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Österreichische Eisenkunst

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Die Eisengewinnung, -Verarbeitung und -kunst ist in den Alpenländern uralt. Der uneingeschränkten Herrshaft der Bronze wurde shon etwa um 1000 v. Chr. durh das Eisen ein Ende bereitet. Durch jenes Metall, das noch heute herrsht und bis in unsere Gegenwart herein die letzten Reste der Llolzkultur verdrängt. Begründet wurde unsere Eisenkultur von den indogermanischen Illyrern. Erst — wie in den frühen Krainer Funden — ist das Eisen so selten und kostbar, daß es nur zu Schmuckstücken ausgeformt wurde. Oberösterreich besitzt in den frühhallstattzeitlichen Hel- pfauer (Innvlertel) Bronzeshwert mit Eisenzierateinlagen am Griffe das älteste Stück ganz Mitteleuropas. Hallstatt ist an diesem neuen Werkstoff, der gegen Salz getauscht wird, shon viel reiher. Wir besitzen Eisendolche mit Bronzegriff, eiserne Lappen- und Tüllenbeile, Lanzenspitzen und Eisenmesser. Kahnfiebeln, Pferdetrensen und Wagenreste fanden sich im Innviertel. Mit der Eisenbearbeitung übernahmen die Germanen auch den Namen des Metalls. Das illyrishe „isarnon“ wurde zu unserem „Eisen“. Das norishe Eisen wird von den Römern wiederholt in Versen und Prosa als Bild „der Härte und Geschmeidigkeit“ besungen. Ihre in Windöfen auf der Feisterwiese am Erzberg gefundenen „Massa-ferri“-Stücke sagen uns, daß sie den Tauriskern im Bergbau gefolgt waren.

Ob auch in Österreich hölzerne Stabwerkbauten mit mächtigen Eisenbändern umfangen waren und ob dieser Beschlag Schmuckzierat kannte, wissen wir niht. Ob wir in den mittelalterlichen Ketten, die um die Leonhardi- k i r c h e n gespannt waren, über die Opferbedeutung hinaus auh auf einen Nahklang dieser Sitte shließen dürfen, bleibt sehr fraglich. Jedenfalls ist der Beschlag vor allem der Türen (Tullner Karner, Pürgg und andere) neben den seltenen und kleinen Gittern (Gurk) in der Romanik reich und reif entwickelt. Diese Gepflogenheit übernimmt die Gotik weiter für Kästen und Truhen, aber nicht minder für ihre zahlreichen Sakristei- und Kirhentüren. Das Gitter beginnt nun als Kapellenabschluß und Grabgitter (Maria-Saal, Hall in Tirol, Eferding und andere) und an den Sakra- mentshäushen an Bedeutung zu gewinnen. Das Raum überspinnende und mystisch trennende Gitter . mit seiner auflösenden Tendenz und in der Funktion als Lichtträger sheint aber, wenn wir die Tafelbilder dieser Zeit (M. Paher, Gaspolds- hofner Meister A. Altdorfer) betrachten, in Österreich lange nicht die Beliebtheit wie etwa in Frankreich erreicht zu haben. Auh sind unsere Rautengitter überwiegend einfach gehalten.

Der Beschlag der Türen mit Wappenblechen ist in Krems, Bruck und Steyr zu sehen und hat sih dort in der weiteren Umgebung als sogenannte „Schwarze Türen“in einfacher Form an den Bauernhäusern bis auf den heutigen Tag erhalten. Viel häufiger sind die Beschlagsbänder mit ihren abgespaltenen ‘Liliendekor, der oft in erregender Dynamik — ein „Donaustil“ in der Eisenkunst — die blechbeschlagenen oder gehackten Holztüren überzieht. Eggeisberg, Henhart und Braunau im Innviertel sind mit Recht bekanntgeworden. Es gibt vor allem im Braunauer Bezirk kaum eine Kirche, die uns nicht mit ihren reichen Beschlag erfreuen oder überraschen würde. Rosen-, Lilien-, Schellen- und Ährendekor überwiegen, Eichel und Distel scheinen meist nur in ornamentiertem Blechschnitt auf. Daneben kommt der Fischblase eine besondere Bedeutung zu, gar wenn sie in Wirbelmustern in goldschmiedenaher Verfeinerung der Blechschnittechnik (Steyr) auftritt. Auch figureile Gruppen, religiöse und Jagdszenen sind wie in Krems (und Znaim) zu sehen. In Niederösterreich taucht das Sechssternmuster auf. Oberösterreich und das Krum- auer Ländchen ziehen bei ihren zahlreichen Sakramentshäuschengittern (Lorch — vier!) das Rautenmuster vor. Auch Netzmuster scheinen auf (Altenburg, Oberösterreich). Endlich greift man in der heimischen „Renaissance“ auf völkerwanderungsnahe Formen zurück (Mondsee). Das Motiv der Zugringscheibe wechselt vom romanisch nachempfundenen Löwen allmählich zum Sonnengesicht (Braunau allein kennt alle Übergänge). Die Verwendung der Ziernägel reicht von der Romanik bis zur Gegenwart und ist besonders auf barocken, gedoppelten Türen sehr beliebt. Tierkopfendungen und plastisch betonte Schlüsselführungen sind weithin anzutreffen. Die Unzahl der Beispiele steht unter einem gemeinsamen Grundgesetz: niemals überwächst eine naturalistische Auffassung die heraldisch-abstrakte Gebundenheit.

