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Österreich in Übersee

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Eine vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten und dem Institut für Universalgeschichte veranstaltete dreiwöchige Tagung im Pajais Dietrichstein hat Österreichs historisches Wirken in Übersee erstmals als geschlossenes Ganzes dargeboten.

Diese Zusammenschau der ökumenischen Dimensionen österreichischer Geschichte weist keine Eroberergestalten auf, sondern eine Fülle von Kulturleistungen aller Art. Als die unter bahnbrechender Mitwirkung einer spätmittelalterlichen Wiener Mathematikerschule entdeckte überseeische Welt durch eine spanisch-portugiesische Weltföderation. zwischen den Wendekreisen vereint ist, erhebt dieses „Reich, begrenzt weder von Tag noch Nacht”, Österreichs Namen zum Weltbegriff. In der von Kosmo- graphen und Seefahrern der Casa de Austria benannten Neuen Welt jenseits des Atlantik entstehen Städte österreichischen Namens, Österreichs Symbole werden zu Symbolen des Schutzes der Völker Amerikas, und wenn hier neben dem Völkerrecht auch ein überraschend modernes Sozialrecht entsteht, so entbehrt es nicht österreichischer Komponenten.

Die Pax Austriaca zwang ihren Ländern keine Österreicher auf, aber in den Abendstunden ihres Reiches, in dem die Sonne’nicht unterging, hob seit dem Jahre von St. Gotthard ein österreichisches Jahrhundert der Amerikamission an (1664 bis 1767), dem ein . Jahrhundert österreichischer Naturforschung folgte und schließlich das Halbjahrhundert eines Restaurationsversuches der unter den „Austrias” geschaffenen ibero-amierikaniischen Einheit (1817 bis 1867). Dieses Halbjahrhundert, das mit Leopoldines Brautfahrt nach Rio de Janeiro beginnt und in Queretaro endet, erscheint heute als Einheit; es war nicht von imperialistischem Eroberungswillen getragen, und in Brasilien reichen die Folgen seiner friedlichen Besiedlungstätigkeit bis zur Gegenwart.

Ein großer Eurasienplan

Nicht minder bedeutsam als in der Neuen Welt bekundet sich Österreichs Wirken in der Alten Welt. Ähnlich wie in Amerika folgt hier dem Erlöschen der Pax Austriaca ein großes Jahrhundert der Chinamission (1650 bis 1787); es wird begleitet von einem Jahrhundert kaiserlicher Fernhandelskompagnien (1667 bis 1784), an das heute noch der There- sientaler erinnert. Nach einer gewaltsamen Unterbrechung durch die französischen Revolutionskriege tritt Österreich im afro-asiatischen Raum beiderseits des Roten Meeres wieder in Erscheinung. Gehen erst Pläne des Panamakanals schon auf Karl V. zurück, so ist nun die Trassierung des Suezkanals das Werk eines österreichischen Ingenieurs. Dieser neutralisierte Suezkanal sollte nicht imperialistischen Zielen dienen, sondern allen Völkern, und Österreich sollte Wortführer der eurasischen Aufgabe einer harmonischen Einheit von Orient und Okzident sein.

Nach der Katastrophe von König- grätz brach der Eurasienplan einer maritimen Stützpunktkette von Sokotora bis zu den Salomonen in Stücke, aber was blieb, waren die Ergebnisse eines großen Jahrhunderts afro-asiatischer Forschung. Schon zu Beginn der Neuzeit waren Österreicher Begründer der geographischen Kenntnis Rußlands, Chinas und Indiens, war Amerika von einem Vorderösterreicher und Australien nach Austria benannt und die Vermessung der riesigen Stromtalgebiete des Hoangho und Jang- tsekiang, des Amazonas und des Ganges eine österreichische Gemeinschaftsleistung.

