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Österreichische Kunst: 1897 bis 1938

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Mit der Gründung der Wiener „S e z e s- s i o n“, die wie ein Fanfarenstoß in die Melodik der Wiener naturalistischen Kunst einbrach, setzt die am 6. März in den Ausstellungsräumen der „Akademie der bildenden Künste“ eröffnete retrospektive Kunstschau ein, mit dem Jahre 1938, dem Jahre der Gleichschaltung, auch in der Kunst, wird sie abgeschlossen, und umgrenzt damit einen Zeitabschnitt künstlerischer Entwicklung, der tatsächlich eine gewisse Einheit bildet.

Nach langer Zeit ist es wieder einmal möglich, die Spitzenleistungen österreichischer Kunst aus der Zeit des Impressionismus und Expressionismus, Werke, die aus der „österreichischen- „Galerie“, der „Albertina“ sowie aus den „Städtischen Sammlungen“ und aus privatem Besitz stammen, in einer wirklich repräsentativen Schau beisammen zu sehen, aus welcher man die Eigenständigkeit österreichischen Kunstschaffens besonders deutlich erkennen kann. Eine Kollektion Klimtscher Bilder und Graphiken bildet den Auftakt und gleichzeitig einen Höhepunkt dieser Ausstellung. In seinem Werk offenbart sich nicht nur der geistvolle Gestalter, der, bei aller Liebe zur Natur, doch immer wieder über die äußere Hülle in ihren Geist eindrang, sondern auch der überfeinerte, fast ein wenig dekadente Geschmack der vornehmen Vorkriegsgesellschaft Wiens. In dem unvollendeten Bildnis Frau Z.“, in der köstlichen Landschaftslyrik der „Sonnenblume“ und in einzelnen Handzeichnungen erkennen wir am stärksten und reinsten die künstlerische Individualität dieses Meisters, der den Untergang der Welt, der er entstammte, nicht mehr erlebte.

Zwei bedeutende Künstlerpersönlichkeiten sind seine Zeitgenossen und von ihm und seinem Schaffen doch grundverschieden, Schiele und Kokoschka, beide in dieser Ausstellung durch eine größere Anzahl von Werken vertreten. Schiele stand Klimt näher, künstlerisch, aber nicht geistig, dehn er ist bewußt proletarisch in seinem Schaffen, er sieht hinter der äußeren Hülle die Not und das Grauen einer Zeit, die sich im späteren Kriegsgeschehen explosiv entladen. Klimt bleibt immer Ästhet, Schiele enthüllt das Elend in seiner vollen Nacktheit, er entwirklicht seine Gestalten, ähnlich, wie es der hochbegabte Richard G e r s 11 schon in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts gemacht hatte. Kokoschka ist in mancher Hinsicht der Gegenpol Klimts, klobig, brutal, kraftvoller in der Farbe, temperamtenvoll, bis sich im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung immer stärker ein beseeltes Naturempfinden bemerkbar macht, das sich in seinen Prager „Stadtbildern“ zu farbigen Visionen steigert.

Alle Werke dieser Ausstellung sind den Kunstfreunden bekannt, aber man macht doch gerne halt vor dem einen oder andern, das man schon seit langem nicht mehr sehen konnte. Geradezu klassisch wirkt heute schon die noble Farbigkeit Anton

Faistauers in seinem „Mädchen auf rotem Sofa"! W i e g e 1 e s „Familienbild“ mit dem traumhaft schönen Obststilleben im Bildvordergrund ist ein Meisterstück zeitgenössischer österreichischer Malerei. Auch sein Schwager Anton K o 1 i g, der bald nach Ende des ersten Weltkrieges mit seinen Bildern in der „Kunstschau-Ausstellung“ berechtigtes Aufsehen erregte, gehört zu jenen Künstlern, die bei aller Ausdruckskunst, die sie von dem bloßen Abmalen der Natur wegführte, doch aufs innigste mit der Natur verbunden blieben, eine, wie Dr. Alfred S t i x in seiner Katalogeinleitung sehr richtig bemerkte, spezifisch österreichische Einstellung, die unsere zeitgenössische Kunst so ziemlich vor allen allzu grotesken Experimenten des Kubismus und Futurismus bewahrte.

Hingewiesen sei auch auf das „Drohende Gewitter“ von Sergius P a u s e r mit seiner brutalen Malweise und doch wieder fast metaphysischen Gestaltung, das sich von seinen späteren Arbeiten merklich unterscheidet. Ein Kabinettstück lebensvoller

Zeitschilderung ist Oskar Laskes auch geschichtlich wertvolles Aquarell vom Begräbnis des Wiener Bürgermeisters Doktor Kar] Lueger“. Von Herbert B ö c k 1 möge sein „Stilleben mit Pferd“ wegen seiner malerischen Qualität besonders erwähnt werden.

Der wuchtige „Totentanz von Anno neun“, von Egger-Lienz 1908 geschaffen, wirkt wie eine Mahnung, dieses großen österreichischen Malers doch bald einmal in einer eigenen Kollektivausstellung zu gedenken.

K u b i n und Jungnickel, zwei der stärksten Individualitäten österreichischer Zeitkunst, Anton Hanak, Humplik und Altmeister B a r w i g unter den Plastikern, sind neben allen anderen, die der Gegenwartskunst Österreichs ihr Eigengepräge geben, mit auserlesenen Werken vertreten, die zu Stolz auf die Vergangenheit und zu Zuversicht auf eine Zukunft berechtigten, deren künstlerische Erfüllung den Aufstrebenden von heute und morgen obliegt.

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