Die „Geburt der Spirale“ im Rundstab zeigt uns ein 1568 datiertes Linzer Stück aus dem Landbausturm. Sie beherrscht mit Schweif, Saufeder und Groteske die Spiralskunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Diese freifließende durchstoßende Liniensprache — festlich und feierlich wie ein heimischer Landler — schreibt Walz bald nach 1600 quer durch die Apsiden Kremsmünsters und noch hundert Jahre später jubelt es ebendort durch Preisingers Gitter volksliedhaft wie im polyphonen Gesang sich fangender und verflechtender Stimmen. • In Oberösterreichs Stiftspalästen und Wallfahrtskirchen (Brunnenthal, Rans- hofen, St. Florian) bringen Schwingeisen aus Schärding und Meßner aus Passau in Übersetzung des Carlone-Stucks heimische abstrakte Linienführung des Nordens mit jubelnden Blumenkränzen und -Sträußen in Vasen in der Buntheit unserer barocken Bauerngärten noch vor 1700 zu einer harmonischen Einheit. Und 1734 vollendet A. F. Lindemayr in Spital a. P. in unübertrefflichem Können den Spiralaufsatz seines mächtigen Abschlußgitters, an denen Oberösterreich als Klosterland ganz besonders reich ist. Der höfische Bandlwerkstil bleibt in den Händen von Meistern, die wie V. Hofmann aus Franken, wie Peigine aus Köln kommen. Der überragende deutsche Schmiedemeister, der Tiroler Oegg, der bei seinem Oheim in Linz lernte, weiß die gewaltige Prachtentfaltung der Kaiser- und Prinz-Eugen-Gitter des österreichischen Reichsstils mit dem heimischen Liniengut zu verbinden. Von Würzburg bis Mähren und Schlesien reicht sein Einfluß. Im Rokoko, bis in die Siebzigerjahre herauf, bricht nun völlig ein Mozartscher Jubel in der Eisenkunst auf, die besonders in den Emporengittern an Musikalität einen nie wieder erreichten Duft entfaltet, in dem Hof- und Volkskunst, wieder durchaus von heimischen Kräften getragen, mühelos zusammenfließen, wobei das asymmetrische, abstrakte Formengut besonders im Westen Österreichs völlig überwiegt. Hafnerberg in Niederösterreich, Steyr (jetzt Jesuiten), Wilhering, Reichersberg, Grabkreuze in Tirol sind hier als schönste Verkörperungen österreichischen Wesens zu nennen. Es weiß in den glücklichsten Epochen selbst dem harten, kalten Eisen ein berauschendes Ja zum Leben abzuringen. Damals waren die Gitter auch noch bunt wie schon im 15. Jahrhundert. Heute kann man sie noch in Himmelblau mit Gold und Silber im Innviertel sehen (Hart, Ranshofen). Auch in Pfaffing, einer Gründung der Gegenreformation, nahe dem Felde, wo das Haushammerwürfelspiel stattfand, sind die Additionsmuster noch in alter Farbenbuntheit erhalten. Caputmortuum, Nußbraun, dunkles Chromoxydgrün (Reichersberg), Kornblumenblau mit Gold klangen und klingen wieder nach der Überwindung der Purismus, der vielfach im Sinne der wohl auf spanisch-burgundische Zeremonielle zurückgehenden Leichenbestattungsstils mit seinem Schwarz und Silber noch nachwirkt, mit unseren buntgebliebenen Bauernkreuzen in einer sieghaften Freudigkeit zusammen. Auch hier besiegt das Leben den Tod.