Nun aber erst rundete sich das Gesamtbild des österreichischen Anteils an der Erforschung der Erde, dessen Bilanz 1949 Hassinger zog:

„Österreicher haben der Wissenschaft die ersten in den Grundlinien richtigen Bilder riesiger Erdlandschaften vermittelt … die lange gesuchte Nilquelle entdeckt, die Riesenketten der Kuenlum überschritten, höchste Berge der Erde erstiegen. Sie haben Tore ins dunkelste Afrika eröffnen geholfen, haben die Sahara, iranische und tibetanische Wüsten durchquert, die ersten richtigen Kartenbilder von Kalifornien, vom Maranongebiet und Neuseeland entworfen, haben -’n vier Erdteilen die Jugendzustände der Menschheit erforscht. Sie haben aber auch den Boden des Roten Meeres kennengelernt und die Kenntnis vom Atlantikbodenrelief verbessert. Sie haben eine arktische Inselgruppe und das Strömungssystem des Nordpolar- meeres entdeckt und das alles aus einem europäischen Binnenland heraus geleistet — ohne daß ihr Staat auch nur einen Landstrich über See dauernd besessen hätte.”

Hassinger hat den Gedanken postuliert, daß Wien, die Stadt der Vermittlung, in unserem globalen Zeitalter gestützt auf seinen reichen Bibliotheks-Karten- und Musealbesitz zu einer internationalen Forschungsstätte für die Geschichte der Erd- und Himmelskunde werden solle.

Im Sinn der Pax Austriaca

Die Frage, weshalb das Außenministeriums eines Binnenstaates nun zu einem Treffen einlud, das sich mit dem Bezug Österreichs zur überseeischen Welt befaßt, wurde eingangs von berufener Seite dahingehend beantwortet, daß wir es uns nicht leisten können, unsere Vergangenheit zu vergeuden.

Österreich hat inzwischen durch seinen Neutralitätsstatus eine weltweite Vertrauensstellung gewonnen, ist Sitz internationaler Organisationen geworden und im gleichen Wien, wo einst Grundlagen wissenschaftlicher Seefahrt und des Zeitalters der Entdeckungen gelegt wurde, soll die erste Weltraumkonferenz stattfinden.

Als ein Faszinosum des Tagesthemas wurde die Wiederentdeckung jener ersten Friedensideologie europäischer Neuzeit genannt, die sich dem Österreichbegriff verband. Mag auch diese zeitgebundene Pax Austriaca für eine Ideologie der einen Welt von heute nicht anwendbar sein, so ist sie doch für uns selbst in einem höheren Sinne aktuell geworden, erwächst doch der immerwährend neutralen Republik Österreich auch aus dieser Tradition die Verpflichtung, im globalen Friedensgespräch unserer Zeit den ihr zukommenden Platz einzunehmen. In dieser Vergangenheit gilt es nichts zu verschweigen noch zu beschönigen, sie nimmt vielmehr in vielem Jahrhunderte vorweg. Österreichs spärliche Planung und Struktur plurinationaler Faktoreien waren auf friedlichen Erwerb gegründet; Maria Theresia ließ sich versprechen, „keine Gewalt” zu gebrauchen. Wurden Österreichs hundert Schiffe auf weiterer Fahrt gelegentlich ange griffen, so lag der Grund in Flaggenverwechslungen.

Nicht minder aktuell wirken größte Kulturbeiträge, wie die ersten Ansätze zu Weltwahrungen, zur Weltpost und damit zur Weltpresse. Insbesondere aber das Eintreten zugunsten überseeischer Völker. So wurde vor Jahrhunderten in Amerikas wirtschaftspassiven „Entwicklungsländern” der österreichische Achtstundentag eingeführt, so wurde ein Wiener zum Nachfolger des ersten Negerapostels und so wurde von österreichischer Seite eine Chinamission durch Chinesen und die Achtung chinesischer Bräuche gefordert.

Internationales Gespräch

Botschafter Dr. Coreth, der Leiter der Kulturabteilung für multilaterale Beziehungen mit dem Auslande, kündigte als designierter Vertreter des in „Übersee” weilenden Bundesministers die Herausgabe eines Berichtbandes durch den Tagungsleiter und Verfasser dieses Aufsatzes an, dem damit auch die Aufgabe einer Koordinierung der fremdsprachigen Beiträge und damit die Anbahnung eines Gespräches auf internationaler Ebene zufällt, das Österreichs völkerverbindender Tradition ebenso gerecht wird, wie der heute ständig wachsenden Bedeutung der überseeischen Völkerwelt.

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