romanzen und Canzo-nettas, Bolero- und Fadangorhythmen, weitgeschwungene Kantilenen mit orientalischen Melismen, Gitarren, Mandolinen und Kastagnetten, nicht nur ijn Orchester, sondern auch von einer zwei Dutzend Mann starken „Band“ auf der Bühne gespielt. — Trotzdem war das Spanischeste an dieser Aufführung das Wiener Volksopernballett unter der Leitung von Dia Luca. . . ■

Fazit: Es war interessant, die Bekanntschaft mit der spanischen „Zarzuela“ gemacht zu haben. Aber weitere Versuche mit diesem Genre sind nicht zu empfehlen.

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