Frühe Gitter waren wohl ganz in Gold gehalten (Schloß Rosenberg a. d. Moldau) oder in Weiß gegen das dunkle Braun der Chorgestühle (Schlägl). Die Wappen der Brunnengitter in Salzburg oder Klagenfurt zwingen ja zur Bemalung. Auch die Wasserspeier waren, wie wir aus Rechnungen wissen, bunt. Bei den Wirtshausschildern hat man die Bemalung nie aufgegeben, Zahl und Form ist unabsehbar. Steyr allein hat etwa vierzig. Gerade bei den volkstümlichen Dingen kommt es noch bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Rückgriffen auf die Zeit, in der die reine, klare Linie herrschte. Namenlose Schmiede werden so unbewußt zu Kündern unserer Art. In treuer Beharrlichkeit tragen sie altes Formgut weiter in Windfahnen und Pfandl- rastln, Türklopfern und Votivgaben für den Eisenheiligen Leonhard. In den „Vogerl- leuchtern“ des Trauntals klingt noch einmal aus urfernem Raunen das Sonnenwagenmotiv auf. Daß wir das Gußeisen in seiner Mechanisierung überwunden haben, zeigt der Sprachgebrauch: „Schmiedeeisenkunst“, weil wir darauf die Betonung legen, wir müßten sonst von „Eisenschmiedekunst“ reden, wie wir „Kupfer-“ und „Goldschmied“ sagen. Die alte Stahlschneidetechnik ist wieder der Vergessenheit entrissen. Eine junge Generation, Söhne der Eisenstadt Steyr, wartet auf Aufträge. Wer will und kann, hat Möglichkeit, sich wieder materialgerecht gearbeitete Grabkreuze schmieden zu lassen. Die Architekten beziehen die Eisenkunst wieder in ihr landschaftsgebundenes Planen ein. Eisenkunst beginnt mehr und mehr das Stadtbild zu beleben und das alte Gut wird gepflegt. Freilich, das Stilgefühl und Werturteil hat nicht überall die

nötige Sicherheit.

Hier hat nun das Landesmuseum Linz in einer erstmaligen durch neun Säle in fünf große Stoffgebiete gegliederte Ausstellung, „Das Eisen in Geschichte und Kultur des Landes ob der Enns“, sich seiner Verpflichtung erinnert. In über 500 zusätzlichen Nummern ist das Wagnis unternommen, auf dieses weite Feld, von dem ich nur einige Lichter auf die Eisenkunst werfen konnte, hinzuweisen. Menschenfleiß und die Nähe der „benedeiten Wurzel“ des Erzberges, Wasserkraft und der Segen der Wälder, Kunstgeschichte und Geschmackskultur verbinden sich zu einem mächtigen Eindruck. Das Steyrer Sakramentshäuschengitter, das Turmgitter aus Linz und eines der großartigsten und kunstvollsten Kreuze der Welt: das Schoiß- wohl-Kreuz aus Windischgarsten von dem erwähnten Meister Lindemayr und eine Unzahl von Lichtbildern, Handzeichnungen und Originalstücken bieten dem Fachmann jede Möglichkeit, die verschiedenen Techniken zu studieren. In den Sensenschmiedzimmern mit ihren Familienbildern, Trachten und Hausrat können wir einen Blick in die Kultur unseres „schwarzen Adels“ tun, der seine Familienzweige auch nach Niederösterreich und in die Steiermark entsandte. Nun, wo der wirtschaftliche Gewinn nach dem Verlust fast aller ausländischen Absatzmärkte kaum mehr ein nennenswerter ist, wollen wir uns der ethischen erinnern. Wir sehen, daß Adalbert Stifters „Nachsommer“ nicht das Wunschbild eines biedermeierlich resignierenden Dichters, sondern ein Spiegelbild unserer damaligen Heimat war. Di Schau ist das Beachtlichste, was auf diesem Gebiete je gezeigt wurde. Es wäre ein bedeutender kultureller Gewinn für ganz Österreich, gelänge es, sie zu einer Grundlage eines dauernden oberösterreichischen Eisenmuseums zu machen und so die alte Tradition unserer „Eisenwurzen“ mit den modernen Großwerken zu verbinden.

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