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Österreichs Avatgarde nach der Stunde Null

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Ab dem 26. Oktober zeigt die Österreichische Galerie im Belvedere Schlüsselwerke der Malerei und Plastik der fünfziger Jahre. Auf ihnen basiert die Vielfalt und Qualität der österreichischen Kunst heute.

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Ab dem 26. Oktober zeigt die Österreichische Galerie im Belvedere Schlüsselwerke der Malerei und Plastik der fünfziger Jahre. Auf ihnen basiert die Vielfalt und Qualität der österreichischen Kunst heute.

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Was gibt es Spannenderes, als die Entwicklung der Moderne in einem Land, das in den Jahrzehnten zuvor von den Errungenschaften der internationalen Moderne vieles nicht wahrgenommen hat.“ Diese Frage stellt der Ausstellungskurator Tobias Natter in seinem Einleitungstext zur Ausstellung „aufBRÜCHE .

Der österreichische Weg in der Kunst der Zwischenkriegszeit war, nicht zuletzt durch die politische Situation bedingt, sicherlich ein eigener. Die Herrschaft der Nationalsozialisten, der Ausschluß von den internationalen Entwicklungen durch den Krieg wirkten nicht gerade belebend auf die Kunstszene Österreichs. So wird das Jahr 1945 allgemein als Zäsur, als Stunde Null in der österreichischen Kunst angesehen.

Doch war es wirknch die Stunde Null, ohne Bezugspunkte auf Vorangegangenes? Der Ausstellungstitel „aufBRÜCHE“ deutet die Ambivalenz an: Neubeginn, Bruch, zugleich aber ein Bewußtsein um ebendiese Traditionen, mit denen gebrochen oder an die wieder angeknüpft wird. Genau um diese Anknüpfungspunkte geht es im ersten Raum der Ausstellung, sehr beziehungsreich — (man denke an Thomas Bernhard oder Arnulf Rainer …) - mit dem Titel „Alte Meister“ versehen.

Oskar Kokoschka ab Vertreter des Expressionismus ist hier zu sehen; ebenso Herbert Boeckl mit seiner bis zur Abstraktion führenden Redukti

on der Bildsprache; Albert Paris Gütersloh, der viel von der Stimmungswelt der Wiener Phantasten vorweggenommen hatte und natürlich der „alte Meister“ Fritz Wotruba.

Und doch ist das Jahr 1945 ein besonderes: „Das Jahr Null machte alle gleichaltrig und chancengleich. Sie hielten von der Akademie nicht viel, aber den meisten bot nur die Akademie einen ungestörten und beheizten Arbeitsplatz“ schrieb Kurt Moldovan in der Zeitschrift „Protokolle“. So bildeten sich die ersten, jedoch nicht scharf abgegrenzten Gruppen. Die Surrealisten Fritz Janschka, Emst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden fanden sich um Gütersloh und Edgar Jene — ihnen, den „Wiener Phantastischen Realisten“, ist der zweite Raum der Ausstellung gewidmet.

VIELES WAR MÖGLICH

Die „Abstrakten“ fanden zueinander, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky, Carl Unger, Johann Fruhmann, Rudolf Hoflehner. Doch die Abgrenzungen waren nicht so scharf, das Bedürfnis der Künstler zu experimentieren groß. Vieles wurde ausprobiert, viele Entwicklungen in kürzester Zeit durchlaufen — das Bedürfnis „nachzuholen“ war groß. Das zeigen die weiteren Räume „Ornament versus Geometrie“, „Emotion und freie Geste“, „Struktur und Konstruktives“. Und dann die „Wiener Naturalisten“, die in der Hochblüte der Abstraktion und des Informel extreme Gegenpositionen bezogen, etwa Alfred Hrdlicka und Georg Eisler. Die Werke der Bildhauer der fünfziger Jahre sind ergänzend zur Ausstellung im Atelier im Augarten zu sehen.

Ein breites Spektrum künstlerischen Schaffens bot sich dem Interessierten - ganz zu schweigen von den vielfältigen kulturellen Aktivitäten dieser Zeit. Vieles war im Aufbruch, vieles, heute kaum mehr Vorstellbares war möglich: Ein Priester, Otto Mauer, als Verteidiger der Avantgarde in der Galerie nächst St. Stephan; die Gründung des „Art Club“, der unterschiedlichen Künstlern eine Heimat bot; die „Hundsgruppe“, in der Rudolf Hausner, Emst Fuchs, Maria Lassnig und Arnulf Rainer (!) gemeinsam ausstellten und so weiter.

Zuviel für eine Ausstellung? Tobias Natter geht es darum, anhand sorgfältig ausgewählter Exponate (von keinem Künstler sind mehr als drei Werke ausgestellt) eine Entwicklung der Moderne in Österreich darzustellen; die persönliche Geschichte und Entwicklung der Künstler tritt in den Hintergrand.

Vielmehr soll die Summe von individuellen Entwicklungen in der Zeit zwischen 1945 und 1960 dargestellt werden. Die Bilder sollen für sich sprechen und Tendenzen und stilistische Möglichkeiten verdeutlichen - ein ebenso ansprachsvolles wie subjektives Konzept, das eine spannende und qualitativ hochwertige Ausstellung verspricht.

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